„Our Cartoon President“Zeichentrickserie will Donald Trump entlarven

Lesezeit 4 Minuten
Trump Cartoon

Die Serie „Our Cartoon President“ parodiert, Donald Trump, seine Familie und die politischen Dramen der USA.

Washington – Der Tag beginnt mit einer Dose Cola light und dem Griff zur Fernbedienung des riesigen TV-Bildschirms. „Fake News“, „Fake News“, „Fake News“, schimpft der Mann mit dem goldenen „T“ auf dem Pyjama aus dem Bett, bis er beim Zappen endlich seine Lieblingssendung „Fox and Friends“ gefunden hat. Darüber ist die Frau an seiner Seite aufgewacht. „Warum schaust Du MICH an?“, fragt der orangene Mann mit der Tolle: „Es gibt doch ein Fernsehen im Zimmer!“

Nein, dies ist keine Live-Übertragung aus dem Weißen Haus. Mit dieser Szene beginnt die Zeichentrickserie „Our Cartoon President“, die zur besten Sendezeit am Sonntagabend in den USA beim Pay-TV-Kanal Showtime startete. In zehn Folgen, die auf schräge Weise bisweilen an die Politserie „The West Wing“ und öfter an die Comic-Helden der „Simpsons“ erinnern, soll ein karikierendes Panoptikum des Trump-Kosmos entworfen werden, in dem nicht nur der Präsident, sondern auch sein Umfeld entlarvt wird. Die Erwartungen waren hoch: Immerhin hat Stephen Colbert, der derzeit erfolgreichste Late-Night-Talker, an dem Skript maßgeblich mitgearbeitet.

Parodie Da zeigt sich schon die erste Herausforderung für Satire in Zeiten von Donald Trump: An ironischen Spiegelungen des Präsidenten besteht kein Mangel. Fast jede Talkshow in den USA bietet derzeit eine Parodie. Auch der Cartoon-Präsident hatte schon gelegentliche kurze Einzelauftritte bei Colbert. Für zehn 30-minütige Filme muss man schon eine besonders originelle Idee haben, die noch dazu nicht vom atemberaubenden Tempo der Trumpschen Twitter-Politik überholt wird.

Trump-Parodie kann Wirklichkeit nur schwer übertreffen

Am schwierigsten aber ist es, die Wirklichkeit, in der ein demokratischer Präsident mit der Größe seines Atomknopfes prahlt und sich selbst als „stabiles Genie“ bezeichnet durch die Parodie zu übertreffen. Das zeigt sich schon bei der Eingangsszene: Sie ist lustig ausgedacht und zeigt im Grunde doch nur das, was Michael Wolff in seinem Enthüllungsbuch „Fire and Fury“ als Realität beschrieben hat – mit zwei wesentlichen Abweichungen: Die Trumps schlafen längst in getrennten Betten. Und seit dem Bekanntwerden von dessen mutmaßlicher Affäre mit einem Pornostar hat die echte Melania ihren Mann in der Öffentlichkeit keines Blickes mehr gewürdigt.

Stephen Colbert

Late-Night-Talker Stephen Colbert

„Ich glaube, Michael Wolff hat unsere zehn Episoden geklaut. Es gibt nichts im Buch, was wir für unsere Show nicht schon vorempfunden haben“, hat Colbert gesagt. Das beschreibt ziemlich präzise das Dilemma, auch wenn es in der Zeichentrickwelt  ein bisschen wilder zugeht als in dem Enthüllungsbuch: Da prügelt sich Trump um den Atomkoffer und Melania beklagt sich, dass Karen Pence, die frömmelnde Gattin des Vizepräsidenten, sie  habe zwangstaufen wollen. In der zweiten Folge engagiert Trump ein ganzes Heer von Doppelgängern, um in Katastrophengebiete zu reisen, weil ihm die dauernde Fliegerei zu anstrengend ist.

Auch Demokraten bekommen ihr Fett weg

Trump wird nicht nur als fernsehbesessene Witzfigur dargestellt. Auch seine Selbstverliebtheit, seine vielfache Ignoranz und sein Mangel an Mitgefühl werden gut herausgearbeitet. Ehefrau Melania scheint in der Serie nur an Mode interessiert, Tochter Ivanka ist eine Schlange, Sohn Donald junior ein Streber und dessen Bruder Eric ein debiler Tropf. Auch die Demokraten bekommen ihr Fett weg. Sie erscheinen dem Cartoon-Präsidenten „wie ein Schwarm von Möwen, der sich um ein paar Kartoffelchips streitet“. Die Figuren sind so großartig gezeichnet, dass man selbst den farblosen republikanischen Mehrheitsführer Mitch McConnell sofort erkennt.

Am besten ist die Serie dort, wo es ihr gelingt, die erfühlten Schwächen der Akteure gnadenlos bloßzulegen und zu überzeichnen. So bewirft Trump beim unumgänglichen Besuch eines Katastrophengebiets die Wartenden mit Ziegelsteinen und klagt: „Die Opfer haben es gut. Ich muss hier extra hinfliegen. Die leben direkt da, wo das Unglück passiert.“ Sehr unterhaltsam sind Eric Trumps erfolglose Bemühungen, in einer Talkshow nicht über die Russland-Affäre zu reden. Nicht so schnell vergessen wird man schließlich den Blick in das Büro von Trumps ultrarechtem Berater Stephen Miller, das der Redenschreiber während des Abfassens der Regierungserklärung „Blutiger Horizont“ in ein Sado-Maso-Studio verwandelt hat. 

Stephen Colberts Serie bleibt harmlos

Trotzdem bleibt „Our Cartoon President“ am Ende enttäuschend harmlos. Das selbstverliebte Trump-Strichmännchen zeigt bei der verzweifelten Suche nach einem Geschenk zum Hochzeitstag fast menschliche Züge. Und in dem Maße, in dem die Grenze zwischen der Wirklichkeit und der Parodie verschwimmt, verliert die Realität auf merkwürdige Weise ihren Schrecken. „Ich darf nicht vergessen, dass das hier nicht normal ist“, murmelt Schwiegersohn Jared Kushner in der zweiten Folge einmal beiläufig. Genauso geht es dem Zuschauer der Serie, die wegen ihrer „Erwachsenensprache“ laut Vorspann erst für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet ist. Für den echten Präsidenten, der Frauen gerne zwischen die Beine packt und gegen „Drecksloch“-Staaten pöbelt, gibt es derartige Altersbeschränkungen nicht.

KStA abonnieren