„Hart aber fair“Expertin zu Gas: „Russland hat nur diesen Winter“

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Sabine Fischer (l.) und Anna Lehmann waren am Montag bei Frank Plasberg zu Gast.

Köln – Die Koalitionäre zelebrierten ihre Uneinigkeit irritierend beharrlich: FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff und Ralf Stegner von der SPD verhakelten sich am Montagabend bei „Hart aber fair“ immer wieder in der Frage, ob der Ukraine-Krieg eher auf dem Schlachtfeld oder doch am Verhandlungstisch zu beenden sei.

Graf Lambsdorff sprach von der „Stunde des Militärs“, Stegner dagegen betonte, dass er „die Verengung auf militärische Fragen“ für falsch halte. Als vertrauensbildende Maßnahmen einer Bundesregierung, die weiß, was sie tut und sich darin einig ist, geht ihr Auftritt nicht durch.

Als Mutmacherin erwies sich dagegen Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie ordnete Putins willkürliche Dreherei am europäischen Gashahn so ein: „Russland hat nur diesen Winter. Danach wird die Gas-Waffe immer stumpfer werden.“

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Und leistete damit einen entscheidenden Beitrag in der Diskussion, die Moderator Frank Plasberg unter der Überschrift „Der Winter naht, der Krieg wirkt fern: Was ist uns die Freiheit der Ukraine wert?“ mit diesen Gästen führte:

  • Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland
  • Sabine Fischer, Expertin für russische Außen- und Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
  • Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordneter
  • Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Außenpolitiker, stellvertretender Fraktionsvorsitzender
  • Anna Lehmann, Leiterin des Parlamentsbüros der Tageszeitung „taz“

„Deutschland sorgt sich um teures Gas, die Ukraine kämpft ums Überleben. Ist die warme Wohnung hier wichtiger als der Krieg dort?“, so hatte Frank Plasberg seine Diskussionsrunde angekündigt, an deren Beginn er seine Gäste und die Zuschauer mit diesem Zitat „aus dem Umfeld des Kremls“ aus ihrer Komfortzone katapultierte: „Wir haben Zeit. Wir können warten. Es wird ein schwieriger Winter für die Europäer.“

Gäste bei „Hart aber fair“ optimistisch in der Gaskrise

Russland kämpft längst nicht mehr nur in der Ukraine, sondern auch überall dort, wo russisches Gas den Wohlstand befeuert. Und es scheint, als säße Wladimir Putin am buchstäblich längeren (Gas-)Hebel, als könnte er über die Temperatur in unseren Wohnzimmern unsere Solidarität mit den von ihm in den Krieg gezwungenen Ukrainern minimieren. Russland setzt sein Gas eiskalt als Waffe ein.

Und was sagen die Politiker: „Wir wussten, das würde kommen“, erklärte Graf Lambsdorff. Deshalb ja das „wuchtige“ Entlastungspaket und Bemühungen „an allen Fronten, den Gaspreis unter Kontrolle zu bekommen“. Stegner formulierte pathetischer, aber ähnlich frei von substantiellem Inhalt: „Nach Corona, Inflation und Krieg ist das eine gewaltige Herausforderung. Aber wir werden es schaffen. Wenn ein Land wie Deutschland das nicht schafft, wer soll es dann schaffen?“

Sicherheitsexpertin Fischer macht Deutschen Hoffnung

Wieder war es Fischer, die jene Fakten benannte, die Hoffnung geben und zum Durchhalten im drohenden kalten Winter animieren: „Der Westen hat präzedenzlose Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Das wird durchschlagen auf die Industrieproduktion, auf den Konsum, auf die generelle Situation in Russland.“ Nur eben leider nicht sofort, erklärte die Expertin für russische Außen- und Sicherheitspolitik, sondern erst mit der Zeit.

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Aktuell würden etwa in der russischen Industrieproduktion noch Lagerbestände verbraucht – aber irgendwann werden alle Lager geleert sein. Und so viel sei ja klar ersichtlich: „Wir haben einen schwierigen Winter vor uns, damit spielt die russische Seite mit aller Brutalität. Es geht darum, über die Erpressung durch ausbleibende Gaslieferungen die Einheit der EU zu untergraben, die europäischen Gesellschaften unter Druck zu setzen und zu spalten.“

Andrij Melnyk und Anna Lehmann trugen in der Sache wenig Erhellendes bei. Der Noch-Botschafter der Ukraine in Deutschland forderte auf seine gewohnt undiplomatische Art mehr, mehr, mehr. Mehr Waffen, mehr Geld, mehr Solidarität. Die Journalistin gab ihm diesen Rat mit auf den Weg: „Solidarität ist ein Gefühl, das von Herzen kommt, das kann man nicht verordnen.“ Und hoffentlich auch nicht abdrehen wie einen Gashahn.  

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