"Ich wollte mich hinterm Schlagzeug verkriechen"

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So sehen a-ha heute aus: (v. links) Paul Waaktaar-Savoy, Morten Harket und Magne Furuholmen

So sehen a-ha heute aus: (v. links) Paul Waaktaar-Savoy, Morten Harket und Magne Furuholmen

  • Paul Waaktaar-Savoy, Gitarrist und Songschreiber von a-ha, erzählt, wie sich ein schüchterner Junge aus Oslo zum globalen Popruhm träumte

Paul Waaktaar-Savoy, darf ich Ihnen von meinem liebsten a-ha-Moment erzählen? Das war vor ein paar Jahren auf einer Silvesterparty. Gleich nach Mitternacht, wohl ein altes Ritual unter Freunden, hakten sich die Gäste unter und sangen gemeinsam lauthals Lieder Ihrer Band.

Wow!

Das war wirklich ein sehr schöner und intensiver Moment.

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So etwas habe ich auch noch nie gehört. Cool. Freunde, die von einer Reise zurückkamen, haben mir mal erzählt, dass sie auf einem Berggipfel einen Mann getroffen haben, der dort a-ha-Songs sang. Mir schicken Leute aus allen möglichen Erdteilen Coverversionen, die sie von "Take On Me" aufgenommen haben.

War Ihnen, als Sie Ihre ersten Erfolge feierten, sofort klar, wie viel Ihre Lieder den Menschen bedeuten?

Oh nein, am Anfang versucht man nur irgendwie einen Fuß in die Tür zu bekommen, kämpft mit Hunderten anderer Bands darum, gehört zu werden. Erst, als wir nach unserer Pause in den 90ern wieder auftraten, wurde mir bewusst, dass wir eine Zeit lang für einige Leute Teil ihres Lebens waren, dass sie uns vermisst hatten.

Sie verfolgen ja außer a-ha noch andere Musikprojekte. Wenn Sie einen Song schreiben, wissen Sie dann schon, wo der hingehört?

Manchmal trifft ein Song ein bestimmtes Gefühl, bei dem ich denke, das wäre perfekt für Morten (Harket, Sänger von a-ha, Anm. d. Red). Aber normalerweise versuche ich einfach das Beste zu geben für das Projekt, an dem ich gerade arbeite. Ich habe immer einen Vorrat an Songs, aus dem ich schöpfen kann. Manche liegen dort für Jahre, bis endlich der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Ich frage nur, weil es ein bestimmtes Gefühl gibt, das man mit a-ha-Liedern assoziiert, ein melancholisches, aber zugleich weit ausgreifendes Gefühl. Geschieht das bewusst?

Nein, aber sogar wenn ich einen Song nehme, der 20 Jahre alt ist, passt der noch auf ein neues a-ha-Album. Als Komponist fühle ich mich zu bestimmten Dingen hingezogen, und so klingen die Stücke dann auch. Kombiniert man die mit Mortens Stimme, mit seiner Fähigkeit, die Tonleiter rauf und runter zu klettern, können diese Melodien weit reisen, an Orte, die wir sonst nicht erreichen würden. Ich schätze, so entsteht diese a-ha-Stimmung.

Jetzt spielen sie eine Unplugged-Tour. Nun besagt das Klischee, dass es sich bei a-ha um eine Synthiepop-Band handelt...

Das ist auch völlig okay. So haben wir angefangen. Wenn wir unsere Songs schreiben, verwenden wir aber kaum Technologie, sondern komponieren an Klavier und akustischer Gitarre. Klingen sie am Ende nicht wie ein komplettes Lied, nehmen wir sie auch nicht mit ins Aufnahmestudio. Es fällt uns also nicht schwer, sie in eine akustische Form zurückzuübersetzen. Es macht sogar großen Spaß. Wir spielen diese Lieder seit Jahrzehnten. Da tut es gut, etwas zu ändern.

Ihr erstes Instrument war aber das Schlagzeug?

Ja, erst das Schlagzeug, dann hatte ich mir ein Keyboard gewünscht, stattdessen bekam ich einen Bass. Erst als ich mehr und mehr Songs schrieb, wechselte ich zur Gitarre. Ich war damals furchtbar schüchtern und hätte mich nur zu gern hinterm Schlagzeug verkrochen. Aber es ist einfach zu schwer, deinen Mitmusikern von dort aus die Songs beizubringen. Als wir nach London zogen, gab es in dem dortigen Studio keine Instrumente außer Synthesizern: So wurden wir zur Synthiepop-Band!

Ein glücklicher Zufall. Vorher haben sie in einer Rockband gespielt.

Ja, Magne Furuholmen (a-ha-Keyboarder, Anm. d.Red.) und ich hatten eine Band namens Bridges. Dabei wollten wir schon als Jungs die erste Synthesizer-Gruppe Norwegens werden. Obwohl wir uns nicht so genau darüber im Klaren waren, wie die sich anhörten und gar nicht das nötige Geld hatten, um uns welche zu kaufen. Im Londoner Studio gab es eine Drum-Machine und ein Prophet-5-Keyboard. Das habe ich in den Jahren hauptsächlich gespielt.

Aber wie wird aus einem schüchternen Jungen ein Popstar?

Als wir 15, 16 Jahre alt waren, wurde uns bewusst, dass wir es in Norwegen nie zu etwas bringen würden. Das war damals eine in sich geschlossene, völlig uninspirierende Szene. Wir waren alle große Jimi-Hendrix-Fans. Der war nach England gegangen, um Popstar zu werden. Also beschlossen wir, das auch zu tun. Das war unser großer, aufregender Plan, wir träumten ihn jahrelang gemeinsam. Und wäre dort alles schief gelaufen, wären wir nach Amerika umgesiedelt und hätten es erneut versucht. Heutzutage muss man natürlich nicht mehr aus England oder den USA kommen, um sich im Popgeschäft durchzusetzen. Heute kann Musik von überall her kommen.

Und norwegische, beziehungsweise skandinavische Musiker haben einen überdurchschnittlichen Anteil am globalen Popgeschehen. Sehen Sie sich da als Wegbereiter?

Das denke ich schon. Zumindest in Norwegen waren wir die ersten, die so international dachten. Für uns war das nie ein großes Risiko. London ist nur zwei Flugstunden entfernt. Was sollte schon Schlimmes geschehen? Klar, wir hätten versagen können, aber dann wäre es immer noch ein tolles Abenteuer gewesen. Die Leute, die gesagt haben: Das schafft ihr nie, warum versucht ihr es überhaupt? - die haben wir nie ernst genommen.

Prompt gelang Ihnen gleich mit Ihrer ersten Single, "Take On Me", der Durchbruch. War das im Nachhinein betrachtet eine Bürde?

Keine Bürde. Aber schon etwas, mit dem wir uns auseinandersetzen mussten. Wir sind mit "Take On Me" in einer ganz anderen Gegend der Poplandschaft gelandet, als wir uns vorgestellt hatten. Als Teenager-Band klangen wir wie die Doors. Und plötzlich sind wir Synthie-Popper! Wir waren so naiv zu denken, wir könnten trotzdem uns in jedem musikalischen Genre bewegen, und die Leute würden das akzeptieren. Es hat sich doch als sehr viel mühsamer erwiesen, den Menschen klarzumachen, was sie von uns denken sollen.

Mitte der 90er haben sie sich zum ersten Mal getrennt, dann wieder zusammengefunden, wieder getrennt, und so weiter. Hält man so das Interesse wach?

Nein, wir sind einfach ein dreiköpfiges Monster, drei völlig unterschiedliche Personen. Nach unserer ersten Goodbye-Tour wollten manche von uns aufhören, andere nicht. Da geht nicht um klare Entscheidungen, sondern um Gefühle, Die kommen in Wellen. So geht es doch vielen Bands, die schon so lange zusammen sind wie wir.

Aber den Spaß, den man zusammen hatte, als man noch jung war, der kommt nie wieder?

Zumindest verändert er sich. Früher haben wir zusammen in einem Apartment gewohnt, dann in derselben Straße, in derselben Stadt, später sind einige von uns zurück nach Norwegen gezogen, ich habe mich in New York niedergelassen. Wenn du in verschiedenen Ländern lebst, musst du einen neuen Weg der Zusammenarbeit finden.

Zu Person und Tour

Paul Waaktaar-Savoy, 1961 in Oslo geboren, gründete 1982 zusammen mit Morten Harket und Magne Furuholmen die Band a-ha. Gemeinsam zogen die Norweger nach London und wählten dort ein Studio aus, weil darin auch ein "Space Invaders"-Spielautomat stand. Ein Glücksgriff: Ihre erste Single "Take On Me" wurde zu einem Welthit, auch dank des innovativen Videos. Die Band konnte den Überraschungshit in langfristigen Erfolg ummünzen: Bis heute haben a-ha mehr als 100 Millionen Tonträger verkauft.

Am 6. Februar treten a-ha mit ihrem "MTV Unplugged"-Programm in der Kölner Lanxess-Arena auf, Tickets kosten zischen 62 und 94 Euro. Das Doppelalbum "MTV Unplugged - Summer Solstice" ist bereits bei Universal erschienen.

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