Erneute Antisemitismus-VorwürfeKritiker fordern Entfernung eines Documenta-Werks

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Documenta

Der Ausschnitt des umstrittenen Großgemäldes des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf dem Friedrichsplatz.

Kassel/Frankfurt – Die hessische Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) will Hinweisen auf eine antisemitische Bildsprache bei einem auf der Documenta ausgestellten Kunstwerk nachgehen. „Auch mein persönlicher Eindruck ist, dass hier eine antisemitische Bildsprache vorliegt“, erklärte Dorn am Montag in Wiesbaden.

Auf dem großflächigen Banner des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi am Friedrichsplatz ist unter anderem ein Soldat mit Schweinsgesicht zu sehen. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift „Mossad“, der Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes. 

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Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, forderte die Verantwortlichen der Weltkunstausstellung in Kassel auf, den Beitrag zu entfernen. „Das ist eine klare Grenzüberschreitung“, sagte Mendel am Montag der Deutschen Presse-Agentur. „Diese Bilder lassen überhaupt keinen Interpretationsspielraum zu. Das ist klare antisemitische Hetze.“

Alles zum Thema Frank-Walter Steinmeier

Angela Dorn sagte, sie habe deshalb Kontakt zur Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann aufgenommen mit dem Ziel, „schnellstmöglich eine Klärung herbeizuführen, gegebenenfalls auch unter Hinzuziehung von Expertinnen und Experten für Antisemitismus aus der Wissenschaft“. Die Ministerin betonte, sie rechne damit, „dass wir uns zeitnah als Gesellschafter der documenta gGmbH in einer Sondersitzung mit den Ergebnissen befassen werden“.

Roth spricht von antisemitischer Bildsprache

Dorn unterstrich: „Ich habe immer gesagt, dass antisemitische Ressentiments und Antisemitismus auf der documenta nicht zum Ausdruck kommen dürfen.“ Das hätten auch die Macher der Ausstellung und das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa immer wieder betont.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erklärte in Berlin: „Das ist aus meiner Sicht antisemitische Bildsprache.“ Hier finde Kunstfreiheit ihre Grenze. „Die Menschenwürde, der Schutz gegen Antisemitismus, wie auch gegen Rassismus und jede Form der Menschenfeindlichkeit sind die Grundlagen unseren Zusammenlebens“, unterstrich sie. Die Documenta müsse das umgehend gegenüber den Kuratoren und Künstlern deutlich machen und Konsequenzen ziehen.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland übte scharfe Kritik an Künstlern der documenta. „Entgegen aller Zusicherungen wurden auf der documenta fifteen eindeutig antisemitische Motive in einem Werk des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi verwendet“, beklagte der Zentralrat in Berlin.

Zentral der Juden wirft Leitung Versagen vor

Das Gremium bedauerte „gleichermaßen den Antisemitismus der Künstler wie die mangelnde Verantwortung der Ausstellungsmacher“. Die Leitung der Documenta habe offensichtlich versagt. „Es zeigt sich, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus aufseiten der Documenta nicht stattgefunden hat“, heißt es in der Stellungnahme.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wies wiederum Kritik an Bedenken zurück. „Es spielt jedoch keine Rolle, woher Künstler stammen, die Antisemitismus verbreiten. Kunstfreiheit endet dort, wo Menschenfeindlichkeit beginnt“, sagte Schuster. „Auf der Documenta wurde diese rote Linie überschritten. Die Verantwortlichen der Documenta müssen jetzt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und Konsequenzen ziehen“, verlangte er.

Kritik auch vom Antisemitismus-Beauftragten

Am Samstag hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die 15. Documenta in Kassel mit deutlicher Kritik an Veranstaltern und Kuratoren eröffnet. „Es fällt auf, wenn auf dieser bedeutenden Ausstellung zeitgenössischer Kunst wohl keine jüdischen Künstlerinnen oder Künstler aus Israel vertreten sind“, sagte Steinmeier.

Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) äußerten am Wochenende scharfe Kritik. Die alle fünf Jahre stattfindende Documenta wird in diesem Jahr erstmals von einem Künstlerkollektiv aus dem globalen Süden verantwortet.

Volker Beck schaltet Staatsanwaltschaft ein

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Volker Beck, hat einem Medienbericht zufolge die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Beck sagte zur „Bild“-Zeitung mit Blick auf das Bild eines Schweins mit Davidstern: „Gemessen an den Maßstäben des Urteils des Bundesgerichtshofs zur Wittenberger 'Judensau' stellt das Werk des Künstlerkollektivs Taring Padi einen rechtsverletzenden Zustand dar.“

Beck weiter: „Durch die Darstellung von Juden- und Mossad-Säuen wird unmittelbar auch der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen. Die Identifizierung eines Juden mit Kippa und Hut, markiert mit einer SS-Rune, verteufelt Juden generell.“ Er habe sich entschieden, „die Sache der Staatsanwaltschaft in Berlin und Kassel zur Prüfung vorzulegen“, so Beck.

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