„Hart aber fair“ zum IslamKomikerin Enissa Amani sagt den wichtigsten Satz des Abends

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Enissa Amani

  • „Islam ausgrenzen, Muslime integrieren – Kann das funktionieren?“ fragte Frank Plasberg.
  • Zu Gast waren Hamed Abdel-Samad (Politikwissenschaftler), Joachim Herrmann (CSU), Enissa Amani (Comedian), Cem Özdemir (Grüne) und Du' A Zeitun (Streetworkerin).

Köln – Enissa Amani ist sauer, so sauer, dass ihr kaum einer folgen kann, so schnell spricht sie, auch sie kann sich selbst manchmal nicht mehr folgen, so scheint es. Ihre Gedanken überschlagen sich, sind erst auf Sizilien und dann auf Kuba, beim Judentum, dann bei radikalen Christen in den USA. Ihre Argumentationskette bricht, sie strauchelt. Frank Plasberg macht mit den Händen beruhigende Gesten. Der Moderator scheint zu ahnen, dass Amani, macht sie jetzt so weiter, hier als Lachnummer des Abends herausgehen wird.

Dann aber sagt Amani, eine Comedian, positioniert neben einem Politologen, einem Minister, einer studierten Theologin und einem Bundestagsabgeordneten, den wichtigsten Satz in dieser Islamdiskussion: „Wir kreieren uns ein großes Feindbild, anstatt dass wir uns auf kleine radikale Gruppen konzentrieren.“

Das klingt erst einmal abgedroschen. Aber doch stimmt es. Denn, auch wenn Grünen-Politiker Cem Özdemir wie CSU-Mann Joachim Herrmann sich betont immer wieder davon freimachen wollten: Am Ende wurde auch bei Plasberg der Islam als eine einheitliche Ideologie, die Muslime als eine homogene Masse der „Anderen“ behandelt.

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Worum ging es?

Der Deutsche, so wirkte es oft in der jüngsten Vergangenheit, diskutiert am liebsten darüber, was denn eigentlich deutsch ist. Dabei wählt er als Mittel gerne das Ausschlussprinzip: Zuspätkommen? Nicht deutsch! Im Supermarkt den Warentrenner nicht aufs Kassenband legen? Auf niemalsnimmer deutsch! Und der Islam? Tja. Hier gibt es zwei Positionen, vornehmlich geprägt durch einen älteren Herrn namens Christian Wulff und einen noch älteren Herrn namens Horst Seehofer.

Der eine war mal Bundespräsident und befand, der Islam gehöre zu Deutschland, der andere ist nun Heimat- und Innenminister und glaubt an das Gegenteil, wie er kürzlich noch in einem viel zitierten Interview mit der „Bild“-Zeitung öffentlichkeitswirksam herausposaunte. Wohl aber mit dem Zusatz, Muslime gehören sehr wohl zu Deutschland. Nur eben ihre Religion nicht.

„Islam ausgrenzen, Muslime integrieren – Kann das funktionieren?“ fragte also Frank Plasberg seine Gäste, ohne sich dabei einmal selbst zu fragen, in welchem Sinne er das eigentlich meint. Von was soll der Islam hier ausgegrenzt werden? Und über welchen Islam wird eigentlich gesprochen? Über einen kulturellen Islambegriff, oder einen theologischen? Über Vertreter einer liberalen Strömung oder über erbarmungslose Radikale?

Denn, das missachten Plasberg von Beginn der Sendung an, es gab einmal unter der deutschen Bevölkerung 56 Prozent Zustimmung für Wulffs Aussage. Vor einer Woche waren es dann plötzlich 76 Prozent für Seehofer, wie eine Grafik in der Sendung anschaulich zeigte. Es scheint also schwierig, „die deutsche Meinung“ zu finden. Vielleicht genauso schwierig wie, „den Islam“ zu definieren. Dass es wohl gar keine allgemeingültige Antwort auf die inoffizielle Ausgangsfrage „Gehört der Islam zu Deutschland?“ zu geben scheint, dass sie womöglich den Kern der Debatte verkennt, die von konkreten Problemen statt von theoretischen Überlegungen dominiert wird, schien bei Plasberg nur selten durch. Aber der Moderator hatte zumindest verstanden: „Wenn man Deutschland und Islam in einem Satz unterbringt, ist einem die öffentliche Aufmerksamkeit sicher.“ Die Quoten stimmen also, da ist der Rest ja nur Haarspalterei. 

Die Gäste

Joachim Herrmann (CSU) weiß nicht, was er überhaupt anfangen soll, mit dem Satz „der Islam gehört zu Deutschland“. Schließlich sei Deutschland kulturell beeinflusst von den alten Griechen, den alten Römern, dem Humanismus. Aber der Islam, der hätte keinen Beitrag zum heutigen Deutschland geleistet. Als Özdemir ihn kurze Zeit später belehrt, dass die moderne westliche Wissenschaft ihren Ursprung auch in der Blütezeit des Islams hat, rammt der bayrische Innenminister nur weiter trotzig Meinungsstandarten in den Debattenboden. „Wir wollen nicht, dass sich Deutschland verändert“, sagt Herrmann, der seit diesem Jahr übrigens auch für den Bereich der Integration zuständig ist.

Gleichwohl gesteht der Bayer immerhin Muslimen zu, Muslime zu sein, wenn sie sich an die deutsche Rechtsordnung halten. Eine großzügige Einstellung, die man durchaus nach dem modernen Verständnis eines Rechtsstaates so auf alle anderen Menschen, egal welcher Herkunft und Religion, übertragen darf.

Auch Hamed Abdel-Samad findet, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. „Noch nicht. Denn Salafisten gehören nicht zu Deutschland, 1500 Gefährder gehören nicht zu Deutschland und Erdogan-Anhänger gehören nicht zu Deutschland.“ Der deutsch-ägyptische Politologe und Sohn eines Imams hat vor gut einer Woche sein neues Buch auf den Markt gebracht, das „Integration: Ein Protokoll des Scheiterns“ heißt und für das er übereifrig zu werben versucht. Dazu feindet er Amani an, wo es nur geht („Sie haben genug geredet“, „Von Ihnen höre ich nur Gejammer“) und berichtet von Parallelgesellschaften, die sich in einigen „No-go-Areas“ in Deutschland gebildet hätten.

Dabei wird er endlich ein wenig konkreter und liefert gute Ideen, wie man die misslungene Integration dieser Menschen vorantreiben könnte. „Beide Seiten haben Fehler gemacht. Es war bequem, diese Parallelgesellschaften laufen zu lassen“, sagt Abdel-Samad, „Wir glauben immer, Muslime sind immer nur über den Islam integrierbar. Das ist ein Fehler.“ Niemand dürfe Sonderrechte besitzen, Integration wäre ein zweiseitiger Prozess: die Deutschen müssten zur Aufnahme bereit sein, die Muslime zur Anpassung. Sein Buch beschäftige sich auf 50 Seiten mit Lösungsansätzen. Es wäre schön gewesen, wenn er einige mehr davon hätte in die Sendung einfließen lassen.

Amani: Auch islamistische Attentäter sind psychisch krank

Enissa Amani wirkt teilweise unbeholfen, beeindruckt aber von Anfang durch ihren penetranten Drang, mit den Leuten vom Fach mitreden zu wollen. Und das gelingt ihr auch. Als Herrmann sie väterlich-belehrend unterbrechen will, hält Amani ihm entschlossen entgegen: „Nun lassen Sie mich einmal ausreden. Sie waren ja gerade dran.“ Um ihn dann zu fragen, wie er als Christdemokrat in seinen Positionen so stark von christlichen Werten wie der Nächstenliebe entfernen könne. Dafür gab’s den lautesten Applaus der Sendung. Amani gibt sich als Anwalt der Harmonie aller Religionen.

Manchmal wird die Deutsch-Iranerin dabei ein wenig pathetisch, manchmal sagt sie kluge Dinge, wie: „Beim Attentat von Münster wurde in der Tagesschau drei Mal betont, dass dieser Mann psychisch krank war. Bei Anschlägen von Islamisten wird der Islam als Motiv genannt. Dabei sind diese Menschen auch psychisch krank.“ Ihr ständiges Dazwischenquatschen und Auf-dem-Stuhl-Herumgewippe lassen sie dann leider aber doch nicht so sympathisch erscheinen, wie es ihre Positionen hätten tun können.

Özdemir als Gewinner der Diskussion

Gewinner dieser Diskussionsrunde war ganz klar Cem Özdemir, Bundestagsabgeordneter der Grünen. Er schafft es als einziger, wirklich zu differenzieren. „Wenn Horst Seehofer gesagt hätte: Salafismus und Islamismus gehören nicht zu Deutschland, dann hätte ich seinen Satz unterschrieben“, sagt er gleich zu Beginn. „Die Muslime“ oder „den Islam“ gebe es eben nicht. Gleichwohl räumt er ein, dass die Mehrheit der muslimisch geprägten Länder autoritäre, tyrannische Regime wären. „Wenn rückständige Interpretationen der Religion und Bildungsmissstand zusammenkommen, dann haben wir ein Problem“, sagt Özdemir.

Deswegen fordere er schon lange, islamische Theologen in Deutschland, auf Basis des deutschen Rechtssystems auszubilden. Als die Kopftuchdiskussion zur Sprache kommt, bezieht Özdemir die einzig logische Position: „Wer für sich die Freiheit beansprucht, in Deutschland ein Kopftuch zu tragen, der muss auch dafür kämpfen, dass Frauen im Minirock herumlaufen dürfen.“

„Kranke Leute, die den Islam instrumentalisieren“

Du’A Zeitun ist zumindest gefühlt die Stillste in der Runde. Sie ist Streetworkerin aus Osnabrück, die seit Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv ist. Du’A Zeitun erzählt von libanesischen Teenagerinnen, die nicht glauben, deutsch sein zu können, weil sie ein Kopftuch tragen. „Wenn Du dich als Deutsche fühlst, dann sei auch so selbstbewusst, das von dir zu sagen“, empfiehlt Du’A Zeitun in solchen Fällen. In der Sendung hört sie die meiste Zeit nur aufmerksam zu.

Nach einem Einspieler zu einem versuchten Ehrenmord sagt sie: „Das sind kranke Leute, die den Islam instrumentalisieren.“ Plasberg fragt, ob solche Taten nicht dennoch etwas mit der Religion zu tun hätten. Du’A Zeitun meint zwar nein, findet aber irgendwie auch keinen guten Anschluss mehr.

Die Diskussion dreht sich die meiste Zeit um sich selbst. Kurz wird der Waffenexport in muslimisch geprägte Regime wie Saudi-Arabien von Özdemir und Amani angeprangert, Herrmann aber relativiert jede Kritik weg. Auch die ganz aktuelle Kopftuchdiskussion wird unzureichend geführt, Herrmann zitiert eine nicht weiter genannte Studie, die belegen soll, dass drei Viertel der muslimischen Frauen das Kopftuch als Zeichen der Nichtgleichberichtigung der Frau sehen. Damit sind alle erstmal bedient.

Auch die große Frage, ob der Islam denn nun zu Deutschland gehört, bleibt leider ein weiteres Mal unbeantwortet. Stattdessen will der heute zumindest moderationsstarke Plasberg von allen Teilnehmern am Ende wissen, wo sie denn Horst Seehofer mit hinnehmen würden, hätten sie eine Wahl. Und nur Amani antwortet nicht aus schönen Heimatgefühlen, sondern aus Meinung: „Zu einer meiner Shows, dann könnte ich ihm sagen, was ich von seinem Satz halte.“ Das kann sich Horst Seehofer aber bestimmt auch schon denken.

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