Catrin Striebeck und Peter Ott zu Irak-Film„Ich hatte wahnsinnige Angst“

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Köln – Catrin Striebeck, Peter Ott, Sie haben im Nordirak, in Dohuk gedreht – und in Köln, in den MMC Studios. Was entstand im Studio?

Peter Ott: Die meisten Innenaufnahmen, die Zelle, wo Martina, die Ärztin, gefangen gehalten wurde, und das Konsulat. Wir haben versucht, die Szenen, die im Studio entstanden, mit einer leichten Abstraktion zu versehen, und die anderen Szenen wirklich am Ort des Geschehens zu drehen. Das gehörte zum visuellen Konzept.

Catrin Striebeck: Ich war wirklich fassungslos, wie genau die Dinge in den Studios nachgebaut worden sind.

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Herr Ott, Sie haben schon vor mehreren Jahren mit dem Drehbuch begonnen, in einer Situation, die sich sehr von der aktuellen unterschied.

Ott: Das Projekt hat wirklich eine lange Geschichte, das erste Exposé habe ich 2007 geschrieben. Es hat mit der Finanzierung lange gedauert, das ist aber nur die eine Seite. Vor allem war ich sehr oft im Land, um die Situation dort zu durchdringen.

Striebeck: Ich stieß 2011 dazu, und da sah das Buch noch ganz anders aus. Da ging es nicht um den sogenanntenIslamischen Staat, auch die anderen Gruppierungen zwischen Sunniten und Schiiten verteilten sich noch anders.

Ott: Alles war noch eher an der Situation 2007, 2008 aufgehängt, als der Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten herrschte.

Wann entstand Ihr Interesse an dem Stoff?

Ott: Als die Amerikaner im Irak einmarschiert sind, war mir klar, dass das alles verändern wird. Danach würde alles anders sein. Das ist so wie Vietnam, dazu musste man sich positionieren. Mein grundsätzliches Interesse ist noch älter, denn ich habe viele Kontakte zu Palästinensern, es gab schon immer Verbindungen in den Nahen Osten.

Wie funktionierten die Dreharbeiten im Irak? Da geht man ja nicht einfach hin und sagt: Hallo, wir machen hier einen Spielfilm.

Ott: Das war sehr viel Vorbereitung, zumal wir direkt an der syrischen Grenze gedreht haben. Das war bis 2015 noch vom Islamischen Staat besetzt. Ich musste auf sehr vielen Konferenzen sitzen, sehr viel Tee trinken.

Frau Striebeck, waren Sie vorher schon mal im Land?

Striebeck: Nein, ich hatte wahnsinnige Angst. Jedes Mal, wenn Peter verzweifelt war, dass der Film wieder verschoben wurde, war ich ganz glücklich. Ich hatte so eine Angst, dahin zu fahren, obwohl ich es auf der anderen Seite auch gerne wollte. Doch in dem Moment, in dem ich gelandet war, verflog die Angst. Ich war überwältigt von der Gastfreundschaft der Menschen und der Schönheit des Landes. Außerdem galt sowieso: Mitgehangen, mitgefangen. Wenn etwas passiert wäre, dann wäre es so gewesen – das hätte ich mir vorher überlegen müssen.

Was hat sich Ihnen eingeprägt? 

Striebeck: Wir haben einmal an einem Ort gedreht, der total zerstört war. Während die Kameras eingerichtet werden, hast du ein wenig Zeit, und da riefen uns die Aufnahmeleiter zu: Nicht vom Weg abgehen, da könnten Minen liegen! Aber irgendwann war die Sonne so stark, dass ich mich doch in ein zerstörtes Haus gesetzt habe. Und peu à peu kamen die anderen Crew-Mitglieder dazu. Da dachte ich: Gut, mein Feind, mit dem ich es jetzt zu tun habe, den ich sehe und spüre – das ist die Sonne. Da wird man regelrecht pragmatisch.

Wie hat man in Deutschland auf Ihre Pläne reagiert?

Ott: Mein gesamtes Umfeld hat sich gefragt, ob ich wahnsinnig geworden bin.

Striebeck: Ja, alle wollten es verbieten, außer meine Tochter: Die wollte mit. Das wollte ich wiederum nicht.

Sie, Frau Striebeck, spielen eine Ärztin, die entführt wird. Haben Sie sich vorher mit einer solchen Situation innerlich beschäftigt?

Striebeck: Es gibt ganze Seminare, die sich mit solchen Fragen beschäftigen. Entführte Personen sollen sich möglichst neutral verhalten, was für einen Film natürlich nicht abendfüllend ist – da geht es ja auch um emotionale Ausschläge. Aber grundsätzlich habe ich schon versucht, aus einer Ruhe heraus zu agieren, bewusster, rationaler, pragmatischer.

Was war das Besondere der Rolle?

Striebeck: Die ganzen Umstände, auch die Sprachen.

Sie sprechen im Film Arabisch und Kurdisch. Haben Sie Unterricht genommen?

Striebeck: Ja, Peter hat mir einen Lehrer organisiert, der beide Sprachen kann. Seltsamerweise ist mir das Arabische leichter gefallen als das Kurdische, ich hätte es umgekehrt erwartet. Am Set wollten mir natürlich auch alle helfen, der kurdische Fahrer und alle anderen, und das war schwierig. Für die kurze Zeit, in der ich das lernte, musste gelten: Wenn ich einen Satz einmal gelernt hatte, durfte der nicht mehr verändert werden. Die wollten aber immer, dass ich alles Mögliche ausprobiere. Normalerweise liebe ich die Improvisation, in diesem Fall aber nicht.

Herr Ott, wie schätzen Sie politisch ein, wie es weitergeht in Nahost?

Ott: Leider muss man davon ausgehen, dass es die nächsten 30 Jahre so weitergeht. Es gibt einfach zu viele globale Interessen, die sich dort hineinmischen und Durcheinander innerhalb der Gesellschaften anrichten. Wobei ich schon sagen muss, dass die kurdischen Parteien und Kräfte, die in Nordsyrien aktiv sind, dass diese ein Modell bieten für den gesamten Nahen Osten – durch ein postnationales Programm, durch einen kompromisslosen Fokus auf Geschlechtergerechtigkeit, und vieles mehr. Ansonsten aber – schwierig.

Frau Striebeck, Sie haben den richtigen Pullover an, mit einem Spruch in arabischer Schrift. Was heißt das?

Striebeck: „Imagine Peace“.

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