„Anne Will“Virologin Brinkmann „fassungslos“ über Corona-Politik

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Die Virologin Melanie Brinkmann bei Anne Will. 

Berlin  – „Wahnsinnig frustriert“ und fassungslos über die Situation, in die das Land geraten sei, zeigte sich die Virologin Melanie Brinkmann am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“. Trotz eindringlicher Warnungen der Wissenschaft, „welche Kraft die Delta-Variante hat“ und wie stark das Infektionsgeschehen davon abhängen werde, habe die Politik die Entwicklung der Pandemie zu lange ignoriert. 

Brinkmann könne nicht verstehen, wie Maßnahmen, von denen man wisse, dass sie wirken – etwa das Verbot von Großveranstaltungen – zum Herbst hin immer weiter geöffnet wurden, „wo aber schon absehbar war, dass die Zahlen langsam steigen“. Ein weiteres Problem sieht sie in der Impfkampagne des Bundes: Eine Impfquote von 67,9 Prozent, wie wir sie aktuell in Deutschland haben, sei gut wirksam gewesen gegen die ursprüngliche Corona-Variante, nicht aber bei der sehr viel aggressiveren Delta-Form. Das sei so von der Wissenschaft wiederholt betont, von der Politik aber augenscheinlich ignoriert worden. „Das kann ich einfach nicht verstehen.“

Eine 2G-Regelung wird laut Brinkmann nun nicht mehr genügen, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen – zumindest nicht in Regionen, in denen die Zahlen schon jetzt explodieren. Hier müsse die Politik „konsequent dagegensteuern“. Inzidenzen seien dort hoch, wo die Impfquoten niedrig sind. Mithin sei es die hohe Zahl an Nichtgeimpften, die das Infektionsgeschehen antreiben.

Tobias Hans: „Impfpflicht ist nicht die Debatte, die wir jetzt brauchen“

Neben Brinkmann diskutierten der Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans, FDP-Bundesvorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation, bei Anne Will über die aktuelle Corona-Notlage und Möglichkeiten, die vierte Welle noch zu brechen. Etwa mit Hilfe einer allgemeinen Impfpflicht. 

Tobias Hans hält eine Diskussion über eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus derzeit für nicht sinnvoll. „Die Impfpflicht ist nicht die Debatte, die wir jetzt brauchen“, sagte der CDU-Politiker. „Jetzt bitte ich doch wirklich, alle Kraft darauf zu konzentrieren zu impfen“, forderte Hans demnach. Nun sei ein Zeitpunkt, „wo die Zahlen so intensiv steigen, wo ich Menschen überzeugen kann, sich impfen zu lassen, weil sie auch merken, sie verlieren ihre Freiheiten“, führte Hans aus. „Die Anreize waren nie größer als jetzt.“

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Man habe noch nicht genug getan, „um wirklich zu überzeugen, dass die Impfung der richtige Weg ist“, meinte Hans. „Wir haben ganze Bevölkerungsschichten in prekären Lebenssituationen, an die wir nicht rangekommen sind.“ Hans warnte: „Wenn wir jetzt durch politische Debatten, die zu früh, die zu unausgegoren geführt werden, die nächste Bevölkerungsgruppe auf die Straße bringen, die dann gegen uns demonstriert (...), glaube ich, werden wir nicht unserem Anspruch gerecht, die jetzt drängenden Probleme zu lösen.“

Hans kritisiert Biontech-Deckelung

Ein riesiges Problem ist laut Hans etwa, dass der in Deutschland beliebteste Impfstoff begrenzt sei in seiner Verfügbarkeit, „wenn wir im Moment alle Kräfte bündeln, um zu impfen“. Seine Erwartungshaltung an die Bundesregierung sei, „dass wir jetzt alles daran setzen, genügend von dem Pfizer/Biontech-Impfstoff zur Verfügung zu haben“.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach sich dafür aus, zunächst vor Weihnachten zu klären, wie eine Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen rechtssicher umgesetzt werden kann. „Und dann wird eine Debatte weitergehen, aber in der Reihenfolge.“ (dpa/red)

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