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Vor Preisverleihung in KölnUmstrittene TV-Journalistin wehrt sich gegen israelische Vorwürfe

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Sophie von der Tann beim OMR-Festival am 7. Mai 2025 in Hamburg. Die Nahostkorrespondentin sieht sich einer „Diffamierungskampagne“ ausgesetzt.

Sophie von der Tann beim OMR-Festival am 7. Mai 2025 in Hamburg. Die Nahostkorrespondentin sieht sich einer „Diffamierungskampagne“ ausgesetzt.

Inmitten der Kritik an ihrer Berichterstattung wird Nahostkorrespondentin Sophie von der Tann am Donnerstag mit einem Preis ausgezeichnet.

Die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann wird am Donnerstagabend in Köln mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnet – einer der wichtigsten Ehrungen im deutschen Fernsehjournalismus. Rund um die Preisvergabe ist eine intensive öffentliche Debatte über die Arbeit und Einstellung der 34-Jährige entbrannt. Vorwürfe, sie betreibe eine einseitige Berichterstattung zulasten Israels oder schüre Judenhass, weist die ARD-Journalistin entschieden zurück.

„Solche Unterstellungen entbehren jeder Grundlage“

Im ARD-„Morgenmagazin“ sagte von der Tann, Teile der Kritik seien „Diffamierungskampagnen“ und „vollkommen haltlose Unterstellungen“. Der Vorwurf, sie würde anti-israelische Ressentiments befördern, treffe sie auch persönlich: „Ich lebe in dem Land“, betonte sie. Sie habe enge Freunde, die vom Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 unmittelbar betroffen seien.

Gleichzeitig sei es journalistische Pflicht, „Balance zu schaffen zwischen Empathie und Distanz“. Sachliche Kritik nehme sie ernst, doch gegen Hass und Hetze müsse man sich wehren – zumal einige Angriffe, etwa in sozialen Netzwerken, justiziabel sein könnten.

Preisverleihung löst neue Diskussionen aus

Die heutige Preisvergabe hat die Debatte weiter verschärft. Die Jury würdigt von der Tann als „krisenfeste und unerschrockene Korrespondentin“, die präzise und klar aus der Region berichte. Neben ihr erhält auch Katharina Willinger, Leiterin des ARD-Studios Istanbul/Teheran, einen Hauptpreis.

Der renommierte Fernsehpreis ist mit jeweils 2500 Euro dotiert; der Sonderpreis geht an Reporter ohne Grenzen, der Förderpreis an den WDR-Journalisten Borhan Akid.

Kritiker – darunter pro-israelische Vertreter, Publizisten und einzelne Medien – werfen von der Tann Parteilichkeit vor. Der israelische Publizist Arye Sharuz Shalicar bezeichnete sie kürzlich auf der Plattform X als „Gesicht vom neu-deutschen Juden- und Israelhass“. Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, widersprach öffentlich und sprach von „Diffamierung“.

Streit um angeblichen „Eklat“ im ARD-Studio Tel Aviv

Ein Auslöser der jüngsten Kontroverse war ein Bericht der „Welt“. Darin wird behauptet, von der Tann habe bei einem Gespräch mit einer bayerischen Delegation das Massaker vom 7. Oktober mit dem Hinweis relativiert, es habe „eine Vorgeschichte“ bis zurück zum Osmanischen Reich.

Von der Tann und der ARD-Studioleiter widersprechen dieser Darstellung klar. Sie habe lediglich erläutert, dass der Nahostkonflikt nicht erst 2023 begonnen habe, „ohne die Terrorangriffe zu rechtfertigen“. Die Aussage über das Osmanische Reich sei weder von ihr noch von anderen ARD-Mitarbeitenden gefallen.

Kritik an wachsenden politischen Interventionen

Mehrere Redaktionen und Journalistenverbände beobachten seit Monaten eine härtere Tonlage gegenüber Medienvertretern, die aus Israel und Gaza berichten. Laut Reporter ohne Grenzen dokumentierte die Organisation zahlreiche Fälle, in denen israelische Amtsträger Journalistinnen und Journalisten direkt attackierten.

Auch der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, kommentiert regelmäßig Beiträge deutscher Medien kritisch. Medienvertreter und Politiker wie der frühere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sehen darin eine „grenzwertige“ Form diplomatischer Intervention.

Besonders hoher Druck im Umfeld der Gaza-Berichterstattung

Korrespondenten schildern gegenüber verschiedenen Medien, dass die Berichterstattung über Gaza – angesichts eingeschränkter Zugänge und hoher Opferzahlen – massiv unter Beobachtung stehe. Viele Journalistinnen und Journalisten berichteten von Angst vor öffentlicher Anfeindung und Druck aus unterschiedlichen politischen Lagern.

Der Studioleiter der ARD in Tel Aviv betont, die Berichte des gesamten Teams entstanden unter schwierigen Bedingungen. Sachliche Fehler würden korrigiert, aber persönliche Angriffe seien „unverhältnismäßig“.

Wer ist Sophie von der Tann?

Sophie von der Tann arbeitet seit 2021 als ARD-Korrespondentin in Tel Aviv. Die 34-Jährige berichtet regelmäßig aus Israel und den Palästinensischen Gebieten – ein Arbeitsumfeld, das sie selbst als technisch wie emotional herausfordernd beschreibt. Von der Tann hat in München, Oxford, New York und London studiert und spricht unter anderem Hebräisch und Arabisch. Früh machte sie durch Projekte wie den Instagram-Kanal „News-WG“ oder den Tagesschau-Podcast „Mal angenommen“ auf sich aufmerksam. Für ihre journalistische Arbeit ist sie bereits mehrfach ausgezeichnet worden, darunter mit dem Förderpreis des Deutschen Fernsehpreises und dem Blauen Panther.

Polarisierte Debatte

Die Diskussion rund um Sophie von der Tann zeigt, wie polarisiert die Debatte über Israel und Gaza geführt wird – und wie schnell professionelle Berichterstattung zu persönlichen Angriffen führt.

Am Donnerstagabend wird sie in Köln erneut für ihre journalistische Arbeit ausgezeichnet. Über die Kritik sagt sie: Entscheidend sei, „selbstbewusst“ und transparent zu arbeiten – und sich nicht einschüchtern zu lassen. (mit epd)