Elke Erb erhält den Büchner-PreisWendigkeit der Gedanken

Lesezeit 3 Minuten
5FA1CE0017F9F44E

Elke Erb

Darmstadt – Mit Literaturpreisen kennt sich Elke Erb aus. Die heute 82 Jahre alte, in der Eifel geborene und später in die DDR übergesiedelte Schriftstellerin wurde vor allem nach dem Mauerfall für ihre Prosa mit Auszeichnungen überhäuft. Seit Dienstag ist auch klar, sie ist Trägerin des mit 50 000 Euro dotierten Georg-Büchner-Preises und damit der wichtigsten literarischen Auszeichnung in Deutschland. Ob sie überrascht oder gar überwältigt war, behielt die 82-Jährige für sich. „Sie will keine Interviews geben“, sagte die Schriftstellerin der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt auf Anfrage.

„Sie reagierte mit sprödem Charme“, beschreibt der Präsident der Akademie, Ernst Osterkamp, die Reaktion. Sie sei natürlich überrascht gewesen. Aber: „Sie nahm die Entscheidung mit der Haltung derjenigen auf, die die Entscheidung nicht falsch finden können.“ Ihre Person, wie auch ihre Dichtung selbst beschreibt Osterkamp, der auch Mitglied der Jury ist, mit den Begriffen „Unerschrockenheit“ und „Unbeirrbarkeit“. Sie sei Leitfigur auch für jüngere Autoren. „Ihre Wirkungen sind von ungeheuerer Fortdauer.“

Anfänge in der DDR

Erb werde geehrt für ein „unverwechselbares und eigenständiges schriftstellerisches Lebenswerk, dessen Anfänge 1975 in der DDR lagen und das sich nach deren Ende unbeirrt bis in die Gegenwart fortsetzt“, so die Akademie. Es gelinge ihr „wie keiner anderen, die Freiheit und Wendigkeit der Gedanken in der Sprache zu verwirklichen, indem sie sie herausfordert, auslockert, präzisiert, ja korrigiert“. Für die „unverdrossene Aufklärerin“ sei Poesie eine „politische und höchstlebendige Erkenntnisform“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Elke Erb wurde 1938 im kleinen Scherbach in der Eifel geboren. Bereits 1949 ließ ihr Vater, der marxistische Literaturhistoriker Ewald Erb, die Familie nach Halle in die DDR nachkommen. Sie studierte Germanistik, Slawistik und Pädagogik und arbeitete in den 60er Jahren als Lektorin beim Mitteldeutschen Verlag. „Seit 1966 ist sie freiberuflich als Schriftstellerin und Übersetzerin vorwiegend aus dem Russischen tätig“, teilte die Akademie mit. Die Entscheidung für eine „völlig ungesicherte Existenz“, wie es Osterkamp beschreibt.

„Ich reagiere wie eine Windharfe und registriere deren Klänge getreu wie ein Forschungsbericht“, beschrieb Erb einmal ihre Arbeit. Ihr Werk umfasst Lyrik, Kurzprosa, prozessuale Texte und auch Übersetzungen. Sie wurde dafür unter anderem mit dem Peter-Huchel-Preis (1988), der Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medaille (1994), dem Preis der Literaturhäuser 2011 oder dem Mörike-Preis der Stadt Fellbach 2018 ausgezeichnet. Zuletzt bekam sie im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz.

Kontakt zu Friedensbewegung

Ihr Schaffen rückte Erb auch in den Blickpunkt des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Ihre ersten Bücher waren „Gutachten, Poesie und Prosa“ (1975) und „Der Faden der Geduld“ (1978), ausgewählte Texte erschienen auch im Westen. In den 80er Jahren nahm sie Kontakt zur Friedensbewegung auf und protestierte gegen die Ausbürgerung des SED-Gegners und Bürgerrechtlers Roland Jahn. Daraufhin wurde sie von der Staatssicherheit überwacht. Jahn ist seit 2011 Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Elke Erb lebt heute in Berlin und in Wuischke in Sachsen. Sie ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste und der Akademie der Künste in Berlin.

Mit dem Büchner-Preis ehrt die Akademie für Sprache und Dichtung seit 1951 Autoren, „die in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten und die an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben“. Die Preisverleihung soll am 31. Oktober in Darmstadt stattfinden. (dpa, kna)

KStA abonnieren