Drehbuchautoren Eva und Volker A. Zahn„Uns fehlen Mitspracherechte“

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Die Drehbuchautoren Eva und Volker A. Zahn

Frau und Herr Zahn, nachdem die Drehbuchautorin Kristin Derfler ihre Verärgerung darüber öffentlich gemacht hat, dass sie als Autorin des nominierten Zweiteilers „Brüder“ nicht zur Verleihung des Deutschen Fernsehpreises eingeladen worden war, gab es eine Welle der Solidarität. Die Veranstalter lenkten schnell ein. Nun sind alle Autoren der nominierten Werke eingeladen. Ist jetzt also alles wieder gut?

Volker A. Zahn: Es ist gut, dass schnell gehandelt wurde. Auch eine späte Einsicht ist eine Einsicht. Aber letztendlich ist die skandalöse Einladungspolitik ja nur ein Symbol für die geringe Wertschätzung der Autoren innerhalb und außerhalb der Branche. Es ist gut, dass jetzt über diesen Missstand diskutiert wird, und die große Welle der Solidarität hat uns Autoren wirklich sehr gut getan.

Eva Zahn: Die Zeiten ändern sich hoffentlich. 2009 war unser Drama „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Eingeladen wurden wir erst nach mehrmaligem hartnäckigen Nachhaken, aber für mehr als einen Platz in den hinteren Reihen hat es nicht gereicht. An dem Tisch, der fürs Team eingedeckt war, gab es keinen Platz für die Autoren. Das sprichwörtliche Zurücksetzen der Autoren hat also eine lange Tradition. Jetzt war die Zeit reif. Wir sind unserer Kollegin Kristin Derfler sehr dankbar, dass sie das angestoßen hat.

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Zu den Personen

Eva und Volker A. Zahn arbeiteten nach dem Studium zunächst als Journalisten. Seit Anfang der 90er Jahre schreiben sie hauptberuflich Drehbücher. 2009 gewann das Paar den Grimme-Preis für sein Drehbuch zum ARD-Film „Ihr könnt euch niemals sicher sein“. 2014 waren sie für das TV-Drama „Mobbing“ nominiert. Ihr Drama „Das Leben danach“ über das Love-Parade-Unglück ist in diesem Jahr für den Grimme Preis nominiert. Sie leben in Köln.(amb)

Sie erleben diese Geringschätzung nicht nur bei Preisverleihungen?

Volker A. Zahn: In vielen Pressemitteilungen fehlt der Name des Autors, auf Plakaten heißt es oft „Ein Film von“ und dann steht da der Name des Regisseurs, auch Filmfestival-Programme kommen gerne mal ohne Autoren-Nennung aus. Beim Filmfest München haben einige Kolleginnen und Kollegen im vergangenen Jahr so lange protestiert, bis die Festivalleitung eingewilligt hat, ihre Politik zu ändern.

Eva Zahn: Und in den Medien setzt sich das Ganze fort. Manche Journalisten schreiben seitenlang über einen Film oder eine Serie, ohne den Autor auch nur zu erwähnen. Und manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass viele Filmkritiker gar nicht wissen, wie ein Drehbuch aussieht, da werden dann Leistungen, die eindeutig dem Autor zuzuschreiben sind, zu Großtaten der Regie umgedeutet.

Aber wenn die Solidarität so groß ist und sich alle einig sind, wie wichtig die Autoren sind, warum gibt es die beschriebenen Probleme überhaupt?

Volker A. Zahn: Man vertraut uns und unserer Vision von einer Story oft nicht. Autoren müssen ständig für ihre Geschichten kämpfen, weil Produzenten, Redakteure, Regisseure und Schauspieler meinen, ihre Vorstellungen, ihre eigenen Erlebniswelten, ihre Geschmäcker und Bedenken miteinbringen zu müssen. In vielen Fällen hat das nichts mit erwünschter konstruktiver Kritik zu tun, sondern mit Einmischung. Das Drehbuch wird nicht als eigenständiges schöpferisches Werk gesehen, sondern als Verhandlungsmasse, manchmal als Beutestück, viele Besprechungen ähneln einem Wunschkonzert der Beteiligten. Jeder Romanautor würde schreiend wegrennen.

Eva Zahn: Wenn man sich auf Augenhöhe fetzt und um das Optimum ringt, ist das alles kein Problem, wir lieben den kreativen Austausch, die harte konstruktive Diskussion. Aber in der Hierarchie stehen die Autoren eben nicht auf einer Stufe mit dem Regisseur, uns fehlen definitiv die Mitspracherechte und Entscheidungsbefugnisse, um unsere Geschichte zu schützen. Und so kann es Autoren passieren, dass sie zwei bis drei Jahre an einem Buch arbeiten, akribisch recherchieren, an den Charakteren feilen, die Dramaturgie festzurren… und dann zusehen müssen, wie ihre Arbeit einfach mal so über den Haufen geworfen wird. Im schlimmsten Fall kickt man die Autoren einfach raus und sucht sich jemand, der das schreibt, was Sender, Produktion oder Regie sich wünschen.

Streaming-Dienste sind eine neue Plattform jenseits der klassischen Fernsehsender. Hilft Ihnen das?

Eva Zahn: Die Streaming-Dienste arbeiten anders, in den USA ist der Autor der Creator und verantwortlich für eine Serie, er bestimmt, wo es langgeht, aber er hält natürlich auch seinen Kopf hin, wenn die Sache schiefgeht. Das System, das dem Autor mehr Macht gibt, scheint jedenfalls nicht ganz so übel zu sein, wenn man sich die großartigen US-Serien der letzten Jahre anguckt, oder auch die tollen Formate aus Dänemark, wie zum Beispiel „Borgen“. Die Dänen sagen: Wir vertrauen dem Autor, wir begleiten ihn, aber wir mischen uns nicht permanent ein, weil wir glauben, es besser zu wissen.

Volker A. Zahn: Die wachsende Bedeutung der Streaming-Dienste verändert die Branche. Die Position des Autors ist plötzlich ein Thema, und es tut den großen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern auch gut, dass sie sich messen müssen, dass sie spüren, dass viele Zuschauer auch was anderes sehen wollen als Krimi und Herzschmerz. Wir erzählen gerne Geschichten, und es ist ein großes Geschenk, dass da plötzlich Player im Spiel sind, die offen für Neues sind, die sich von herkömmlichen Erzählformaten absetzen wollen, die sich was trauen.

In den USA heißt es häufig „Created by“. Würden Sie sich eine ähnliche Bezeichnung auch in Deutschland wünschen?

Volker A. Zahn: Ich fände das sehr gut, aber um das auch mal klarzustellen: Wir wollen nicht die Regisseure kleinmachen oder uns auf Kosten anderer Gewerke profilieren. Film ist Teamarbeit, und die besten Filme entstehen, wenn alle an einem Strang ziehen. Nicole Weegmann, mit der wir bereits drei Filme gemacht haben, spricht auch kleine Abweichungen vom Buch noch am Set mit uns ab, nur so ist gewährleistet, dass die innere Logik der Figuren und Dramaturgie, an der wir verdammt lange feilen, gewahrt bleibt. Irgendwelche Mätzchen, die sich Regie oder Schauspieler am Set ausdenken, können eine akribisch durchkomponierte Konstruktion wie ein Drehbuch ganz schnell zum Einsturz bringen.

Sie wollen in den Entstehungsprozess intensiver einbezogen werden?

Volker A. Zahn: Ja. Es macht Sinn, dass wir beim Casting mitreden, dass wir ein Vetorecht bekommen, wenn es um die Auswahl der Regie geht, dass wir bei Leseproben mit den Schauspielern anwesend sind, dass wir zur Rohschnitt-Abnahme eingeladen werden. Wir sind gerade dabei, mit einigen namhaften Kolleginnen und Kollegen einen entsprechenden Forderungskatalog aufzusetzen, es wäre ein Bruch mit der bisherigen Praxis, aber das sind Maßnahmen, die die Sender und Produktionsfirmen keinen Cent kosten und die Qualität der Filme mit Sicherheit verbessern würden.

Sind Sie gut genug vernetzt, um langfristig etwas zu verändern?

Volker A. Zahn: Ja, sowohl über den „Verband Deutscher Drehbuchautoren“ (VDD) als auch in einer großen Gruppe von Autoren aus ganz Deutschland, die sich in den sozialen Medien organisiert hat, wir diskutieren Themen, planen Kampagnen, sprechen Firmen- oder Regie-Empfehlungen aus und warnen uns gegenseitig vor denen, die Autoren schlecht behandeln. Unsere Arbeit ist ein sehr einsamer Job, aber wir sind keine Einzelkämpfer, es wird immer schwieriger, uns gegeneinander auszuspielen.

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