Kraftklub in KölnBand mit K zeigt sich gewohnt gesellschaftskritisch

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Kraftklub-Frontmann Felix Brummer steht mit ausgestreckten Armen auf der Bühne.

Felix Brummer ist der geborene Performer.

Am Montag hat die Chemnitzer Band Kraftklub im Palladium gespielt. Die „Kargo“-Tour knüpft nach fast fünf Jahren Stille perfekt an das an, was man von der Band mit K gewohnt ist.

Wenn ein Glücksrad auf die Bühne im ausverkauften Palladium rollt, dann kann das nur eines bedeuten: Die Band mit K macht die Stadt mit K unsicher. Felix Brummer, der eigentlich Kummer heißt, zieht geübt effekthascherisch das Tuch vom Rad, zur Auswahl stehen: „Scheissindiedisko“, „Zigarettenpause“, „Irgendeine Nummer“ und ein „Kover Song“. Die auserwählte Glücksfee Sarah wünscht sich „Irgendeine Nummer“ und „mit der Kraft der Imagination“, wie Brummer meint, stoppt die Nadel auf dem richtigen Feld.

„Hab‘ ich vergessen wer du bist / vergessen wo du wohnst / dann bist du nur noch irgendeine Nummer in meinem Telefon“. Die Fans haben Kraftklub nicht vergessen. Sarah wird auf Händen weg von der Bühne getragen – sie soll an diesem Abend nicht die einzige Crowdsurferin bleiben. Brummer teilt die Menge wie Moses das Wasser, die Fronten trennen sich, um dann aufeinander zuzuspringen.

Konzert von Kraftklub in Köln: Fast fünf Jahre war es still um die Band aus Chemnitz

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Fast fünf Jahre war es still um die fünf Jungs aus Chemnitz, seit 2017 kein neues Album, 2018 endete die letzte Tour. Frontmann Felix Brummer hat die Zeit für seine Solokarriere genutzt, von der er sich vergangenes Jahr schließlich mit „Der letzte Song (Alles wird gut)“ verabschiedet hat. 2022 meldet sich die Band dann plötzlich zurück: Im Frühjahr kündigt sie das neue Album „Kargo“ an, veröffentlicht kurz danach die erste Single „Ein Song reicht“. Aber ein Song reicht eben nicht, wenig später kamen schon die Singles „Wittenberg ist nicht Paris“ und „Fahr mit mir (4x4)“, bei der die Band Tokio Hotel als Feature auftritt. Am 22. September erschien das vierte Studioalbum, elf Titel voller Satire, so kritisch wie man es von Kraftklub gewohnt ist. Die Band hat ihren Biss nicht verloren.

Im Sommer spielte Kraftklub auf Festivalbühnen, später dann zur Bewerbung des neuen Albums Überraschungskonzerte. Ende September spielten die Chemnitzer auch in Köln an der Südbrücke und besuchten noch am gleichen Abend ihre Kollegen von K.I.Z, die gerade ihr traditionelles Frauenkonzert in der Lanxess Arena gaben. Jetzt ist Kraftklub wieder auf Tour. Die beiden Konzerte im Palladium sind ausverkauft.

Schon beim Support, der Indie-Pop-Sängerin Mia Morgan, brodelt die Menge. Die Vorhänge fahren herunter, auch die Musik vom Band kann die Stimmung nicht schmälern, das Publikum grölt „Mr. Brightside“ von The Killers mit. Das Licht geht aus und der Vorhang fährt hoch, die ersten Töne von „In meinem Kopf“ erklingen.

Kraftklub für die „1Live Krone“ nominiert

Kraftklub ist nicht unverdient als bester Live-Act für die „1Live Krone“ nominiert. Die Band weiß, was sie tut, Felix Brummer ist der geborene Performer. Wie er sich bewegt, die Arme exzentrisch von sich gestreckt, die Hände abgeknickt, mal fließend und ruhig – dann springt er über die Bühne, auf der Box. Bei „Eure Mädchen“ friert die ganze Band ein, plötzliche Stille. Ein Crewmitglied kommt auf die Bühne, steckt Brummer eine Konfettikanone in die Hand. Die Spannung steigt, das Publikum klatscht, und dann singt Brummer: „Denn im Studio sind 44 Grad“. Im Palladium – jedenfalls gefühlt – mittlerweile auch.

Eine Band aus fünf Weißbroten.
Felix Brummer

Mittendrin fährt der Vorhang runter, manch einer wähnt das Konzert schon beendet und ruft nach einer Zugabe. Aber dann erscheint ein blau-grüner Lichtstrahl auf der Bühne, der Schatten von Beinen und einer Gitarre wird oben auf den Vorhang geworfen. Dramatisch erklingen die ersten Töne der bedrückenden Ballade „Angst“, in der es um die geht, die gern „besorgte Bürger“ genannt werden. Der Vorhang geht auf, Karl Schumann steht auf einem Podest, vorne auf der Bühne Felix Brummer. Das Publikum singt textsicher mit. Als der Vorhang sich senkt und dahinter nur noch Steffen Israel (Thiede) das Keyboard spielt, dirigiert Brummer vorne den Chor in einem scheinbar endlosen Refrain („Ich hab‘ Angst / Hast du Angst? / Alman-Angst“).

Kraftklub solidarisiert sich mit Klimaaktivisten

„Vierter September“, da ginge es um „den Frust darüber, dass man irgendwie nichts verändern kann“. Aber Konzerte wie dieses geben immerhin das Gefühl, nicht alleine zu sein. Und Solidarität zeigen, das sei alles, was „eine Band aus fünf Weißbroten“ eben bieten könne, meint Brummer und spricht damit auch seine Solidarität mit allen Menschen aus, die im Iran gerade auf die Straße gehen.

Solidarität bekundet der Kraftklub-Frontmann auch mit den jungen Klimaaktivisten, über die aktuell so viel geschimpft werde. Es werde zu viel über das „Wie“ statt über die Sache diskutiert. Das bringt Brummer Zustimmung aus dem überwiegend sehr jungen Publikum.

Wer schon mal auf einem Kraftklub-Konzert war, weiß, dass die Band sich auch gerne unters Publikum mischt. Alle würden immer fragen, wie sie da in die Mitte kommen: „Das ist die ganze Magie, wir gehen einfach rein.“ Gesagt, getan. Die fünf Jungs stehen Rücken an Rücken im Kreis, um sie sitzt das Publikum, die Handytaschenlampen in die Höhe gereckt. So spielen sie „Kein Liebeslied“ und „Bei dir“, einer von Brummers Solosongs, den er als Kummer veröffentlicht hat. Dann Stimmungswechsel: „500 K“, Kraftklub wieder auf der Bühne, die Menge wieder am Hüpfen.

Kraftklub-Konzert in Köln: Am Ende fliegen Becher durch die Luft 

Gegen Ende erleuchtet dann ein riesiges K aus LEDs über Kraftklubs Köpfen, bei „Schüsse in die Luft“ geben sie nochmal alles. Zu „Randale“ setzt sich das Publikum ohne Aufforderung hin, springt auf, Becher fliegen durch die Luft, auf der Bühne werden Regenbogenflaggen geschwenkt

Zur Zugabe spielt Kraftklub „Blaues Licht“, „Ein Song reicht“ und endlich auch den ersehnten Hit „Songs für Liam“. Rot-weißes Konfetti regnet herab, Kraftklub verabschiedet sich, aber die Chemnitzer kommen wieder. Am 24. Juni 2023 spielen sie ein Open-Air am Fühlinger See, verkündet Brummer noch, bevor sich die Jungs ausladend verbeugen.

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