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„Homeschooling mit Herr Böhmermann“Satiriker nimmt digitalen Unterricht aufs Korn

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Jan Böhmermann als stereotypischer Lehrer.

Köln – Ein Jahr habe er gemeinsam mit den Kultusministerkonferenzen der Länder an dem Projekt gearbeitet, erklärt Jan Böhmermann stolz. Es gelte, gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie, das digitale Lernen an den Schulen nach vorne zu bringen. Auch um Deutschland als innovativen Bildungs- und Digitalstandort hervorzutun. Was der Satiriker in dem 45-minütigen YouTube-Video „Homeschooling mit Herr Böhmermann“ folgen lässt, ist eine Persiflage des deutschen Bildungssystems, die anzuschauen umso schmerzvoller ist, weil sie in all ihrer Überspitztheit so realistisch ist.

Die Digitalisierung an Deutschlands Schulen steckt in den Kinderschuhen ­– der Overhead-Projektor als Monument der Innovationsträgheit der Bildungsministerien. Eltern, Schüler und Lehrkräfte werden seit Beginn der Corona-Krise allein gelassen, Lernplattformen wie Moodle oder Logineo funktionieren nur unzureichend. Unterricht über Teams befindet sich datenschutzrechtlich in einer Grauzone, ob im Homeschooling überhaupt die notwendigen Geräte zur Verfügung stehen, bleibt zumeist Privatsache von Schülern wie Lehrern.

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Analoges Arbeiten im digitalen Raum

So geriert sich denn auch der Satiriker als unbeholfener Lehrer Herr Böhmermann, schreibt mit Kreide an eine nasse Tafel, schiebt eine Europakarte in die Kamera, um die Schüler und Schülerinnen zuhause aufzufordern, doch bitte in Stillarbeit europäische Länder auf ein Blatt Papier aufzumalen. Seine „digitale“ Unterrichtsstunde sei stufenübergreifend von der ersten bis zur 12. Bzw. 13. Klasse geeignet. Außerdem genügten die 45 Minuten Stoff für das gesamte Schuljahr. „Und jetzt kommt das Tolle am digitalen Lernen“, verkündet Böhmermann nach sieben Minuten, denn „jetzt kann ich durch dieses digitale Konzept tatsächlich auch die Kontrolle vornehmen.“ Ihre Arbeitsblätter sollen die Schüler und Schülerinnen dann in die Webcam halten.

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Als nächstes, freut sich Böhmermann, sei sein absoluter Höhepunkt des digitalen Lernens an der Reihe und schiebt ein wuchtiges Fernsehgerät mitsamt Videorekorder in den Raum. Nach anfänglichen Problemen, die Videokassette zu starten, flackert dann ein Film über Johann „Manfred“ Goethes Standardwerk „Faust“ über den Bildschirm. Darin verpasst der Satiriker, der selber Goethe mimt, keine Gelegenheit, zu verdeutlichen, wie sehr das immerhin über 200 Jahre alte Werk, thematisch aus der Zeit gefallen ist. Dennoch ist es noch immer fester Bestandteil des Lehrplans.

Mit dem Verweis „die Stunde beendet der Lehrer“ folgt die Hausaufgabe: „Bis zur nächsten digitalen Lerneinheit bitte Faust 4 bis mindestens 19 schreiben“, immerhin hätten sie dafür mindestens ein bis zwei Jahre Zeit.

Wenn die Digitalisierung weiterhin im Schneckentempo verläuft, wohl durchaus realistisch.

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