"Das Internetangebot darf nicht presseähnlich sein"

Lesezeit 6 Minuten
  • Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei, über die Rolle von ARD und ZDF im Netz, die Sparpläne der Sender und einen starken WDR

Herr Liminski, die ARD-Sender haben ihr Internetangebot stark ausgebaut. Die Verlage werten das als Wettbewerbsverzerrung. Wie ist Ihre Position?

Die Herausforderungen der Verlage sind nicht allein durch das Telemedienangebot der öffentlich-rechtlichen Sender begründet. Aber: Die Rundfunkanstalten sind als Rundfunkanstalten gegründet worden und nicht als Verlage. Auch ein audiovisuelles Angebot kommt mit Blick auf Orientierung und Auffindbarkeit für Suchmaschinen nicht ganz ohne Text aus. Aber der Schwerpunkt muss klar sein. Es bedarf einer klaren Trennung. Das Internetangebot der Sender darf nicht presseähnlich sein.

Was will die Landesregierung konkret unternehmen?

Wir wollen dazu eine Konkretisierung des Verbots der Presseähnlichkeit in öffentlich-rechtlichen Telemedien im nächsten Rundfunkstaatsvertrag vornehmen, den wir im Länderkreis jetzt vorbereiten. Dafür hat sich Ministerpräsident Laschet bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz eingesetzt, und so wurde es auch beschlossen. Wir wollen zu mehr Klarheit kommen. Es ist kein zufriedenstellender Zustand, wenn sich Verlage und Sender vor Gericht treffen. Die Verlage stehen ohnehin durch den internationalen Wettbewerb und die Digitalisierung unter Druck. Sie sollten nicht zusätzlich durch einen beitragsfinanzierten Rundfunk unter Druck gesetzt werden.

Der WDR hat sich im Netz eine Selbstbeschränkung auferlegt. Wie beurteilen Sie diese?

Wir begrüßen die Absicht des WDR, sich im Internet stärker auf audiovisuelle Angebote zu konzentrieren. Das ZDF zeigt, wie das funktionieren kann.

Rechtfertigt der Bezug auf eine Sendung ein Internetangebot?

Nein. Der Sendungsbezug hat als Kriterium ausgedient. Damit kann man jeder Regelung ausweichen, wenn man zum Beispiel einen alten Beitrag aus der Mediathek dazu stellt.

Sie werden dem Landtag im Januar den 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zuleiten, der zwei zentrale Themen beinhaltet. Das erste ist die Aktualisierung der Verträge im Rundfunkbereich auf die EU-Datenschutzverordnung. Was ist da der entscheidende Punkt?

Es geht dabei insbesondere um den Erhalt der Medienprivilegien, damit der Schutz journalistischer Arbeit gewährleistet wird. Die Datenschutzgrundverordnung hat vielfältige Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Wir stellen sicher, dass die Presse weiterhin Daten und Quellen nicht offenlegen muss.

Der zweite Punkt ist die Betrauungsnorm.

Richtig, diese sieht vor, dass die öffentlich-rechtlichen Sender stärker als bisher kooperieren können. Das erleichtert den Sendeanstalten, Einsparungen vorzunehmen. Wenn der WDR über etwas berichtet, das in Hamburg stattfindet, kann er doch ein Team des NDR losschicken. Mit der Freistellung vom europäischen Kartellrecht machen wir solche Kooperationen rechtssicher.

Die private Konkurrenz, etwa der VPRT, hat große Bedenken, dass es dadurch zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt.

Ja, der VPRT ist damit nicht glücklich, aber der Beitragszahler wäre es umgekehrt auch nicht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in Deutschland föderal organisiert, und das ist auch gut so. Das darf aber nicht zu völlig unnötigen Ausgaben führen. Wir haben die Sender ja auch beauftragt, Sparpotenziale vorzulegen. Kooperationen sind ein Weg. Wir wollen diese daher erleichtern und rechtlich absichern.

Ein weiteres Thema, das die private Konkurrenz umtreibt, ist die Werbezeitenreduzierung.

Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Werbezeitenreduzierung, die unsere Vorgängerregierung beschlossen hat, zu evaluieren. Wir wollen in einem Gutachten untersuchen, inwieweit das Ziel, dass eine Reduzierung bei den Öffentlich-Rechtlichen zu mehr Einnahmen bei den Privaten führt, tatsächlich eintritt. Eine solche Untersuchung braucht solide Zahlen und Zeit, deshalb werden wir die von der Vorgängerregierung beschlossene Werbezeitenreduzierung um zwei Jahre verschieben. Sie wird erst zum 1.1.2021 greifen.

Es gibt ja auch in der Politik Stimmen, die einen völligen Werbeverzicht fordern.

Ja, man muss sich nur darüber im Klaren sein, wenn die Einnahmen runtergehen, ist das zweite Ziel, das wir verfolgen, die Gebühren möglichst stabil zu halten, schwierig zu erreichen. Alles, was ich an potenziellen Einnahmen wegnehme, muss ich woanders generieren. Diese Debatte wird so übrigens nur in NRW geführt und schwächt einseitig unseren Landessender im ARD-Verbund - wer will das? Wir wollen einen starken WDR, und wir wollen gleichzeitig attraktive wirtschaftliche Bedingungen für private Verlage und privaten Rundfunk.

ARD und ZDF haben ihre Strukturreformpläne den Ländern vorgelegt. Wie beurteilen Sie diese?

Es ist gut, dass dieser Prozess von den Ländern angestoßen worden ist. Was die Sender vorgelegt haben, ist ein erster Schritt, aber mehr auch nicht. Ich hätte mir durchaus mutigere Schritte vorstellen können. Die ARD-Vorsitzende Karola Wille schreibt im Vorwort des Berichts, man sei auf dem Weg zum integrierten, crossmedialen, föderalen Medienverbund. Der Bericht deckt dieses Versprechen nicht. Wir sind noch nicht am Ende der Diskussion.

Braucht es denn überhaupt sowohl die ARD als auch das ZDF?

Mit ihren unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen - die ARD eher regional, das ZDF vor allem auch international - tun beide Kanäle unserer Gesellschaft und dem Medienstandort Deutschland gut. Angesichts von zunehmender Globalisierung, digitaler Individualisierung und politischer Polarisierung ist nicht die Zeit über die Einsparung öffentlich-rechtlicher Angebote, zumal eines kompletten nationalen Programms, zu sprechen.

Und wie sieht es mit der Reduzierung von Spartenkanälen und Radiowellen aus?

Der Löwenanteil im Bereich Einsparungen liegt im Bereich Produktion. Ich sehe auch Einsparpotenziale beim Programm, dahingehend dass man sich darüber verständigen muss, was Grundversorgung heißt. Für mich gehört dazu auch Unterhaltung. Die Öffentlich-Rechtlichen sind keine reinen Nachrichtensender. Aber selbst, wenn man das zugrunde legt, ist die Vielfalt, die es gibt, nicht an jeder Stelle nötig.

Können Sie da ein konkretes Beispiel geben? Wollen Sie vielleicht das "Traumschiff" abschaffen?

Es ist nicht meine Aufgabe, das abendliche Fernsehprogramm festzulegen. Aber ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der hier Potenziale sieht.

Welches Einsparvolumen müsste denn erreicht werden, um eine Beitragsstabilität zu erreichen?

Schätzungen der Länder gehen - über die ganze Beitragsperiode gesehen - von rund 3,6 Milliarden aus. Dahinter bleiben die bisherigen Einsparvorschläge weit zurück.

Der ehemalige NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) soll Chef der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz werden. Wie finden Sie das?

Dazu will ich nichts sagen.

Gibt es eine zu große Nähe von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Politik?

Das ZDF-Urteil zur Staatsferne hat die Zahl von Vertretern der Staatsbank in den Gremien reduziert. Natürlich muss der Einfluss der Parteien begrenzt sein, aber ich bin überzeugt: Die Gemeinwohlorientierung von Mandatsträgern tut der Beratung in den Sendergremien auch gut. Die bloße Vergrößerung der Rundfunkgremien führt jedenfalls nicht zu ihrer Entpolitisierung.

Zur Person

Nathanael Liminski (32) ist Staatssekretär und Chef der NRW-Staatskanzlei. Er ist zuständig für die Medienpolitik des Landes. Der CDU-Politiker studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Vor seinem Wechsel nach NRW arbeitete Liminski in Berlin für Bundesinnenminister Thomas de Maizière. (ksta)

KStA abonnieren