Ausstellung in DüsseldorfDie ganze Vielfalt moderner afrikanischer Fotografie

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (3)

Seydou Keïta, Untitled

Düsseldorf – An den Anfang haben die Kuratoren der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW noch einmal Bilder aus dem ethnologischen Giftschrank gestellt. Sie zeigen schwarze Menschen aus dem Blickwinkel des weißen Eroberers und Forschers, namenlose „Exponate“, die für bestimmte Typen stehen: einen Jungen mit freiem Oberkörper, die Hände zum Gebet gefaltet; drei Krieger mit Schild und Speer; junge Mütter, die ihre Neugeborenen auf dem Rücken tragen; eine Frau in westlicher Kleidung, der Kragen hochgeschlossen.

Die weißen Fotografen wollten die „Wildheit“ festhalten und zivilisieren 

Man erkennt, was die weißen Fotografen im Sinn hatten. Sie wollten die „Wildheit“ erst beweiskräftig festhalten, um sie anschließend zu zivilisieren. Aber man erkennt auch, dass sich ihre „Beweisstücke“ dieser Bildlogik nicht einfach fügen, dass sie trotz allem Personen bleiben. Es brauchte den bösen Willen von Kolonialherren, um das zu übersehen.

Alle übrigen Wände der Ausstellung „Dialoge im Wandel“ sind für ein anderes Afrika reserviert. Ein Afrika der Nationen, mit regional gefärbten Kulturen und einer Vielzahl afrikanischer Fotografen. Einer von ihnen, Seydou Keita, gründete 1948 in Bamako, der Hauptstadt Malis, ein Atelier, in dem sich, wenige Jahre vor der Unabhängigkeit des Landes, ein selbstbewusstes Bürgertum ablichten ließ. Auch hier sieht man Typen, aber nicht im ethnologischen Sinn, sondern Menschen, die sich in Szene setzen, um sich zu unterscheiden. Während das Individuelle auf den Bildern der weißen Forscher eine Schmuggelware war, wird es hier zum eigentlichen Bildinhalt.

Man könnte den Auftakt im Düsseldorfer Ständehaus ein wenig didaktisch finden, würde sich sie Ausstellung nicht rasch von den ethnologischen Gegenbildern lösen. So weitet sich der Blick für eine kurze Geschichte der afrikanischen Fotografie, die in den 1940er Jahren beginnt und etwa 500 Bilder von rund 40 Fotografen umfasst. Auch das ist nur ein läppischer Bruchteil der afrikanischen Bilderproduktion, aber trotzdem wohl das Beste, was es in dieser Hinsicht gibt.

Die Exponate stammen (mit einigen prominenten Ausnahmen) aus der Sammlung des Deutsch-Amerikaners Artur Walther, der sich bei der Auswahl maßgeblich von Okwui Enwezor, dem 2019 verstorbenen ehemaligen Documenta-Leiter, beraten ließ. Im Begleitmaterial zur Ausstellung wird die Walther Collection eher beiläufig als die größte Sammlung afrikanischer Fotografie weltweit geführt.

Bei Seydou Keita sehen die Menschen in den Spiegel eines Verbündeten

Als Generalthema hat Enwezor der Sammlung offenbar die Frage mitgegeben, wie sich gesellschaftliche Veränderungen im Medium der Fotografie abbilden. Man kann darauf befriedigende einfache Antworten finden, wie in Keitas Studioporträts, auf denen die Menschen nicht mehr von Fremden inszeniert werden, sondern sich im Spiegel der eigenen Wünsche und eines verbündeten Fotografen sehen. Auch die Aufnahmen, die Malick Sidibé in den 1960er Jahren von der tanzenden Jugend Malis machte, wirken wie eine nicht enden wollende Feier der eigenen Unabhängigkeit. Aber nicht nur die heutigen Debatten um postkoloniale Identitäten zeigen, dass diese hart erkämpfte Freiheit alles andere als selbstverständlich war.

Am offensivsten geht der angolanische Fotograf Edson Chagas die Fragen nach einer postkolonialen Identität an, allerdings mit gemischten Botschaften. Einerseits zieht er sich Plastiktüten mit Werbemotiven über den Kopf, wie um zu zeigen, dass wir im globalisierten Konsum alle gleich und gleichermaßen verdammt sind. Andererseits lässt er Anzugträger hinter traditionellen Bantu-Masken verschwinden und betont damit die angebliche Unvereinbarkeit von westlicher (sprich: kolonialer) Moderne und afrikanischer Identität.

Wie westlich kann eine afrikanische Identität sein?

Aus dem Dilemma, wie westlich eine afrikanische Identität sein kann, führt auch bei Samuel Fosso kein leichter Weg hinaus. Der Kameruner schlüpft in „African Spirits“, einer Serie von Selbstporträts, in die Verkleidungen berühmter Bürgerrechtler, er posiert als Muhammed Ali, als Malcolm X und als Angela Davis, vielleicht, um ihre Geister in sich zu vereinen, aber zugleich zeigt er, dass all diese Freiheitskämpfer nicht zuletzt Medienstars waren, die sich auch für ein weißes Publikum inszenierten.

Die Düsseldorfer Auswahl hält eine kluge Balance zwischen derlei konzeptuellen Ansätzen und klassischen Genres der Fotografie. So zeigt David Goldblatt die Spuren der Apartheid in verlassenen südafrikanischen Landstrichen, Guy Tillim dokumentierte die weiterhin prekären Lebensverhältnisse der befreiten Arbeiter in Johannesburg. Die vielfältigen „Vogelnester“, die J.D.’Okhai Ojeikere in den aufwendig geflochtenen Haartrachten nigerianischen Frauen fand, fallen hingegen unter die typologischen Reihenuntersuchungen – und hängen im Ständehaus neben Silos, Gasbehältern und Wassertürmen von Bernd und Hilla Becher. Genau das wollten die Kolonialherren nicht wahrhaben: In jedem Typus verbirgt sich ein unendlicher Spielraum der Individualität.

„Dialoge im Wandel. Fotografien aus The Walther Collection“, Kunstsammlung NRW, Ständehaus, Düsseldorf, bis 25. September.

KStA abonnieren