ARD-Zweiteiler „Der Überläufer“Eine unmögliche Liebe

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Walter Proska (Jannis Niewoehner) und Wanda (Malgorzata Mikolajczak)

Ein junges Paar liegt nackt in einem Feld. Sie sind verliebt, die Welt um sie herum scheint vergessen. Leise singt die Frau „Irgendwo auf der Welt“. Doch das kleine bisschen Glück, das auch die Comedian Harmonists vergeblich suchten, ist für Walter (Jannis Niewöhner) und Wanda (Malgorzata Mikolajczak) endlos weit entfernt. Es ist eine unmögliche Liebe. Sie ist eine polnische Partisanin, er ein deutscher Wehrmachtssoldat. Getroffen haben sie sich im letzten Sommer des Zweiten Weltkriegs in einem Zug, der Walter zurück an die Front bringen sollte und den Wanda eigentlich in die Luft sprengen wollte.

Der Irrsinn des Krieges

Die beiden werden sich noch einige Male begegnen im ARD-Zweiteiler „Der Überläufer“ nach dem Roman von Siegfried Lenz, den Oscar-Gewinner Florian Gallenberger für das Erste verfilmt hat. Und ihre unmögliche Liebe wird den Irrsinn des Krieges besonders deutlich kontrastieren.

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Jannis Niewöhner ist sehr überzeugend in der Rolle des jungen Soldaten, der zu Beginn fest daran glaubt, seine Pflicht erfüllen zu müssen. Doch als er irgendwo in den polnischen Sümpfen mit einer kleinen Einheit eine Bahnstrecke überwachen soll, kommen ihm Zweifel. Das Kommando führt Willy Stehauf (Rainer Bock), ein versoffener, brutaler Unteroffizier, der auch Unbewaffnete erschießt. Für ihn sind alle Polen Partisanen. Walter und sein Freund Wolfgang (Sebastian Urzendowsky) gestehen sich ein, dass der Krieg verloren ist. Wolfgang wechselt die Seiten, kämpft für die Russen, die er als Befreier betrachtet. Als Walter schließlich in russische Kriegsgefangenschaft gerät, lässt er sich von seinem Freund überzeugen, ebenfalls die Uniform der Roten Armee zu tragen.

Siegfried Lenz schrieb „Der Überläufer“ im Alter von 25 Jahren. Das zweite Werk des Autors wurde jedoch erst 2016, zwei Jahre nach seinem Tod, veröffentlicht. Für einen Deserteur als Hauptfigur war Nachkriegsdeutschland wohl noch nicht reif. Und auch heute noch beschimpfen viele diese Figur als Vaterlandsverräter, wie Regisseur Gallenberger kürzlich im Deutschlandfunk sagte.

„Der Überläufer“, eine Produktion im Auftrag von NDR, ARD Degeto und SWR, macht es den Zuschauern nicht leicht. Walter ist eine ambivalente Figur. „Walter ist ein Getriebener, der nie zur Ruhe kommt“, sagt Niewöhner über die Figur. Walter taugt nicht zum Helden, er ist aber auch kein Schurke. Er ist ein junger Mann, der überleben will und lernen muss, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt. Er macht sich schuldig. Aber er gehört zu den wenigen, die nach dem Krieg bereit sind, die eigene Vergangenheit zu reflektieren.

Im Berlin der Nachkriegszeit

Gallenberger und Drehbuchautor Bernd Lange haben die Geschichte über den Roman hinaus bis ins Wirtschaftswunderdeutschland fortgeführt. Im zweiten Teil begegnen die Zuschauer Walter im Berlin der Nachkriegsjahre wieder. Nun will er gemeinsam mit seinem Freund Wolfgang für den Aufbau eines gerechten Deutschlands kämpfen. Doch dieser, einst sein moralischer Kompass, wirft nun für eine andere Ideologie seine Ideale über den Haufen.

Schließlich geht Walter in den Westen, doch glücklich wird er in dieser Gesellschaft, die am liebsten alles, was war, unter den Teppich kehren will, auch nicht. Am Ende sitzt er mit Frau und Kindern im hübschen Eigenheim. Doch als er plötzlich Wanda als Sängerin im Fernsehen sieht, bricht er zusammen. Die Lügen, die er hinter sich lassen wollte, sie holen ihn überall ein.

Das Erste zeigt „Der Überläufer“ am 8. und am 10. April, jeweils um 20.15 Uhr. Außerdem ist die Geschichte in der Mediathek als Miniserie zu sehen.

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