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Karnevalszug in AalstJudenfeindliche Klischees als unerträglicher Humor

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Aalst

Karnevalisten im belgischen Aalst

Sie haben es wieder getan, auch oder vielleicht weil sie wussten, dass sie unter besonderer Beobachtung standen. Die Karnevalisten der belgischen Stadt Aalst finden es offenbar lustig, bei ihrem großen Umzug antisemitische Klischees zu bemühen. Orthodoxe Juden sind bevorzugtes Objekt ihres Spotts; Hakennasen, Wucherer mit Schläfenlocken – die nicht weit von Brüssel gelegene, von einem flämisch-nationalistischen Stadtrat regierte Gemeinde macht tatsächlich vor nichts Halt, um dem Credo ihres Bürgermeisters gerecht zu werden: Aalst sei die „Hauptstadt des Spotts und der Satire“, man habe die Vorwürfe satt, die unter anderem von der Unesco erhoben werden. Deren Drohung, man werde dem Umzug seinen Status als Werbekulturerbe entziehen, quittieren die Karnevalisten, indem sie die Unesco als Zensurbehörde verunglimpfen.

Nach der Logik der Aalster Spaßvögel würden sie wahrscheinlich auch jenen Motivwagen unter den Schutz der Satirefreiheit stellen, der 1936 im Kölner Rosenmontagszug mitfuhr. Damals dienten sich die angeblich so subversiven Jecken dem Nationalsozialismus mit der grimmigen antisemitischen Darstellung eines Juden an, dem das rechtschaffene Deutschland auf den Schlips tritt.

Selbstredend gibt es fundamentale Unterschiede zwischen dem braunen Deutschen Reich von einst und Belgien heute. Der gravierendste dürfte sein, dass die Aalster Karnevalisten ihren ganz und gar unerträglichen Sinn für diskriminierenden, schadenfreudigen Humor vollständig freiwillig und ohne politischen Druck ausleben.

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