Anke Engelke über Anti-Corona-Demos„Wissen die, was da gerade alles kaputt geht?“

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Anke Engelke

  • Die Schauspielerin Anke Engelke spielt in der Netflix-Serie „Das letzte Wort" eine Frau, deren Mann am Tag der Silberhochzeit stirbt und die beschließt Trauerrednerin zu werden.
  • Über ihr eigenes Begräbnis habe sie noch nie nachgedacht. Sie sei nicht gläubig, aber sicher, dass nach dem Tod nicht alles vorbei ist: „Eine Seele ist so etwas Großes, das kann nicht einfach verschwinden."
  • Im Interview spricht sie darüber, warum sie trotz aller Krisen in der Welt optimistisch ist, wieso sie kein Smartphone besitzt und was sie an den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen am meisten stört.

Frau Engelke, in der Netflix-Serie „Das letzte Wort“ spielen Sie Karla, deren Mann am Tag der Silberhochzeit stirbt, und die danach beschließt Trauerrednerin zu werden. Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wie Ihr Begräbnis einmal aussehen soll? Engelke: Ich habe mir noch nie Gedanken über mein eigenes Begräbnis gemacht. Liegt vielleicht daran, dass ich ein „Hier und Jetzt“-Mensch. Im Moment ist das Thema in meinem Leben weit weg. Natürlich ist es manchmal nah, weil man Situationen erlebt, in denen getrauert wird, aber was mal an meinem Grab passieren soll, ist mir noch nicht klar, weil ich so gerne lebe.

Auch nicht während der Dreharbeiten? Beginnt man da nicht automatisch, über den Tod und die Frage, was danach ist, nachzudenken?

Nein, seltsamerweise ist es bei den Dreharbeiten eher so, dass ich als Karla auf die Situationen drauf geguckt habe, nicht als Anke. Ich musste ja versuchen, diese Frau zu verstehen. Dann ist man ganz nah dran an einer Figur und versteht manchmal gar nicht, warum sie etwas sagt, tut oder will und warum sie so komisch ist Jetzt, wo ich etwas Neues drehe, habe ich mehr Abstand zum Thema und dann ploppen diese Fragen auf: Wie will ich eigentlich begraben werden? Urne oder Sarg? Ich weiß zwar noch nicht, wie ich begraben werden will, aber eins steht fest: Organspende!

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Anke Engelke spielt Karla, deren Mann am Tag der Silberhochzeit stirbt. 

Anke Engelke spielt Karla, deren Mann am Tag der Silberhochzeit stirbt. 

Und haben Sie für sich eine Antwort darauf gefunden, was nach dem Tod mit uns geschieht?

Ich bin nicht gläubig. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass nach dem Tod alles vorbei ist, das kann nicht sein. Dafür sind wir zu einzigartige Wesen. Eine Seele ist so etwas Großes, das kann nicht einfach verschwinden.

Was passiert mit der Seele?

Das weiß ich nicht. Aber es kann mir niemand erzählen, dass er oder sie noch nie die Situation hatte, dass man etwas gespürt hat, als man an jemanden dachte, der nicht mehr lebt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dann nichts mehr ist. Im Leben nicht. Und im Tod auch nicht. So große wundersame Dinge wie Denken und Fühlen – das wäre doch alles verschenkt, wenn es einfach weg wäre. Das kann und möchte ich mir nicht vorstellen.

Sie sagten eben, dass Sie Karla oft nicht verstanden haben. So ging es mir auch.

Ist doch super, oder? Nichts gegen Soaps, aber wenn man schon vorhersehen kann, wie es weitergeht, finde ich Geschichten nicht so interessant. Das ist für Viele eine schöne Form des Ablenkens, aber ich finde es spannender, wenn es Irritationen gibt. Wenn wir es uns nicht gemütlich machen können. Wenn wir genau hinschauen und zuhören müssen und immer wieder überrascht werden. Ich versuche beim Spielen, meine Figuren nicht aus Furcht oder Eitelkeit zu verraten und bin lieber so authentisch wie möglich. Dann ist es auch wurscht, wenn Leute denken, man sei dumm, weil sich die Frau die man spielt, vielleicht verkorkst ausdrückt oder den Genitiv nicht verwendet. Das Schöne an dem Beruf ist, dass man lernt, dass alles ganz anders ist, als man denkt.

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Karla (Anke Engelke) und ihre Kinder Judith (Nina Gummich) und Tonio (Juri Winkler).

Es geht um Empathie?

Ja, immer. Das gilt ja nicht nur für Schauspielerinnen, dass es sich lohnt, andere Perspektiven auszuprobieren. Frei nach Atticus Finch in „To kill a Mockingbird“: Immer mal die eigenen Schuhe ausziehen und in den Schuhen des anderen laufen. Das ist das Allerbeste, das man tun kann.

Aber wenn man sich so in der Welt umschaut, ist das offenbar nicht so gefragt. Macht Ihnen das nicht Angst?

Nein, weil ich fest an die Kraft des Einzelnen glaube. Wir sind als einzelne gefordert, dafür zu sorgen, dass unser Miteinander wieder stimmt, denn das gerät ja gerade immer mehr aus den Fugen. In dem System, in dem wir leben, können wir uns nicht darauf verlassen, dass andere etwas ändern werden. Wir können uns nicht zurücklehnen und sagen „kann man nicht ändern“ oder „das wird schon alles“. Natürlich kann man etwas ändern, indem man immer wieder Dinge in Frage stellt. Ich sehe das hoffnungsfroh, wir können mehr denn je die Dinge in die Hand nehmen. Natürlich kann sich der Kapitalismus nicht selbst abschaffen, aber unsere Ellenbogenmentalität können wir abschaffen.

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Haben Prominente da eine besondere Verantwortung?

Naja, sollten nicht alle die gleiche Verantwortung haben? Klar haben manche Prominente eine gewisse Strahlkraft, aber das macht niemanden zum Experten. Ich bin durchaus ein politischer Mensch, aber ich möchte mich zum Beispiel nicht parteipolitisch äußern, für mich ist das nichts.

In den Presseunterlagen zur Serie stand „Zielgruppe: alle“. Sehen Sie das auch so?

Das ist ehrlich gesagt gar nicht mein Thema, da kenn mich nicht aus. Ich weiß nicht, wer was guckt. Mein eigenes Sehverhalten ist ja schon unberechenbar, weil ich zum Beispiel lieber Serien schaue, wenn ich stundenlang im Zug sitze, und Filme am allerliebsten im Kino gucke. Ich liebe mein Sofa, aber da liege ich meistens mit einem Buch oder einer Zeitung drauf!

Zur Person

Anke Engelke (54) wurde in Montreal geboren und wuchs in Rösrath auf. Schon als Kind arbeitete sie beim Radio. Sie ist Schauspielerin, Komikerin und Moderatorin. Ihre Serie „Das letzte Wort“ ist jetzt bei Netflix zu sehen.

Sie schauen also selbst gar kein Netflix und Co?

Na klar, das Angebot der Streamingdienste ist in Sachen Auswahl und Vielfalt ja ziemlich großartig. Ich bin eingestiegen mit „House of Cards“ und „Breaking Bad“, aber ich gehöre wohl zur Generation Kino, ich mag das gern, das Haus zu verlassen um in einen andere Welt zu tauchen.

Lesen Sie eigentlich die Kommentare in den sozialen Netzwerken zu Ihren Serien oder Filmen?

Das geht alles etwas an mir vorbei, weil ich kein Smartphone habe und nicht bei den sozialen Medien bin. Ich lebe im Grunde von dem, was Menschen mir auf der Straße zurufen.

Sie haben kein Smartphone? Warum nicht?

Stimmt, ich habe immer noch kein Smartphone und das klappt auch gut. Das würden viele allein schon im Job ja gar nicht hinkriegen. Aber zu mir würde das nicht passen, glaube ich, weil ich versuche, so wenig gläsern zu sein wie es geht.

Wie haben Sie die vergangenen Monate während der Pandemie erlebt?

Mir ging es gut in diesem halben Jahr, Da bin ich wirklich ein Glückspilz. Im letzten Jahr habe ich unter anderem einen Kinofilm gedreht und die Serie, und dann folgte ja die Postproduktion. Also war ich eher im Synchronstudio und das sind tatsächlich geschützte sichere Orte.

Nun drehen Sie in Wien für ein neues Projekt. Wie ist die Arbeit unter Corona-Bedingungen?

Es ist eine ziemliche Umstellung, aber ich finde das total machbar. Wir werden alle ständig getestet. Es gibt am Set ein Zonensystem und wir halten uns an die vorgeschriebenen Regeln: Ständig Maske, ständig Abstand, ständig Lüften. Ich finde die Sicherheitsvorkehrungen wichtig und richtig. Wenn man einander und die Regeln respektiert, dann ist es möglich zu drehen.

Und was denken Sie, wenn Sie sehen, dass Menschen zu Tausenden gegen die Schutzmaßnahmen protestieren?

Man fragt sich schon, ob sie sich überhaupt Gedanken machen über das Kulturleben das uns gerade wegbricht. Da wird ganz laut Deutschland gerufen, aber Deutschland lebt davon, dass wir eine unglaublich bunte und tolle Kulturnation sind. Abgesehen davon, dass Menschen erkranken und sterben, dass Menschen ihre Jobs verlieren, leiden Künstlerinnen gerade extrem weil sie nicht auftreten können. All die Podcasts, Autokinoauftritte und Wohnzimmerkonzerte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kunst und Kultur vom großen und nahen Miteinander leben. Aber ist den Menschen, die gegen Corona-Auflagen demonstrieren, bewusst, was da gerade alles kaputt geht? Das macht mir Kummer.

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