Clubsterben, Corona-Krise„Schlimm, was die Stadt aus der Kultur-Szene macht“

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Die Kölner Hardcore-Band KMPFSPRT wünscht sich eine Kölsche Identität in der Musikszene – auch abseits vom Karneval.

  • David Schumann von der Kölner Band KMPFSPRT schätzt die Stadt für ihre alternative Szene, doch diese sieht er nicht erst seit der Corona-Krise gefährdet.
  • Mit ihrer neuen Platte will seine Band nun eine kölsche Identität in die Subkultur hineintragen.
  • Im Interview spricht Schumann über die Kölner Szene und das Seelenlose an Livestreams.

Köln – David Schumann, im Pressetext zur neuen Platte heißt es, sie sei das neue Album der Band KMPFSPRT – doch sie hat gerade einmal eine Spieldauer von zehn Minuten.

Sie ist definitiv kein Album. Das ist eine Fehlinformation, die im Internet herumgeistert. Es ist eine klassische Seven Inch wie man sie aus dem Hardcore kennt. Als wir mit 15 alle anfingen auf Konzerte zu gehen, war das das Format. Auf den Hardcore-Shows konntest du dir für vielleicht vier Mark eine Seven Inch kaufen und hast so recht viel Musik für recht wenig Geld bekommen. Wir wollte gerne eine typische Hardcore-Platte aufnehmen und haben uns dann natürlich fürs klassische Hardcore-Format entschieden – und  uns  selber die Grenze gesetzt, dass kein Song länger als 90 Sekunden werden durfte.

Da sticht der Song „Nazis raus aus Köln” mit seinen acht Sekunden natürlich heraus.

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Diesen Song habe ich tatsächlich erst auf dem Weg zum Studio noch schnell geschrieben, weil ich das Gefühl hatte, dass der Platte noch ein Antifa-Song fehlte. Als wir im Studio ankamen, kannten die anderen den Song noch gar nicht und ich musste ihnen erstmal zeigen, was sie jetzt überhaupt spielen sollen. Er hat es dann aber tatsächlich auf die EP geschafft.

Das übergreifende Thema der Platte ist die Stadt Köln. Wie kommt man als Hardcore-Band dazu, Songs über Köln zu schreiben?

Wir haben immer wieder darüber geredet, dass Bands die aus dem hohen Norden kommen, wie zum Beispiel Turbostaat, alle einen sehr nordisch-typischen Sound haben, auch die Texte und die Songtitel sind alle sehr nordisch. Das erkennt man sofort, da ist eine gewisse Identität in der Musik.

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David Schumann

Ich habe schon immer gedacht, dass es doch toll wäre, wenn wir das hier auch hätten. Schließlich haben wir hier auch Bands, wie Fjørt, Adam Angst und KMPFSPRT, die ja eben auch aus einer Mischpoke kommen und Freunde sind. Aber meiner Meinung nach könnten wir von überall herkommen, man hört es uns nicht an. Daher kam uns der Gedanke, dass wir das offensiv thematisieren sollten, weil wir alle auch wirklich gerne Kölner sind. Mit all den Fehlern die Köln hat, ist es immer noch geiler hier als in Berlin oder sonst wo.

Wenn man an Kölsche Musik denkt, kommt einem natürlich direkt Karneval in den Sinn.

Damit kann ich selber gar nichts anfangen, ich hasse Karneval. Insofern hat es wahnsinnig Spaß gemacht, „Kölsche” Musik und „Kölsch sein” für uns neu zu definieren.

Was ist denn so toll an Köln?

Als ich mit 19 von Bonn nach Köln gezogen bin, war es ganz klar die Subkultur der Stadt. Einfach diese schiere Menge an Angeboten, die es gab: Diese Menge an Clubs, in denen immer wieder gute Bands gespielt haben, diese Menge an Bars und Kneipen, darüber hinaus aber auch die vielen Programmkinos, Theater, Galerien, alles mögliche.

Man hatte wirklich das Gefühl, diese Stadt strotzt nur so vor Kunst und Kultur. Das hat mich damals total angezogen. Die ganze Stadt hatte einen alternativen Grund-Vibe. Hier hatte ich immer das Gefühl, dass schon der Mainstream alternativer ist als anderswo.

Wie steht es heute um die Kölner Kulturlandschaft?

Ich finde es schlimm was die Stadt mit all dem macht. Dass alles zu macht, all diese Clubs, in denen ich früher diese ganzen Konzerte gesehen habe. Das Underground oder auch die Werkstatt und was es sonst noch alles in Ehrenfeld gab, eins nach dem anderen macht dicht.

Dazu kommt, dass ganze Proberaum-Komplexe zu gemacht werden, die Art Olive-Räume, das Gotteswegsstudio, aufeinmal sitzen über 250 Bands ohne Proberäume auf der Straße. Diese Bands sind ja auch Kölner Kultur-Exporte, doch der Stadt scheint das völlig egal zu sein.

Auf der anderen Seite gibt es seit ein paar Monaten die Image-Kampagne „Kultur lebt in Köln” seitens der Stadt.

Ja, noch ist das auch der Fall. Die Frage ist nur: Wie lange noch, wenn es so weiter geht?

Wie erlebt ihr als Band die ohnehin schon vorhandene Problematik jetzt in der Corona-Krise?

Wir als Band sind zum Glück nur marginal von der Krise betroffen. Wir haben ja gar nicht den Anspruch, Geld mit unserer Musik zu verdienen. Wir arbeiten alle acht Stunden am Tag und treffen uns dann abends noch in einem kleinen Proberaum – einfach aus Liebe zur Musik. Unser Problem ist momentan schlicht, dass wir den fertig gebuchten Festivalsommer nicht antreten können, dass wir den Spaß nicht haben zu spielen.

Aber nicht alle in der Musikszene sind so unabhängig von den finanziellen Einkünften ihrer Kunst.

Genau, wenn man mal darüber nachdenkt, wieviele Menschen eigentlich in der gesamten Live-Industrie arbeiten, sei es die Thekenkräfte, die Türsteher, die Security-Leute, die Booker – das sind Leute, die es wirklich hart trifft. Auch weil man aktuell nicht sagen kann, wie lange dieser Zustand noch aufrecht erhalten werden muss.

Zu Beginn hieß es, der Impfstoff könnte in vielleicht einem oder anderthalb Jahren kommen. Ich glaube, dass das schon ein Zeitrahmen ist, den einige Clubs nicht durchhalten würden.

Um welche Adressen  in Köln sorgen sich Musiker konkret?

Das Gebäude 9 ist aufjedenfall so ein Ort. Den Club mag ich sehr, wir haben damals auch bei der Rettungskampagne mitgemacht. Ich liebe es einfach dort zu sein, obwohl er ja eigentlich auf der falschen Rheinseite liegt und ich eigentlich nie da bin. Außer eben wenn ich im Gebäude 9 bin.

Weitere Clubs wären das Stereo Wonderland, meine Stammbar, wo ich eigentlich auch jeden Mittwoch aufgelegt habe. Die haben ja zum Beispiel überhaupt keine Tische und können von daher gar nicht aufmachen, weil sie eben keinerlei Abstandsregeln gewährleisten können. Auch um die Frieda Bar mache ich mir Sorgen. Naja im Prinzip um jeden Club, der eigentlich Konzerte veranstalten würde. Leider gibt es gar nicht mehr so viele.

Haben Sie Angst, diese Läden könnten infolge der Krise dicht machen?

Wenn diese Scheiße irgendwann endlich vorbei ist und alles wieder normal ist und man sich dann umguckt und merkt: Fuck, von all dem, was ich hier liebe, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Da habe ich wirklich ein bisschen Angst vor.

Lesen Sie auch unsere Reportage zur Kölner Club-Szene: Stummgeschaltet: So leidet die Kölner Clubszene in der Corona-Krise

Was kann man aktuell  tun, um diesen Clubs zu helfen? Geld spenden etwa?

Auf Dauer wird das Geld, das wir als Künstler mit Benefizkonzerten einspielen können vermutlich nicht viel bringen. Vielleicht kann das einen Laden für einen weiteren Monat über die Zeit bringen, was ja besser ist als nichts. Vielleicht fällt in diesem Monat ja eine Entscheidung, die irgendwie weiterbringt. Aber ich glaube, die Hilfe muss von weiter oben kommen.

Und man sieht ja, dass das Geld da ist, um irgendwelche Autokonzerne zu retten, die die Umwelt kaputt machen. Da frage ich mich: Wo ist das Geld für die Kultur, die für uns Menschen einfach viel wichtiger ist. Ohne ihre Subkultur würde die Stadt das verlieren, was sie ausmacht und das fände ich sehr, sehr traurig.

Warum gab es keinen Aufschrei aus der Kulturszene, wie es ihn aus der Automobilbranche zum Beispiel gab?

Vielleicht weil die Kulturszene es gewöhnt ist, ihr eigenes Ding zu machen. Es gibt zwar immer wieder Hilferufe von einzelnen Clubs, aber keinen zentralen Aufschrei. Vielleicht auch weil die Szene so dezentral organisiert ist, es gibt einfach nicht so ein zentrales Organ wie das etwa die Autoindustrie hat.

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Wie hätte die Band denn den Release der Seven Inch eigentlich feiern wollen?

Eine große Tour hatten wir nicht geplant, auch weil es kein Album ist, sondern eine Seven Inch. Aber wir hatten ursprünglich vorgehabt, an einem Wochenende jeden Tag in zwei kleinen Kölner Läden zu spielen.

Setzt die Band ihre Idee denn jetzt vielleicht via Livestream  um?

Streams sind problematisch, zu Beginn habe ich sie mir noch angeschaut, irgendwann dann aber nicht mehr. Es ist wie  Methadon für kurze Zeit, bis man merkt, dass man doch den harten Stoff braucht. Streams sind nicht das Format, in dem ich der Welt neue Songs präsentieren möchte. Auch weil Hardcore von der Energie der Liveshow lebt –  das ist nun mal keine Musik, die im luftleeren Raum existieren kann. Diese Musik  lebt vom Zusammenspiel zwischen Band und Publikum. Ich kann das nicht spielen, ohne dass ich die Leute vor mir sehe. Das ist sonst wie im Proberaum, das fühle ich nicht und ich muss es einfach fühlen.

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