Band „Yello“Die grauen Füchse des Elektro-Pop beenden ihre Deutschlandtour in Köln

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Dieter Meier (72) von der Band „Yello“ am Mikrophon.

Köln – Als „ultimative Improvisation aus Boris Blanks Taschenstudio“ hatte Dieter Meier eben noch das, was jetzt zu sehen und zu hören war, angekündigt. Blank, der sonst bei Yello für alles bis auf den Gesang zuständig ist, zeichnete vor den Augen des Publikums seine Stimme auf: „Bi-ba-uh-bao-wao-wao“.

Jetzt mussten die Töne noch etwas hin- und hergeschoben, verfremdet und verarbeitet werden, Blank berührte ein paar Mal das Display seines Handys und nach ein paar Sekunden hatte er aus den Stimmfetzen einen Beat gebaut - mit der von ihm entworfenen App „Yellofier“. Die Szene entwickelte einen eigenwilligen Charme, der 65-jährige Herr mit dem tadellos sitzendem Sakko führte sein kreatives Tagewerk mit der Freundlichkeit eines städtischen Angestellten vor, der digitalen Neuankömmlingen einen Volkshochschul-Schnellkurs zum Thema „digitale Musikproduktion“ gibt.

Die Gegenwart von Elektro-Pop trifft den Synthesizer-Beat

Als die kinderleichten Beats dann abgespielt wurden, segelte Dieter Meiers Stimme zum frühen Yello-Hit „Bostich“ schon mit dem bekannten Hochgeschwindigkeitsgebrabbel über die frische Improvisation. In diesem kurzen Moment durften die Gegenwart des Elektro-Pop und das, was einmal als seine Zukunft beschrieben wurde, ganz locker zusammen finden. Das war nicht über die komplette Strecke des knapp zweistündigen Konzertes in der Lanxess-Arena so.

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Dieter Meier (72), der selbst erklärte Gesangsdilettant, der mit einer Art James-Last-Swing am Mikrofon charmierte und Boris Blank, Sound-Nerd und hauptamtlicher Architekt der Musik von Yello, schickten das Publikum in der nicht ausverkauften Arena auch immer wieder in die weit zurückliegenden Steinbrüche des Synthesizer-Beat, die sie so prägend bearbeitet hatten.

Im Zugabenblock standen die durchaus retroseligen Aufführungen von Songs, die zu Markenzeichen von Yello geworden sind: das Mittachtziger-Disco-Spektakel „Vicious Games“ und das auf Tribal Beats davonjagende „The Race“, das eine Karriere als Filmsoundtrack und Erkennungsmelodie der ARD-Musikvideoshow „Formel 1“ in den 1980ern hingelegt hatte. Auf der Leinwand ein Stück Videonostalgie mit explodierenden Rennwagen, aus den Tagen, als die Popmusik in ihrer eigenen Bildern noch einmal neu laufen lernte.

Weitermachen, immer weitermachen

Die Bässe und Beats mögen dem Publikum nicht mehr wie anno dazumal vor lauter Aufregung in Bauch und Beinen geflattert haben, sie riefen aber die ästhetischen Glanzleistungen der Band noch einmal wach. Und erinnerten im selben Moment daran, dass Yello, zu Beginn ein Avantgarde-Unternehmen von drei Schweizer Musikfreaks mit Veröffentlichungen auf dem mysteriösen Ralph-Label der amerikanischen Residents, sich mit ihrer Vision einer ironisch-verspielten, gerne dadaistisch-knalligen Popmusik in die Verwerfungen der Zeiten eingefunden hatten. Als alle Elektro-Pop spielten, hatten Meier und Blank dem Genre nur noch ein paar Fußnoten hinzuzufügen. Das Motto des Abends, gleich zu Beginn von Meier mit dem Song „Do It“ formuliert, ging dann als aktuelle Wasserstandsmeldung durch: Weitermachen, immer weitermachen!.

Wo andere aufhören, fingen Yello erst richtig an. 2016, nach 38 Jahren Bandgeschichte, gaben sie ihre ersten Fulltime-Konzerte, und was zuerst seltsam und wackelig dahergekommen sein muss, wurde bald zum Spaß für die grauen Füchse des Elektro-Pop. Längst haben sie ein komplette Orchester um sich geschart; Bläserensemble, ein Gitarrist, der so ziemlich alles zwischen Hardrock-Gniedeleien und Country-Twang aufbot, zwei Schlagwerker, zwei Backgroundsängerinnen und zwei Vokalistinnen auf Abruf, Malia war die Soul-Stimme und Fifi Rong gab die Glamour-Diva mit feinen Shanghai-Noten.

Die Bigband verlieh gerade den Stücken vom bislang letzten Album „Toy“ (2016) noch einmal ein paar Extra-Klangdimensionen. Bester Sound übrigens, alles kristallklar. Durfte man aber auch erwarten von Yello.

„Room-dah-bee-boom, the whippering dong“ - zum Finale gab Dieter Meier noch einmal richtig Gas im Klang-Motodrom. Aber der Verweis auf die Endlichkeit lugte schon um die nächste Ecke: „Time is running out, and the illusion fades away“. Die Musik von Yello schloss bei aller konfektionierten Aufgedrehtheit doch eine Portion Selbstreflektion ein. Wer wollte, durfte das jetzt auch als Statement zu einer schweren Zeit, zum Hier & Jetzt mitnehmen.

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