„Wertekompass verloren“Fynn Kliemann äußert sich zu Betrugsvorwürfen des ZDF

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Kliemann Böhmermann Kombo

Moderator Jan Böhmermann (l.) und Unternehmer Fynn Kliemann (Archivbild)

Köln – Der Entertainer und Unternehmer Fynn Kliemann hat nach den Vorwürfen eines Maskenbetrugs Stellung bezogen: Das „ZDF Magazine Royal“ um Moderator Jan Böhmermann warf Kliemann unter anderem vor, Schutzmasken vor dem Coronavirus falsch etikettiert und anders als vorgegeben nicht fair produziert zu haben. Außerdem soll Kliemann 100.000 Masken, die nicht den medizinischen Standards entsprachen, in Lager für Geflüchtete geliefert haben.

Kliemann reagierte auf Anfragen in einem Statement, das er am Freitagabend auch als Video auf seinem Instagram-Kanal veröffentlichte. In dem Statement bittet er um Entschuldigung und gesteht Fehler – allerdings widerspricht er auch Böhmermanns Darstellungen und verringert seine persönliche Verantwortung in dem Fall.

Fynn Kliemann: Influencer nimmt Stellung zu Vorwürfen

Im Kern der Vorwürfe gegen das Multi-Talent Kliemann steht ein mutmaßlicher Betrug mit Schutzmasken gegen das Coronavirus. In einem rund 30 Minuten langem Video warf das ZDF-Magazin dem Musiker, Influencer und Unternehmer vor, Masken falsch gelabelt zu haben. Demnach versprach Kliemann „fair“ produzierte Masken aus Europa. Das ZDF zeigte Dokumente, Chats und Emails, die belegen sollen, dass Kliemann auch zu günstigsten Konditionen in Bangladesch produzieren ließ.

Zu diesen Vorwürfen schreibt Kliemann: „Die Masken, die in Bangladesch produziert wurden, waren ein reines Großhandelskontingent für die Handelspartner und Großabnehmer von Global Tactics, und wurden auch nur an diese verkauft.“

„Ich habe mit dem Verkauf von Masken Geld verdient, ja“

Hier widerspricht Kliemann dem ZDF: Die als fair und in Europa produziert ausgegebenen Masken seien ausschließlich über seinen Shop „MaskeOderSo“ angeboten und verkauft worden. Alle anderen Masken – also auch die aus Bangladesch – seien lediglich für Großkunden gewesen und nie über seinen eigenen Shop vertrieben worden.

Distanziert sich Kliemann von den Großhändlern? Im Statement schriebt er: „Im Übrigen war ich zu diesem Zeitpunkt [Anmerkung: Produktion und Verkauf der Masken aus Bangladesch] noch gar nicht Mitgesellschafter von Global Tactics.“ Allerdings stand er immer wieder im Kontakt mit den Produzenten und Verkäufern, seine Rolle ist wohl nicht ganz zu leugnen.

Laut Kliemann sollen die Unternehmen Global Tactics und About You davon gewusst haben, dass die Masken auch in Bangladesch produziert wurden. Ob About You wirklich davon wusste, ist nicht bekannt. Mittlerweile hat das Unternehmen die Masken aus dem Angebot genommen, man wolle die Angelegenheit prüfen, äußerte das Unternehmen gegenüber dem NDR.

Den Vorwürfen des Lohndumpings widerspricht Kliemann ebenfalls: 40 bis 50 Cent sollen pro Maske gezahlt worden sein – die gleichen Kosten wie bei der Produktion in Serbien. Das ZDF hatte Bilder von Shops aus Bangladesch gezeigt, in den Arbeiterinnen und Arbeiter dicht an dicht Masken produzieren.

Kliemann schreibt in seiner Erklärung: „Ich habe mit dem Verkauf von europäischen Masken über meinen Shop Geld verdient, ja. Aber bezugnehmend auf das Herkunftsland habe ich niemals jemanden getäuscht oder etwas für etwas ausgegeben, was es nicht war.“ Der ZDF-Beitrag erweckt einen anderen Eindruck.

Weitere Vorwürfe: Änderung der Labels und „Spende“ von minderwertigen Masken

Neben den Produktionsbedingungen und einer Irreführung beim Verkauf, wirft das ZDF-Magazin Fynn Kliemann auch vor, dass die Maskenlieferungen bewusst ohne Etikett zum Herkunftsland versehen wurden – Europa statt Bangladesch. Kliemann räumte ein, dass Pakete mit Masken ohne Herkunftslabel versandt wurden. Laut dem 34-Jährigen galt dies allerdings sowohl für die Masken aus Bangladesch, als auch für die aus Serbien und Portugal.

Kliemann rechtfertigt das Umlabeln von Etiketten mit dem Geschäftsgeheimnis: „Ja, die Emails von Tom zum Umlabeln sind schlimm und die Formulierung steht zurecht in der Kritik. Nach Rückfrage dazu, sagte er mir, dass jede Bestellung, auch jene aus Portugal und Serbien, vor dem Weiterverkauf umgelabelt wird, da die Produzentenangaben ein Geschäftsgeheimnis waren, das man seinen Wettbewerbern nicht mitteilen wollte. [...] An dieser Stelle muss ich klar sagen, dass mir dieser Satz hätte auffallen müssen.“ Er betonte, dass die Verschleierung des Herkunftslandes nicht das sei, wofür er stehen wolle.

Der „schlimmste Punkt“

Der wohl schwerwiegendste Vorwurf des ZDF-Magazins an Fynn Kliemann ist, dass er 100.000 Masken an Geflüchtete verschenkt haben soll, die mutmaßlich nicht den medizinischen Standards entsprachen.

Kliemann widerspricht dieser Darstellung. Laut des Unternehmers seien die Masken, die in Lager für Geflüchtete geliefert wurden, „einfach nur etwas größer als die ursprüngliche Vorgabe“ gewesen, weswegen sie gespendet wurden. Zu der vermeintlichen Aktion sagte er: „Und ich habe mich lediglich online dazu abfeiern lassen. Das war falsch und tut mir sehr leid.“

Allerdings lassen vom ZDF veröffentliche Dokumente und Fotos darauf schließen, dass mehr Mängel vorlagen, als nur die Größe der Maske. Das ZDF-Magazin veröffentliche auf Twitter eine Email, in der es heißt, dass die Masken so ausdrücklich unverkäuflich seien.

Die Liste der Mängel, der in Bangladesch produzierten Masken, umfasst etwa nur eine Stofflage statt zweien, falsche Schnittmuster, elastische Bänder, die sich in Farbe und Breite unterscheiden würden, und Nähte, die sich leicht lösen. Zu diesen Mängeln hat Fynn Kliemann bislang keine Stellung genommen.

Die Bitte um Entschuldigung: „Wertekompass verloren“

Fynn Kliemann ist sich der Schwere der Vorwürfe offenbar bewusst. Der 34-Jährige, der auf sein Junge-von-Nebenan-Image bei Instagram und als selbst ausgerufener „Heimwerkerkönig“ und Anpacker setzt, betont in seinem Statement mehrfach, dass er sich entschuldigen wolle und er zur Aufklärung bereit ist. „Ich möchte mich in aller Form bei allen Personen, Organisationen, Institutionen entschuldigen, die nun auf den ersten Blick enttäuscht und geschockt sind“, schreibt Kliemann direkt zum Einstieg seines Statements. 

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Er zeigt offenbar auch Reue: „Ich habe in der Hektik und zwischen all den täglichen Informationen meinen Wertekompass aus den Augen verloren.“ Er habe nie über die Masken-Produktion in Bangladesch gesprochen, weil das ZDF ihn nur zu den Masken aus Europa befragt hätte. Kliemann räumte aber ein, dass er auch diese Produktion, die laut seinen Aussagen nur für Großkunden gewesen sei, hätte transparent erwähnen müssen.

Auch mit seinem vielfach kritisierten Satz „Krise kann auch geil sein“ räumte Kliemann auf. Dieser Satz soll sich auf das Gesamtkonzept bezogen haben, man könne in der Krise auch etwas bewegen, so Kliemann.

Kliemann zeigt sich auch wie sonst auf Instagram nahbar: „Ich muss mir klar eingestehen, dass ich den Prozess nicht mehr überblicken konnte. Durch diese Versäumnisse, mich mit den Prozessen nicht eingehend befasst zu haben, habe [ich] viele enttäuscht.“ Er wolle weiter zur transparenten Aufklärung beitragen – sein Image wirkt für den Moment jedoch lädiert. (mab)

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