Antonio Banderas im Interview„Ich werde sehr jung sterben“

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Antonio Banderas vor seinem Porträt beim Filmfest München im Juni.

  • Mit Filmen wie „Philadelphia“, „Die Maske des Zorro“, „Evita“, „Irgendwann in Mexiko“ und „Machete Kills“ festigte er seinen Ruf als Filmstar.
  • Mit uns hat der spanische Schauspieler Antonio Banderas über seine Rückkehr aus Hollywood gesprochen – und wie sehr ihn sein Herzinfarkt verändert hat.

Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde Antonio Banderas für seine Rolle in Pedro Almodóvars Film „Leid und Herrlichkeit“ (seit 25. Juli im Kino) mit dem Preis als bester Darsteller ausgezeichnet. Auf dem Münchner Filmfest erhielt er den CineMerit Award für seine Verdienste um die Filmkunst. Wir trafen Antonio Banderas in München.

Señor Banderas, „Leid und Herrlichkeit“ ist ein sehr emotionaler und sehr persönlicher Film. Wie haben Sie sich bei den Dreharbeiten gefühlt?

Da gab es durchaus sehr emotionale Momente. Mit Pedro Almodóvar verbindet mich ja eine über 40-jährige Freundschaft. Und obwohl er eine sehr private Person ist, kenne ich ihn doch – bis zu einem gewissen Grad – sehr gut.

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Auch deshalb konnte ich es kaum glauben, als ich sein Drehbuch las. Was er da alles hineingepackt und wie sehr er sich diesmal geöffnet hat, das hat mich wirklich sehr berührt.

Können Sie ein Beispiel für seine Offenheit geben?

Das Ergreifendste für mich war, als er mir eine bestimmte Textzeile vorlas, die ich im Film zu sagen hatte. Dazu muss man wissen, dass Pedro immer vorher mit allen Schauspielern probt und mit uns gemeinsam das Script liest. Er kam also ans Set und spielte mir meine Rolle vor, um mich richtig einzustimmen und noch ein paar Anweisungen zu geben.

Zuvor hatte er die Rolle von Penélope Cruz gelesen, die im Film meine Mutter spielt. Und dann las er meinen Part, also Salvador Mallo, der im Film ja Pedros Alter Ego ist. Er begann, sagte „Ahhh…“, stand auf – und ging weg. Dann kam er zurück und wollte wieder beginnen – konnte aber nicht. Er seufzte schwer, ging wieder weg.

Und plötzlich wusste ich, warum. Denn es war dieser eine Satz, der ihm so nahe ging: „Mama, es tut mir so leid, aber ich bin nicht der Sohn, den du dir immer gewünscht hast.“ Das war die beste Einstimmung, die er mir geben konnte. Ich sagte: „Pedro, ich weiß jetzt, was ich machen muss. Sag“ einfach Action!“

Stimmt es, dass Sie für ihn Ihre schauspielerischen Fähigkeiten, die sie sich in Hollywood angeeignet hatten, wieder vergessen mussten?

Ja, das ist wahr. Wenn man so lange in Hollywood gearbeitet hat wie ich, entwickelt man sich auf eine ganz gewisse Weise weiter und lernt auch ein paar Tricks und Finessen. Das ist nicht nur wichtig für die Arbeit. Es ist auch notwendig, um sich dadurch eine Art Selbstschutz aufzubauen. Ich wurde jedenfalls mit der Zeit immer sicherer vor der Kamera, und das gab mir auch mehr Selbstbewusstsein.

Ich kam also vor neun Jahren – nach 22 Jahren in Hollywood – zurück nach Spanien, um mit Pedro den Film „Die Haut, in der ich wohne“ zu drehen. Wir trafen uns zur Vorbereitung und ich schwärmte ihm vor, was ich inzwischen alles gelernt hatte. Doch er schaute mich an, schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, nein, nein – das ist vielleicht gut für Amerika. Aber wo bist du denn?“ Schon damit begannen eigentlich die Vorbereitungen auf die Rolle des Salvador Mallo für „Leid und Herrlichkeit“.

Haben Sie sich damals auch selbst in Frage gestellt?

Oh ja, das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Aber erst etwas später. Damals bin ich mit Pedro ziemlich aneinandergeraten. Ich dachte zuerst, er will mich irgendwo hindrücken, wo ich gar nicht mehr hingehöre. Und dass er einfach seine Macht als Regisseur ausspielen wollte...

Bei den Dreharbeiten waren wir beide also ziemlich angespannt. Doch zum Glück sind wir Freunde geblieben. Und als ich dann den Film sah, war ich sehr erstaunt darüber, was er alles aus mir herausgeholt hatte. Denn ich wusste gar nicht, dass das in mir steckt. Pedro hat mich wirklich sehr zum Nachdenken gebracht. Und er spürte wohl auch, dass ich eine Lektion in Demut gebraucht habe – um mich von Hollywood zu entgiften. Das hat gewirkt.

Als er jetzt wieder einen Film machen wollte, habe ich natürlich sehr schnell zugegriffen. Ich sagte zu ihm: „Pedro, keine Sorge, ich bin diesmal ganz Ohr, was du zu sagen hast. Vor allem will ich wissen, warum du mich ausgewählt hast, um dich zu spielen.“ Also haben wir allen Ballast über Bord geworfen und gemeinsam wieder ganz von vorne angefangen.

Sie wirken in dieser Rolle sehr verletzlich, ja zerbrechlich…

… was sicher auch damit zu tun hat, dass ich vor zwei Jahren einen Herzinfarkt hatte. Wenn man dem Tod so nahe war, verändert man sich sehr. Und man eliminiert alle Dinge im Leben, die dumm und überflüssig sind.

Welche zum Beispiel?

Ah, ich brauche ein neues Auto! Wirklich? Vergiss es! Oh, diese Rolle muss ich unbedingt haben! Nein, musst du nicht! Was kommt jetzt in meinem Leben an erster Stelle? Meine Tochter! Meine Familie, meine Freunde und dann mein Beruf.

Im Krankenbett hatten Sie eine bemerkenswerte Begegnung mit einer Krankenschwester…

Ja, in der Nacht, nachdem man mir die Stents eingesetzt hatte, kam diese ältere, sehr schöne Krankenschwester zu mir ans Bett und stellte mir, ihrem Patienten, diese doch sehr ungewöhnlich Frage: „Glauben Sie an Popkultur?“ (Lacht) Ich hatte keine Ahnung, was sie damit sagen wollte.

Da fragte sie mich: „Warum sagen die Menschen: »Ich liebe dich mit meinem ganzen Herzen?« Und nicht: »Ich liebe dich mit meinem ganzen Gehirn?« Warum sagt man: »Du hast mir das Herz gebrochen!« Und nicht: »Meine Nieren? Oder meine Leber?« Weil das Herz sehr wichtig ist. Es schlägt und erhält dich am Leben!“

Zur Person

„Leid und Herrlichkeit“ ist die achte Zusammenarbeit von Antonio Banderas (58) mit Regisseur Pedro Almodóvar, der ihn 1982 für seinen Film „Labyrinth der Leidenschaften“ entdeckte. Nach weiteren Filmen mit Almodóvar wie „Matador“ und „Fessle mich!“ ging Banderas in die USA und startete dort 1992 mit „Mambo Kings“ seine Hollywood-Karriere. Mit Filmen wie „Philadelphia“, „Die Maske des Zorro“, „Evita“, „Irgendwann in Mexiko“ und „Machete Kills“ festigte er seinen Ruf als Filmstar.

Und sie sagte noch: „Das Herz ist eine echte Sauerstoff-Pumpe für deinen Körper – aber ein ganzes Warenhaus für Gefühle.“ Dann erzählte sie mir, dass sie schon viele Herzinfarkt-Patienten betreut hatte und mir sagen wollte, ich würde noch drei oder vier Monate lang sehr empfindlich sein und sehr traurig.

Hatte sie recht?

Oh Gott, ja. Ich habe nur noch geheult. Ich habe mir einen Film angesehen – und schon schossen mir Tränen in die Augen; oder ich las ein Buch und musste weinen. Ich habe mich durch den Herzinfarkt schon ziemlich verändert. Auch als Schauspieler. Ich verstecke mich jetzt nicht mehr, wenn ich spiele. Ich zeige mich mehr. Und das war auch sehr nötig für meine Rolle des Salvador Mallo in „Leid und Herrlichkeit“.

Das heißt, jetzt versuchen Sie Ihre Zuschauer nicht mehr so sehr zu manipulieren wie früher?

Auf eine gewisse Art, ja. Ich bin jetzt ehrlicher, transparenter. Keine Tricks mehr. Diesmal habe ich versucht, meine Rolle offener zu gestalten, sodass jeder Zuschauer das hineinlesen kann, was er will. Das war eine sehr neue und erfüllende Erfahrung für mich. Salvador Mallo ist sicher der interessanteste und komplexeste Charakter, den ich in meiner ganzen Karriere gespielt habe.

Der Film ist auch ein Trip in die Vergangenheit. Wann haben Sie denn das letzte Mal so eine Reise unternommen? Und wie viele Leichen im Keller haben Sie da entdeckt?

(Lacht) Oh, da waren schon viele. Aber haben wir die nicht alle? Ich frage mich manchmal: Sind wir die Menschen, die das und das erlebt haben? Oder sind wir die, die das und das geträumt haben? Bin ich eigentlich der, der das nie gesagt hat, aber eigentlich sagen wollte? Bin ich der, der das nie gemacht hat, aber eigentlich machen wollte? Ich finde diese Fragen sehr interessant.

Wie auch immer: Wenn ich so zurückschaue, kann ich sagen, dass ich viel mehr glückliche als unglückliche Tage erlebt habe. Und das ist doch auch schon was. Ich bin krankhaft optimistisch.

Würden Sie sagen, dass Künstler sensibler sind als andere Menschen?

In gewissen Situationen. Wenn wir einen Stoff haben, bei dem wir Künstler dann aus dem Vollen schöpfen können. Aber wenn etwas flach und eindimensional ist… Doch selbst der simpelste Mensch… wenn man genau hinschaut… denkt man „Oh, mein Gott!“, was da alles da ist! (Lacht) Na ja… ich werde oft gefragt, wie ich mit meinen Höhen und Tiefen im Leben klarkomme. Wie ich aus meinen dunklen Zeiten wieder herausfinde.

Da kann ich nur sagen: Ich schaue mir immer das Große und Ganze an. Ich versuche, sehr bewusst im Hier und Jetzt zu leben. Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Es gab auch schon Zeiten, da habe ich mir fast gewünscht zu sterben. Doch die sind Gott sei Dank vorbei. Ich will nicht mehr sterben. Ich will leben, leben, leben…

Wird man mit den Jahren eigentlich nur älter oder auch weiser?

Die Lebensweisheit, die ich bis jetzt erlangt habe, ist: Alles endet mit dem Tod. Das relativiert doch sehr vieles im Leben. Und ist gar keine so schlechte Erkenntnis… Das heißt doch auch, dass es gut ist, mit der Lebenszeit, die uns noch bleibt, sinnvoll umzugehen. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob mit dem Tod alles vorbei ist. Was ich aber glaube, ist, dass da ein großes Geheimnis ist und wir immer mehr lernen können. Und es gibt so viele Überraschungen…

„Leid und Herrlichkeit“ ist Ihre achte Zusammenarbeit mit Pedro Almodóvar. Haben Sie noch neue Seiten an ihm entdeckt?

Oh ja. Aber wie ich schon sagte, ist Pedro ein sehr privater, verschlossener Mensch – auch in Bezug auf seine Freunde. Und ich habe die Grenzen unserer Freundschaft, aus Respekt für ihn, nie überschritten. Es ist wirklich das erste Mal, dass er sich so weit geöffnet hat.

Ich habe vieles im Script wiedererkannt. Ich habe Lügen entdeckt, die die Schauspieler sagen – und das waren meine Lügen, oder die von Carmen Maura (lacht). Er hat uns alle wirklich sehr gut erkannt. Und da sind diese Selbstbekenntnisse, die er mit diesem Film jetzt öffentlich macht. Da steckt so viel von ihm drin, auch sehr Intimes, und ja ... er ist fast nackt.

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Ist Ihre Freundschaft mit Pedro Almodóvar durch diese Zusammenarbeit noch gewachsen?

Auf gewisse Weise sind wir uns, glaube ich, noch näher gekommen. Ganz rührend waren auch seine Regieanweisungen. Pedro sagte zum Beispiel beim Drehen: „Antonio, du musst so drauf sein, als ob du das Heroin auch wirklich genommen hast – aber ich will es nicht fühlen. Du musst alt aussehen und dich so bewegen, als ob du starke Schmerzen hast – aber ich will es nicht fühlen. Ich will, dass du ich bist – aber ich will es nicht fühlen!“

Ihr Landsmann Picasso sagte einmal: „Es braucht ein ganzes Leben, um jung zu werden.“ Wie jung fühlen Sie sich?

Ich fühle mich sehr jung. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich sehr jung sterbe. Ich habe durch meinen Beruf nämlich die Möglichkeit jung zu bleiben.

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