„Hart aber fair“ zu Publikums-RückkehrHallervorden wirft Lauterbach „Panikmache“ vor

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Haf 210920

Die Runde bei „Hart aber fair“

Während in anderen Ländern die Fallzahlen der Corona-Pandemie teilweise drastisch ansteigen und das öffentliche Leben zum Teil auch wieder eingeschränkt wird, hat in Deutschland erst am vergangenen Wochenende die Fußball-Bundesliga wieder einen Teil ihres Publikums begrüßen dürfen. Auch in Hallen sowie auf vereinzelten Kino- und Theatersesseln wird es wieder etwas lebendiger.

Waren diese Entscheidungen ein Trugschluss? In München werden die Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus wieder verschärft. Die Fallzahlen steigen. Hat Deutschland im Kampf gegen die Pandemie bislang nur Dusel gehabt? Inwieweit waren und sind Maßnahmen und deren schrittweise Widerrufung richtig? Das diskutierte Moderator Frank Plasberg in seiner Sendung „hart aber fair“ am Montagabend.

Die Gäste des Abends

Der Kabarettist und Schauspieler Dieter Hallervorden ist Intendant des Berliner Schlosspark Theater. Er wundert sich über manche Maßnahmen im Theater. Gleichzeitig werden Bordellbesuche wieder erlaubt, das passe nicht zusammen.

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In Berlin kennt sich auch Michael Preetz gut aus. Der ehemalige Profi-Fußballer ist Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC. Er ist erleichtert nach dem Bundesligaauftakt. Das sei ein Stück Normalität. Und „danach sehnen sich alle, nicht nur die Fußballfans.“

Von Beginn an ein prominenter Gegner der Teilzulassung von Zuschauern in der Fußball-Bundesliga war der SPD-Politiker Karl Lauterbach. Der Bundestagsabgeordnete und Epidemiologe sagt, es sei ein Fehler gewesen, die Stadien für die Zuschauer zu öffnen. Ein falsches Signal. Denn man sei noch weit weg von der Normalität.

Susanne Gaschke ist Journalistin. Die Autorin der „Welt“ merkt an, dass die Einschränkungen des öffentlichen Lebens momentan die radikalsten in der Geschichte der Bundesrepublik seien. Sie ist der Meinung, dass die aktuelle Lage dies nicht rechtfertige.

Gesundheitlich betroffen von der Corona-Pandemie war Karoline Preisler. Im März war die FDP-Politikerin an Covid-19 erkrankt. Diese Situation hat sie als lebensbedrohlich wahrgenommen. Und noch immer leidet sie an den Spätfolgen. Das Virus dürfe niemand auf die leichte Schulter nehmen, mahnt sie.

Andreas Gassen ist Orthopäde und Unfallchirurg. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist der Meinung, der „Panikmodus“ müsse nun endlich ausgeschaltet werden. Maßnahmen müssten überdacht werden. „Nur so schafft man Akzeptanz.“

Und was macht der Chef?

Frank Plasberg fordert seine Gäste zu Beginn heraus, argumentiert mit Karl Lauterbach. Und holt, bevor sie vergessen wird, Karoline Preisler mit in die Runde. Als Lauterbach sich dann aber wieder und wieder mehreren der Gäste argumentativ gegenüber sieht, lässt Plasberg allerdings zu häufig der Gegenseite das letzte Wort.

Worin sich die Runde einig ist

„An alleroberster Stelle steht die Gesundheit von uns allen.“ Dieser Satz, in der Runde gesagt von Michael Preetz, ist aktuell der kleinste gemeinsame Nenner einer jeden Diskussion. So sind sich auch alle Gäste einig, dass Fußballspiele wieder ohne Zuschauer stattfinden müssen, wenn lokal gewisse Werte überschritten werden – so wie am vergangenen Wochenende in Köln und in München.

Die Streitpunkte

Karl Lauterbach hat die Bilder aus den Bundesligastadien, man kann es sich denken, mit Sorge verfolgt. Die Abstände seien teilweise sehr eng gewesen, so beispielsweise bei Union Berlin, Leute hätten laut miteinander geredet. So könne es auch an der frischen Luft zu Übertragungen kommen. Andreas Gassen wirft ein, dass dies allerdings nicht der reguläre Übertragungsweg sei. Die Bilder hätten gezeigt, dass es gehe. Dieter Hallervorden wirft schmunzelnd ein, die Leute könnten doch ins Theater kommen. Da werde nicht rumgeschrien. „Das Infektionsrisiko ist dort tatsächlich geringer“, sagt Lauterbach. In Hallervordens Theater sitzen sogar Puppen auf den freigelassenen Plätzen, die somit nicht einmal leer sind.

Die größte Diskussion entflammt um die Legitimation der Maßnahmen, die Bund und Länder treffen. Susanne Gaschke fordert, die aktuelle Lage müsse öfter analysiert und die Maßnahmen auf dieser Grundlage hinterfragt werden. Die Einschränkungen zu Beginn seien richtig gewesen, weil das Gesundheitssystem vor einer eventuellen Überlastung gestanden haben könne. „Aktuell spricht da aber nicht viel für.“ Karl Lauterbach hält dagegen. Man müsse mit einbeziehen, dass das Wetter demnächst schlechter werde, die Menschen sich also öfter im Inneren aufhalten, wo es am häufigsten zu Infektionen komme. Andreas Gassen hält dagegen, man dürfe keine Maßnahmen aus Angst vor etwas, das kommen könnte, beschließen.

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Dem Großteil der Runde sind die Maßnahmen zu symbolisch und inhaltlich nicht gut begründet. So sagt Andreas Gassen, dass das Maskentragen auf einem öffentlichen Platz das Infektionsgeschehen wahrscheinlich nur moralisch beeinflusse. Karl Lauterbach zieht die Augenbrauen hoch.

Wichtig ist allen das Thema Schule. Karl Lauterbach befürchtet, dass es dort zu großen Problemen kommen könnte – bekommt aber sofort Gegenwind, Dieter Hallervorden ist das zu viel Panikmache. „Wir brauchen doch Hoffnung!“ Lauterbach versucht sich an Lösungsansätzen, schlägt mobile Raumbelüfter vor.

Ein weiterer Streitpunkt sind die Obergrenzen für das Zusammentreffen von Personengruppen. Wenn man sich mit 25 Personen treffe, mache einer mehr auch keinen Unterschied mehr, greift Andreas Gassen den Gedanken vieler auf. Für ihn sind diese Obergrenzen willkürlich. Allerdings haben diese Zahlen gar keinen medizinischen, sondern einen organisatorischen Hintergrund, erklärt Karl Lauterbach. So habe sich gezeigt, dass es für Gesundheitsämter bei 25 Personen noch möglich sei, Infektionsketten gut nachzuvollziehen.

Das fiel sonst noch auf

Karl Lauterbach argumentiert sehr inhaltlich, geht teilweise sehr tief in die Materie. Auf der Gegenseite sind die Argumente keinesfalls inhaltlich schlecht, jedoch wesentlich plakativer. So können sich Andreas Gassen und auch Susanne Gaschke kleine Spitzen gegen den SPD-Politiker nicht verkneifen. Der Diskussion um die Maßnahmen gegen die Pandemie schadet das.

Auffällig ist auch: Der Hertha-BSC-Geschäftsführer Michael Preetz lässt es in kaum einem seiner Statements aus, die Bundesregierung für ihre Arbeit in den höchsten Tönen zu loben. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Natürlich haben alle Gäste der Runde irgendwo auch ihre eigenen Interessen und wollen diese vertreten, mal mehr, mal weniger durch die Blume. „An alleroberster Stelle steht die Gesundheit von uns allen.“ Das hatte Preetz zu Beginn gesagt. Nur über den Weg dorthin ist sich die Runde nicht ganz einig geworden.

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