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Ein Best of seiner KarriereUdo Lindenberg heizt der „Bunten Republik Köln“ ein

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Nach zwei Jahren Pandemie-Pause steht Lindenberg wieder auf der Bühne – als wäre nie etwas gewesen.

Köln – Na klar. Wir haben uns Sorgen gemacht. Um Udo. Drei lange Jahre mit der Familie nicht in Panik verfallen. Wer hält das schon aus? Und durch? Dazu diese schlimmen kleinen Botschaften aus dem Hotel Atlantic in Hamburg, wo er seit Jahren wohnt. Lindenberg als einziger Gast im Lockdown. Abgedunkelte Gänge. Kein Funken Leben.

Obendrein hören wir im Mai 2021 einen von vier neuen Songs, bei dem der Panikrocker wie selbstverständlich mit dem Tod plaudert. Und versucht, ihm noch ein paar Jahre abzuringen. Ein seltsames Lebenszeichen auf einer Platte, die sich eher unauffällig in die schier endlose Reihe seiner Best-of-Alben einfügt. „Ich hab‘ letzte Nacht geträumt, es wär‘ vorbei“, nuschelt Lindenberg. „Und der Tod stand vor der Tür, ich ließ ihn rein.“

Lindenberg beschwört die alten Zeiten herauf

Seit Freitag wissen wir. Der Deal ist geglückt. Nach der Landung aus den Weiten des Alls braucht es nur ein (!) gegurgeltes Eierlikörchen, um der leicht angerauten Stimme den Feinschliff zu verleihen. „Leute, auf die alten Zeiten, die müssen doch wiederkommen, ist doch klar“, ruft Udo seine Fans beim ersten von zwei Konzerten in der nahezu ausverkauften Lanxess-Arena entgegen.

Alles zum Thema Römisch-katholische Kirche

„Leute, das waren tausend Nächte, einsames Gelatsche durch die Hotelkorridore. Very spooky. Aber dann kamen von euch ganz viele Briefe, Brieftauben, Briefbögen, Rauchzeichen und andere Bögen. Und die haben mir gezeigt, wie intensiv unsere Verbindung ist. Mit der Panikfamilie.“

Das ist das Ende des härtesten Entzugs auf beiden Seiten, die Wiedervereinigung des „Clan der Lindianer“ in der Exzess-Arena. Was in mehr als zwei Stunden folgt, beseitigt auch die letzten Zweifel. Wie konnten wir nur so naiv sein und glauben, Lindenberg könne die Pandemie-Jahre nicht überstehen?

Atemlose Reise durch das Leben von Udo Lindenberg

Drei Jahre Entbehrung und Verzicht haben ihm nichts anhaben können. Udo ist so fit wie die Turnschuhe, in denen er sich während der Pandemie zu einsamen nächtlichen Jogging-Runden um die Alster aufgemacht hat.

Alles hört auf kein Kommando! Udo, der große Zampano inmitten des Panikorchesters und Energiequelle einer Show mit 150 Mitwirkenden, die schon deshalb kein Best of seiner langen Karriere sein kann, weil sich die Panikfamilie niemals auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner wird einigen können.

Es beginnt eine atemlose Reise mit 27 Stationen durch das musikalische Leben des Mannes, der den Deutsch-Rock erfunden hat. Von der „Honky Tonky Show“ über „Cello“ bis zum „Sonderzug nach Pankow“ bis zur „Bunten Republik Deutschland“.

Katholische Kirche, LGBTQ und Ukraine-Krieg

Zu den Höhepunkten zählen die Passagen, in denen Lindenberg sich einmischt, wie er es seit Jahrzehnten tut. Er lästert über den Zustand der katholischen Kirche („Es spukt im Kölner Dom. Wir wollen Aufklärung und Konsequenzen, stattdessen schläft der Kardinal in der Hängematte.“), feiert die LGBTQ-Bewegung und äußert sich zum Ukraine-Krieg.

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Das ist der eindrucksvollste Moment des Abends. Udo singt mit dem Kinderchor „Kids on Stage“ die fast 40 Jahre alte Hymne „Wozu sind Kriege da?“. Und „Wir ziehen in den Frieden“. „Auch wenn manche sagen, Pazifismus wäre heute naiv. Wir brauchen doch Utopien. Trotz allem Realismus dürfen wir die Utopien niemals aufgeben. Es geht um die Zukunft unserer Kinder, in der Ukraine, in Russland, in Deutschland und überall auf der Welt.“

Feuerwerk eines Lebens und Nachruf auf Tour-Manager

Das klingt weder kitschig noch abgedroschen. Weil es von einem Mann kommt, der mit 76 in der Arena mal wieder ein Feuerwerk abbrennt – es ist das Feuerwerk seines Lebens.

Und dabei auch die nicht vergisst, die die Panikfamilie schon verlassen mussten. Unter ihnen Roland „Balou“ Temme, sein Freund und Tour-Manager aus Köln, der im August 2021 gestorben ist und die großen Lindenberg-Shows auf die Beine gestellt hat. „Danke, Balou!“ ruft Lindenberg ihm nach, bevor er aus der Halle schwebt. „Du hast uns an die Orte gebracht, von denen Du überzeugt warst, dass wir dort hingehören. In die großen Stadien und Arenen.“

Goodbye Sailor. Wir sehen uns ganz bald wieder.

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