Zum Tod von Kirk DouglasHollywoods letzter Titan

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Kirk Douglas Schwarz-Weiß

Kirk Douglas im Jahr 2011

Los Angeles – Kirk Douglas ist für viele von uns eine Kindheitserinnerung. Der muskulöse Mann mit dem kantigen Gesicht aus dem Schwarzweiß-Fernsehen am Sonntagnachmittag – der Westernheld, der Reporter des Satans, der Amerikaner schlechthin. Ein Kinn wie aus Eisen, ein stechender Blick aus blauen Augen, dazu eine Körperspannung, mit der er sich stets auf den nächsten Schlag vorzubereiten schien. Wenn einer als Actionstar, Raubein und Rächer geboren wurde, dann Kirk Douglas, den das Leben mit einem Übermaß an Kraft, Gesundheit und Elan gesegnet zu haben schien. Es war er, der auf den Leinwänden und den Bildschirmen der westlichen Welt ein Versprechen auf Abenteuer gab, von denen die Nachkriegskinder nur träumen konnten.

Kirk Douglas mit Sohn Michael

Kirk und Michael Douglas bei den Oscars im Jahr 1985

Umso intensiver fachte er diese Fieberträume an, als er sich zuverlässig Rollen auswählte, die ins Mythische ragten, und die er dennoch mit allen Schwächen, Fehlbarkeiten und Gefühlswirren des Menschlichen zu versehen wusste. Die Pioniere des amerikanischen Traums, die im Staub des Westens nach einem glücklicheren Leben suchen: Sein Matt Morgan in John Sturges „Der letzte Zug von Gun Hill“ ist so ein unbeirrbarer Weltverbesserer, ein Marshall, der gesetzlosen Cowboys und gewissenlosen Großgrundbesitzern Law and Order einbläuen will. In den Augen seiner Gegner leidet Morgan allerdings unter einem entscheidenden Schwachpunkt: Er ist mit einer Indianerin verheiratet, und als sie ermordet wird wie Freiwild, weckt dies den Vulkan im Mann.

Vincent Van Gogh - seine

liebste Rolle

Douglas hat Gladiatoren und Galeerensklaven verkörpert, er war Pirat und sah als Odysseus Troja fallen; die liebste Rolle aber war ihm sicher die des Vincent van Gogh in Vincente Minnellis Filmbiografie – die gelbe Phase seines Schauspielerlebens. So beeindruckt und mitgenommen vom Schicksal des Malers war Douglas, dass er sich ein Gemälde von van Gogh kaufte. Eine solche Anschaffung konnte er sich zu diesem Zeitpunkt, 1956, ohne weiteres leisten – seit seinem Kinodebüt mit „Die seltsame Liebe der Martha Ivers“ (1946) war er mit einem Duzend Hauptrollen und von 1955 auch mit einer eigenen Produktionsfirma zu einem Liebling Hollywoods aufgestiegen.

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Kirk Douglas Spartacus

Eine seiner bekanntesten Rollen: Kirk Douglas in „Spartacus“ (1960, mit Jean Simmons)

Die Verhältnisse aber, aus denen sich Douglas herauskämpfte, glichen den Umständen, mit denen sich sein Malerheld Vincent van Gogh zeitlebens herumplagen musste. Seiner Autobiografie hat Douglas den Titel „The Ragman's Son“ gegeben – der Sohn des Lumpensammlers. Kindheit und Jugend verbrachte Douglas in bitterer Armut, ein Sprössling jüdisch-russischer Auswanderer, die sich vor dem Antisemitismus Europas in eine ungewisse Zukunft in New York flüchteten. Douglas schreibt in seiner Lebensbilanz, wie er alles daran setzte, der Hölle der Armenquartiere zu entkommen. Bloß fort von seinem lieblosen, trunksüchtigen Vater, der noch nicht mal die Schule bezahlen konnte und wollte. Von ganz unten zu kommen, war Douglas’ stärkstes Motiv, sich bis ganz nach oben voranzuarbeiten. Dabei war er kein Angepasster, weder auf der Leinwand noch im richtigen Leben. In den 50er Jahren, im Hollywood unter der Fuchtel des Kommunistenhassers Joseph McCarthy setzte er alles daran, den drangsalierten Drehbuchautor Dalton Trumbo wieder zu rehabilitieren. 2016 drehte Jay Roach einen Spielfilm über diese dunklen Jahre. „Ein sehr guter Film“, kommentierte der echte Douglas, „sehr wahrheitsgetreu.“

Entscheidung für das

liberale Hollywood

Sein Engagement für Trumbo bezeichnete er als die wichtigste Entscheidung seiner Karriere. Es war eine Entscheidung für das liberale Hollywood, das ihn dreimal für den Oscar nominierte, ihm die Trophäe aber jedes Mal verweigerte. Immerhin wurde ein Asteroid nach ihm benannt („kirkdouglas“), und er bekam den Ehrenoscar für sein Lebenswerk – eine späte Genugtuung für Hollywoods letzten Titan. Der nicht zuletzt eine Dynastie aufbaute, als Patriarch von so ganz anderem Schlag als sein eigener Vater. Sein Sohn Michael folgte ihm als einer der gefragtesten Schauspieler der vergangenen Jahrzehnte nach, und obendrein als Produzent, der mit „Einer flog übers Kuckucksnest“ ein Traumprojekt des Alten ins Kino brachte, das dieser lange vergeblich zu realisieren versuchte. Seine Schwiegertochter Catherina Zeta-Jones verabschiedete sich nun mit einem Foto von Kirk Douglas, das sie zeigt, wie sie den Greis auf die Wange küsst. Er, der für uns immer schon da war, der Jahrhundertmann, starb an Altersschwäche zuhause in Beverly Hills. Er wurde 103 Jahre alt.

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