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Die Filmdiva Asta Nielsen kämpfte wie eine Löwin

Lesezeit 3 Minuten

Berlin/Kopenhagen – Wie ein Dänin 1910 zum ersten Superstar der Filmgeschichte wurde, lässt sich schnell mit dem Stichwort „Gouchotanz” samt dem Namen Asta Nielsen (1881-1972) googeln. Man staunt auch heute noch über ihre wild herausfordernd kreisenden Hüften und die unwiderstehlichen Augen im Stummfilm „Abgrund”.

Beim Dreh war sie 29, ließ sich nach diesem Erfolg mit der Aussicht auf größere Studios sowie hohe Gagen nach Berlin locken und breitete von hier aus schnell ihren Ruhm als Diva über den ganzen Globus aus.

1936, als die Glanzzeit längst vorbei ist, hofiert Goebbels „die Asta” immer noch. „Er bot mir eine Filmgesellschaft an. Er gab mir völlig freie Hand in Bezug auf das Repertoire. Und alles drumherum.” So behauptet die Dänin es jedenfalls und will ihr Nein beim Tee mit der Ausflucht begründet haben, sie habe sich „für alle Zeit vom Filmgeschäft verabschiedet”.

Nach dem Krieg feierte sie noch mal Erfolge auf (bundes-)deutschen Theaterbühnen, ehe es endgültig heimging nach Kopenhagen in ein verblüffend anonymes Leben bis zum Tod 1972. Als 88-Jährige tritt Asta Nielsen mit einem homosexuellen Kunsthändler vor den Standesbeamten und adelt den dritten Ehemann als „einzige große und erfüllte Liebe”. Bei ihrem Tod drei Jahre später hält sich das Interesse der Landsleute in Grenzen. Asta Nielsen wird in einem anonymen Kopenhagener Gemeinschaftsgrab beigesetzt.

So hatte sie es mit Tochter Jesta vereinbart, acht Jahre vorher nach ihrem Suizid ebenfalls hier zur letzten Ruhe gebettet, genau wie ihr kurz vorher gestorbener homosexueller Ehemann Paul. Bis zu ihrem Tod bewahrte Nielsen eisern das Geheimnis, wer der Vater der von ihr mit 20 unehelich zur Welt gebrachten, in ein Heim gegebenen und dann von der Großmutter aufgezogenen Jesta war.

Das ist der Stoff, den Barbara Beuys, Biografin herausragender Frauengestalten von Hildegard von Bingen (1098-1187, Äbtissin, Dichterin und Komponistin), bis zur 1943 hingerichteten Widerstandskämpferin Sophie Scholl, zu einem lesenswerten Lebensbericht verarbeitet hat. Immer loyal gegenüber ihrer Hauptperson, vielleicht mitunter auch zu loyal und deshalb verklärend, dabei aber bereit zur Offenlegung von seltsamen Brüchen und Widersprüchen: Wie bereitwillig und wie opportunistisch je nach Großwetterlage hat sich die in Deutschland zum Star gewordene Diva den Nazis angepasst? Was steckt hinter der demütigenden und recht verlogenen öffentlichen Herabsetzung der beiden ersten Ehemänner? Wollte sie sich mit der wiederum öffentlichen Attacken gegen deutsche Flüchtlinge in Dänemark unmittelbar nach Kriegsende die Vergebung ihrer Landsleute für die Jahre mit Ruhm und Reichtum in Berlin erkaufen?

Beuys erzählt spannend und elegant, wie Asta Nielsen mit der Ausbreitung des Stummfilms als „spirituelle Erotikerin” von Buenos Aires bis Helsinki bestaunt und verehrt wurde. Aber nicht als Frauenpuppe. Sie war hochgewachsen, androgyn, total selbstbewusst, dominant, geschäftstüchtig. Interessante Lektüre ist das ganz bestimmt für heutige Queer-Fans, die nach der Auflösung der Geschlechterrollen streben. Die Biografin bietet aber diese Interpretationslinie eines komplexen Frauenlebens nie ausdrücklich an.

Allein die erst verweigerte und dann später immer engere, aber tragisch gescheiterte Beziehung zur Tochter Jesta liefert reichlich biografischen Stoff mit vielen Fragezeichen. Asta Nielsen hat selbst bis ins hohe Alter, als sie anonym und gar nicht mehr reich als Rentnerin in Kopenhagen lebte, ohne Scheu vor Streit um die alleinige Oberhoheit über ihre Lebensgeschichte als Erfolgsstory und gegen die Offenlegung des privaten Teils gekämpft.

Barbara Beuys: Asta Nielsen - Filmgenie und Neue Frau, Insel Verlag, Berlin, 447 Seiten, 25,00 Euro, ISBN: 978-3-458-17841-5 (dpa)

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