Die Glut der Geige

Lesezeit 3 Minuten

Es war kein Kinderkonzert – im Publikum der Philharmonie saßen an diesem ersten Adventssonntag neben Kindern auch viele Erwachsene –, wohl aber im weiteren Sinn ein Konzert für Kinder: Nicht nur, weil ein Teil des Erlöses für „Wir helfen“, das Kinderhilfswerk des „Kölner Stadt-Anzeiger“, bestimmt war, sondern auch, weil kind-affine Gesichtspunkte zumindest Teile des Programms prägten.

Am offensichtlichsten war das im letzten Teil des (mittlerweile fünften) Benefizkonzerts, in dem das Gürzenich-Orchester unter seinem Ersten Gastdirigenten Nicholas Collon Benjamin Brittens Variationen und Fuge über ein Thema von Henry Purcell spielte, allgemein bekannt als „The Young Person’s Guide to the Orchestra. Diese klangbrillante Komposition ist, insofern sich in den Variationen die Instrumente sukzessiv in der ihnen eigenen Idiomatik vorstellen, pädagogisch angelegt.

Die Aufführung akzentuierte diesen Aspekt noch, indem der Schauspieler Robert Dölle als Conférencier die Instrumentenvorstellung mit auf junge Hörer abgestimmten kurzen Beschreibungen versah. Die Gürzenich-Musiker ließen sich nicht lange bitten und bedienten das Schaufensteransinnen mit launigem Aplomb – bevor sie unter Collons temperamentvoller Leitung in der finalen Fuge zu kollektiv großer Form aufliefen.

Alles zum Thema Henriette Reker

Souveräne Vorstellung in der Philharmonie: Noa Wildschut im Benefizkonzert

Souveräne Vorstellung in der Philharmonie: Noa Wildschut im Benefizkonzert

Zuvor noch hatte sich, weil die offizielle Agenda für ein morgenfüllendes Konzert etwas kurz geraten war, das Orchester sehr gewinnend als Alte-Musik-Ensemble konstituiert und mit schönen klangfarblichen und dynamischen Abstufungen eine kleine Purcell-Satzfolge gespielt – darunter mit dem Rondo aus der „Abdelazar“-Suite auch das Stück, dem Britten das Thema seiner Variationen entnahm.

Alles andere als staatstragend begonnen hatte das Konzert mit den Tänzen aus Thomas Adès’ Oper „Powder her Face“ von 1995, in der es um das glamourös-skandalumwitterte Leben der Margaret Campbell, Duchess of Argyll, geht. Entsprechend spektakulär entfaltet sich die Musik, mit Bigband-Sound und lasziven Posaunen-Glissandi gleich im Eröffnungsstück. Aber Vorsicht, diese Tendenz zur U-Sphäre hat einen doppelten Boden – hinter der lässigen Fassade lauert schaler Überdruss. Das umzusetzen, gelang dem Orchester ausgezeichnet – hier wurde man ob der grotesken Effekte nicht wirklich froh.

Wir sagten „Konzert für Kinder“. Noa Wildschut, die Solistin in Max Bruchs „Schottischer Fantasie“, des mittleren Werkes, ist zwar mit 17 Jahren kein Kind mehr – und in der souveränen Reife ihrer Performance schon gar nicht – , aber vom Alter des geigenden Wunderkinds nicht so weit entfernt, als dass sich die Kinder im Publikum mit der Niederländerin generationell nicht hätten identifizieren können.

Das Werk des Kölner Komponisten verarbeitet zwar schottische Volksmelodien, ist aber in seinem Geist tief deutsch-romantisch – zumal Mendelssohn scheint da immer wieder durch. Immerhin sorgen die exotischen Weisen für eine melodienselig-melancholische Grundstimmung, in die sich zumal der Solist finden muss, will er die Musik nicht verfehlen.

Bei Wildschut indes bleiben da keine Wünsche offen: Sie verfügt über ein Höchstmaß an gestalterischer Kontrolle genauso wie über jene geigerische Glut und Intensität, über jenen Farbenreichtum, der all diese Melodien erst zum Leben erweckt. Dichte, kantable Phrasenführung und -spannung, geschmackvolle Dosierung expressiver Mittel wie Vibrato und Portamento, eine (man mag es kaum noch erwähnen) makellose Technik mit fehlerfreier Intonation auch an hohen und leisen Stellen – nach dieser Vorstellung war nur ein Urteil möglich: Noa Wildschut, die zusammen mit dem Orchester für enthusiastischen Beifall mit Tschaikowskys „Melodie“ dankte, steht am Beginn einer großen Karriere.

HILFE FÜR „WIR HELFEN“

Einen Scheck über 20 000 Euro als Ertrag des Benefizkonzerts konnte Stefan Englert, Geschäftsführender Direktor des Gürzenich-Orchesters, Hedwig Neven DuMont , der Vorsitzenden von „Wir helfen“, der „Stadt-Anzeiger“-Initiative zugunsten benachteiligter Kinder in Köln und der Region, in Anwesenheit von Oberbürgermeisterin Henriette Reker während der Veranstaltung übergeben. Neven DuMont dankte für die Hilfsbereitschaft im Namen „aller Kinder, denen es nicht gut geht“. (ksta)

KStA abonnieren