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„Hart aber fair“ zu Chaos an FlughäfenKaum kurzfristige Lösungen für diesen Sommer

Lesezeit 5 Minuten
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Bei „Hart aber fair“ ging es um das derzeitige Chaos an Flughäfen.

Nach zwei Pandemie-Sommern scheint es in diesem Jahr trotz zuletzt steigender Zahlen endlich wieder loszugehen. Nach den Strapazen der Pandemie sehnen sich viele wieder nach einem richtigen Sommerurlaub. Doch die Corona-Monate haben der Reisebranche nicht gut getan. Die Preise sind hoch, die Warteschlangen lang, das Personal knapp. Bereits gebuchte Flüge müssen storniert werden. „Ist das Ferienchaos überhaupt noch zu vermeiden?“

Das wollte Moderator Frank Plasberg in seiner Sendung „Hart aber fair“ am Montagabend wissen. Die Frage diskutierte er mit folgenden Gästen:

  • Grünen-Politikerin und Bundestagsabgeordnete
  • Matthias von Randow
  • TV-Moderatorin und Buchautorin
  • Ute Dallmeier
  • Dirk Schümer

„Notfalls laufe ich da runter“, sagt eine Passantin aus Essen im ersten Einspieler über ihr Urlaubsziel. Die Lust auf das Nachholen sei groß, kann auch Reisebüro-Geschäftsführerin Ute Dallmeier berichten. Der Druck, jetzt dringend in den Urlaub zu fahren oder zu fliegen, komme vielleicht auch aus der Angst heraus, dass man sich frage, wann man das nächste Mal die Chance dazu habe, sagt der Journalist Dirk Schümer. „Die Hotelpreise gehen in die Höhe, die Benzinpreise gehen in die Höhe. Und wer weiß, was die Pandemie noch im Ärmel hat. Die Uhr tickt.“ Diese Einstellung habe er zumindest vermehrt in seinem Umfeld wahrgenommen. Die letzte Chance auf einen Sommerurlaub – wohl mehr ein Gefühl als die Realität, aber das treibt ja oftmals an.

Alles zum Thema Hart aber fair

Die Urlaubswilligen werden dann aber schnell wieder ausgebremst. Die Airlines leiden vor allem an Personalmangel, in der Luft und am Boden. Matthias von Randow, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, betont, man habe sich vorbereitet. Aber Plasberg hakt nach: „Nennen Sie das vorbereiten, wenn Sie Flüge anbieten, dann Personal fehlt und die Flüge ausfallen?“ Lufthansa habe einen Personalabbau von 24 Prozent vorzuweisen. Dann gibt von Randow zu, dass die Airlines doch nicht richtig vorbereitet waren. Nicht wortwörtlich, aber durch die Blume. Noch zu Jahresbeginn sei unklar gewesen, ob und in welchem Umfang das Reisen überhaupt möglich sein könnte in diesem Sommer. Anscheinend hat wohl etwas die Zeit gefehlt, alles wieder hochzufahren. Das schwingt zumindest in der Aussage mit, so sagen will oder kann von Randow das nicht.

Menschen verlassen die Reisebranche

Wie viel man den Fluggesellschaften nun vorwerfen kann, darüber lässt sich diskutieren. Aber auch sie können kein Personal herzaubern. „Die Menschen gucken: Welche Branche hat eine Zukunft? Viele sind in die Logistik abgewandert“, erzählt von Randow. Die habe in der Krise geboomt. Die Reisebranche hingegen hat sich nicht als sehr krisenfest erwiesen. „Es ist ein reines Krisenmanagement, seit drei Jahren machen wir nichts anderes“, sagt Reisebüroleiterin Dallmeier. „Menschen verlassen die Branche“, beobachtet auch sie.

Wie lässt sich dieses Problem lösen? Von Randow berichtet konkret von ausländischen Fachkräften, die bereit wären, hier zu arbeiten. Und fordert die Bundesregierung, in der Runde von Claudia Müller vertreten, auf, schnell zu handeln. Die stimmt zu, zu Beginn der Energiekrise habe die Regierung bewiesen, dass sie schnell handeln könne. Ein konkretes Datum könne sie aber nicht nennen. Für die aktuelle Sommersaison wird es aber wohl kaum noch reichen. Und hier hakt es überall.

Lösungsvorschläge für den Sicherheitscheck – allerdings nicht für diesen Sommer

Unter anderem beim Sicherheitscheck. Bei dem Thema dürfte von Randow zunächst einmal durchatmen, für die Kontrollen sind nämlich nicht die Airlines verantwortlich, sondern die Bundespolizei. Die hat die Checks vielerorts an private Sicherheitsfirmen ausgelagert. Die suchen nach Personal, doch das ist nicht einfach. Die Sicherheitsüberprüfung dauert lange, die Durchfallquote ist hoch, der Schichtdienst schreckt viele Bewerbende ab. Von Randow berichtet von Gesprächen, die schon lange laufen, wie man die Sicherheitskontrolle „sicher und effizient“ machen könne. Ein Vorschlag: Die Bundespolizei behält die Aufsicht über Kontrollen, gibt aber die Organisation dieser ab. An Leute, die sich mit den Vorgängen an einem Flughafen auskennen. Das wird aber wohl erst im kommenden Sommer passieren.

Ein Thema ist auch die Bezahlung der Menschen, die die Sicherheitschecks durchführen. Schümer wirft ein, dass bei besserer Bezahlung auch mehr Personal zur Verfügung stehen würde. „Dann werden aber auch die Flüge teurer.“ Ein Wochenende in London oder Prag mit dem Flugzeug sei dann vielleicht nicht mehr drin.

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Viel Ärger gibt es auch beim Thema Annullierungen. Plasberg ist verwundert, warum Flüge überhaupt angeboten werden, wenn sie nachher ohnehin gestrichen werden. „Da müssen Leute zwei Tage mehr Urlaub nehmen, oder verpassen ihre Anschlüsse“, pflichtet Autorin Amelie Fried ihm bei. Von Randow versucht sich in einer Antwort darauf. „Wir annullieren, um Kapazitäten aus dem System zu nehmen, weil die Kapazität nicht da ist”, sagt er. Das ist eine Beschreibung der Situation, aber keine Erklärung der Vorgänge. Warum so viele Flüge überhaupt angeboten wurden, obwohl man sie offensichtlich nicht aufrecht erhalten kann, bleibt unbeantwortet.

Flug gestrichen – Geld zurückfordern oft aufwendig

In diesem Fall steht Fluggästen zumindest die Rückzahlung des Flugtickets zu. Von Randow betont, dass die deutschen Fluggesellschaften sich bemühten, die Kommunikation schnell und digital abzuwickeln. Dallmeier macht in der Praxis andere Erfahrungen. Sie erlebt mit ihren Reisebüros oft, wie aufwendig es ist, sich sein Geld zurückzuholen. „Es gibt Airlines, die sich bemühen. Wir müssen aber auch einige Airlines verklagen, auch deutsche“, berichtet Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. Auch er berichtet von einigen Steinen, die bei der Kommunikation mit Fluggesellschaften im Weg liegen.

Dass einige Airlines nicht gerade bemüht sind, ihren Kundinnen und Kunden das fällige Geld schnell zurückzuzahlen, liegt auf der Hand. Den Vorwurf beseitigen kann von Randow nicht, das weiß er aber auch. Er nimmt es sportlich. „Sie kriegen alles ab – sie können es aber auch ab, oder?“, fragt Plasberg. „Klar“, sagt von Randow, wenn man mit Kunden arbeite, sei es völlig legitim, sich auch mit Kundenvertretern auseinandersetzen zu müssen. Alle aktuellen Probleme erklären kann er nicht, dafür zeigt er aufrichtig Verständnis für den Ärger. Lösungswille und auch -vorschläge gibt es, bei von Randow und allen anderen in der Runde. Aber das Chaos in diesem Sommer wird sich wohl nicht mehr aufhalten lassen.

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