„Hart aber Fair“Mindestlohn wird oft nicht gezahlt – Lindner fordert mehr Kontrollen

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Plasberg hart aber fair

Frank Plasberg

  • „Beruf Niedriglöhner – Wirschaftsboom auf Kosten der Ärmsten?“, lautete das Thema der Sendung.
  • Zu Gast waren Hubertus Heil (SPD), Arbeits- und Sozialminister und Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender.
  • Außerdem diskutierten , Anette Dowideit, „Welt“-Reporterin, Erwin Helmer, Diözesanpräses der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) und Clemens Fuest, Professor für VWL an der Uni München.

Hohes Wirtschaftswachstum, niedrige Arbeitslosigkeit – eigentlich geht's uns gut. Allen? Wieso boomen gleichzeitig Ausbeutung und Lohndrückerei?

Es wurde viel in den Raum geworfen: von Gesetzen war die Rede, von Tariftreue, von Qualifizierung und Boom, von Altersarmut und Würde. Ein weites Feld, diese Debatte über unsere Boom-Gesellschaft, die soviel Armut, soviel Ungerechtigkeit und Ausbeutung zuläst. Auch Anette Dowideit, Wirtschaftsjournalistin der „Welt“ war empört, als sie über ihre Recherchen zum Thema Niedriglohn und Lohndumping und eklatante Gesetzeslücken und Betrügereien von Unternehmern ausmachte. Ihre traurige Erkenntnis: „Die Arbeiter wehren sich nicht, weil sie auf den Job angewiesen sind. Und die Bundesregierung schaut weg“. Zum eigenen Leidwesen, wie Dowideit meinte, denn – vorrangig auf dem Bau – gingen dem Bund im Jahr geschätzt 28 Milliarden Euro an Steuern durch die Lappen. Folge davon, dass oft bis zu sieben Subunternehmern den Durchblick verhinderten.

Die Abgründe hinter dem Arbeitsmarkt-Boom

Der Diskussion bei Plasberg war eine ARD-Dokumentation vorausgegangen. Hier wurden die Abgründe hinter dem Boom auf dem Arbeitsmarkt gezeigt. Menschen, die seit Jahren in prekären Arbeitsverhältnissen leben, langzeitarbeitslos sind, krank werden und kaum eine Chance haben, dass es besser wird. Ein Blick in abgehängte Regionen in unserem reichen Land.

Alles zum Thema Christian Lindner

In der Dokumentation wurde klar: Auch wenn im Gesetz der Mindestlohn versprochen wird – er wird oft schlicht nicht gezahlt. Ein tschechischer Fahrer für die Post – von einem Subunternehmer beschäftigt – wurde als Beispiel genannt, der seinen Auftraggebern „Diebstahl“ vorwarf. Oder in der Gastronomie drücken sich viele um den Mindestlohn, indem sie das Trinkgeld mit verrechnen. 2,6 Millionen sind laut ARD-Dokumentation Opfer von diesem Gesetzesbruch, wie auch ein Kölner Fahrradbote, der von seinen Erlebnissen berichtete.

Fehlende Tarifgebundenheit

Hubertus Heil, SPD-Arbeits- und Sozialminister, widersprach zunächst einmal dem Vorwurf, die Regierung bleibe untätig. „Das stimmt nicht. Wir gehen mit allen Mitteln gegen illegale Dumpinglöhne vor. Noch mehr helfen würde aber, wenn die Arbeitnehmer durch steigende Löhne von diesem Boom profitieren würden.“ Und er verwies darauf, dass eben in vielen Bereichen die Tarifgebundenheit fehle, was zu den niedrigen Löhnen geführt habe. Heil warnt: „Wir können uns auf Dauer so viele Leute im Niedriglohnsektor nicht leisten.“

Christian Lindner (FDP-Vorsitzender), der durch den Mindestlohn die Unternehmen zu stark unter Druck sah und vor einer Erhöhung warnte, die die Arbeitsplätze gefährde, verwies im Verlauf der Debatte mindestens dreimal darauf, wie wichtig ihm das Thema Qualifikation sei: „Nur durch Qualifikation befreien wir Menschen aus den niedrigen Löhnen.“ Und dann plädierte er auch noch für eine bessere Integration. Natürlich, Lindner wäre nicht Lindner, hätte er der Regierung nicht noch einen mitgegeben: Es müsse halt besser kontrolliert werden. Zehn Prozent der Kontrolleursstellen seien unbesetzt. Heil konterte: „Wir können ja nicht alle kontrollieren.“ Der SPD-Politiker hoffte hier auch auf eine „wache Gesellschaft“.

Wirtschaftexperte warnt vor zu hohem Mindestlohn

Zumindest mit Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, hatte FDP-Chef Lindner einen Bruder im Geiste an seiner Seite. Fuest, der mit Blick auf den Mindestlohn die Position vertrat, Löhne würden nach Angebot und Nachfrage berechnet und nicht nach Gerechtigkeit und dass deshalb Löhne nur dort steigen sollten, wo gute Leute knapp seien und nicht dort, wo genügend Arbeitskräfte zu Verfügung stünden, dieser Fuest warnte: ein Mindestlohn von etwa 16 Euro, wie ihn manche forderten, würde zu Massenarbeitslosigkeit führen. Er verwies auch auf Frankreich, wo nach seiner Darstellung ein hoher Mindestlohn eine hohe Arbeitslosigkeit hervorgebracht habe. Er forderte weniger Regulierung, oder wie Lindner dies formulierte: „Fesselung nimmt uns die Anpassungsmöglichkeit.“ Das Entesselungspaket kennen wir ja auch aus NRW aus dem Haus des FDP-Wirtschaftsministers Pinkwart, um vermeintlich unnötige und belastende Vorgaben für Bürger abzubauen.

Ifo-Präsident Fuest lenkte den Blick aber auch noch auf ein anderen Aspekt in der Diskussion: „Es kann den Menschen gar nicht billig genug sein“. Tja – und an welcher Stellschraube dreht man, wenn man preisgünstig sein will? Wie unterschiedlich da Menschlichkeit interpretiert wurde: Erwin Helmer Leiter der katholischen Betriebsseelsorge Augsburg forderte eine Anhebung des Mindestlohns auf 13 Euro. „Politiker sollten auch einmal die Menschen sehen, nicht nur die Zahlen.“ man sollte die Menschen eben „motivieren und stärken“.

Ein frommer Wunsch zum Tag der Arbeit, den laut Helmer ein Drittel der Arbeiter aber sicher nicht feiern würde. 

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