Abo

Erzbistum KölnBonner Universität bezweifelt Sinn von Woelkis Hochschule

Lesezeit 7 Minuten
Protestaktion vor der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (Archivbild)

Protestaktion vor der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (Archivbild)

Herr Professor Sautermeister, die Uni Bonn ist stolz auf ihren Status als „Exzellenz-Universität“. Wie ist die katholische Theologie daran beteiligt? Jochen Sautermeister: Die Katholisch-Theologische Fakultät ist eng in die Exzellenz-Strategie und deren Erfolg eingewoben – etwa durch die Beteiligung an einem Exzellenzcluster oder die Mitwirkung in verschiedenen transdisziplinären Forschungsbereichen, dem Herzstück der Exzellenzstrategie.

Die Frage, ob die Theologie überhaupt etwas an einer staatlichen Universität zu suchen hat, scheint für die Uni Bonn beantwortet.

Wir haben durch die volle Unterstützung des Rektorats und der anderen Fakultäten wirklich ausgezeichnete Bedingungen. Eine solche Wertschätzung für die Theologie ist in der Tat keineswegs selbstverständlich.

Alles zum Thema Erzbistum Köln

Woher rührt diese Wertschätzung?

Aus der Einsicht, dass die theologischen Wissenschaften, die mit unterschiedlichen Zugängen Sinnfragen reflektieren, genuin ihren Platz an der Universität haben. Ohne die Theologie würde der Universität etwas fehlen, nämlich das Suchen nach grundlegenden Orientierungen und Verantwortung, eingebunden in die Beschäftigung mit existenziellen Fragen von Sinn, und zwar nicht allein aus allgemein philosophischer Sicht, sondern einer religionsintern-kritischen und produktiven Perspektive, die einzelwissenschaftliche Zugänge übersteigt.

Trotz Exzellenz gibt es Zweifel an der Existenz, am Weiterbestehen der theologischen Fakultäten insgesamt. Ersten Anlass dazu geben ständig sinkende Studierendenzahlen.

Diese Entwicklung macht uns natürlich nachdenklich. Die klassischen Berufsfelder für Theologinnen und Theologen – Seelsorge, Religionsunterricht – sind nicht gerade Wachstumsmärkte. In Bonn gehen wir daher mit der Errichtung neuer Bachelorstudiengänge in interdisziplinärer Ausrichtung zusätzlich neue Wege. Damit eröffnen wir Menschen, die sich für Theologie interessieren, ein breiteres Spektrum und eine bessere Aufstellung für ihren Berufsweg. Das Interesse daran ist jetzt schon sichtbar. Ich denke etwa an Kombinationen der Theologie mit Wirtschaft oder Medienwissenschaften. Im Übrigen haben wir allein an der Uni Bonn derzeit mehr als 400 Studierende. Über einen Kooperationsvertrag mit der Universität zu Köln, wo wir ebenfalls mit einem Lehrumfang von drei Professuren in die Lehre eingebunden sind, kommen noch einmal mehr als 900 Studierende hinzu. Das ist dann, finde ich, schon eine Hausnummer.

Trotzdem taucht Bonn in den Plänen der Bischofskonferenz für die Neuordnung der theologischen Landschaft als künftiger Ausbildungsstandort nicht auf.

Die Fusionsüberlegungen der Bischöfe, der sich nicht alle Bistümer angeschlossen haben, betreffen ja die Priesterausbildung, nicht die Fakultäten an sich. Aber auch da kann man fragen, ob die Konzentration auf einige wenige Orte der einzig richtige Weg ist, oder ob nicht vielmehr die Regionalität gestärkt werden müsste, wie hier im Erzbistum Köln, damit die Priesteramtskandidaten schon im Studium gemeinsam mit denjenigen unterwegs sind, die später als Pastoralreferentinnen oder Religionslehrer enge Kooperationspartner sein werden. Übrigens werden die theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten als Orte des Gesprächs von Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft auch über die Priesterausbildung hinaus von der Bischofskonferenz geschätzt.

Kritiker der von Kardinal Rainer Woelki protegierten „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT) sagen, dieses rein kirchliche Institut stelle eine unmittelbare Bedrohung für die Bonner Fakultät dar. Sollte der Kardinal die angehenden Priester künftig in Köln ausbilden lassen, würde der Fakultät das Wasser abgegraben.

Die Rechtslage ist eindeutig. Das Preußische Konkordat, ein völkerrechtlich bindender Vertrag mit dem Heiligen Stuhl, der hier auch für das Land NRW gilt, bestimmt die Universität Bonn als den Ausbildungsstandort für Geistliche. Unsere Fakultät ist gemäß dem Konkordat somit auch die Fakultät des Erzbistums.

Wer zahlt denn dafür?

Die Fakultät als Teil der Universität wird komplett aus universitären Mitteln und damit vom Staat finanziert. Sie kostet das Erzbistum also keinen einzigen Cent. Bei jährlichen Gesamtkosten von geschätzt neun Millionen Euro ist das eine indirekte Entlastung der Kirchenkasse in gewaltigem Umfang. Gerade angesichts der jüngsten Austrittszahlen und des absehbaren massiven Einbruchs der Kirchensteuereinnahmen müsste es der Bistumsleitung und den für die Finanzplanung zuständigen Gremien sehr entgegenkommen, dass für das Theologiestudium kein eigener Kostenpunkt nötig ist.

Und die Gefahr, dass der Staat seinerseits Einsparpotenziale sucht und dabei auf die Fakultät stößt, sehen Sie nicht?

Landesregierung und Universität stehen zu den Bestimmungen des Konkordats. Der Bestand der Fakultät wird ohne Wenn und Aber bejaht, mehr noch: sie wird sogar vom Rektor sehr gefördert und ist sogar um zwei neue Professuren gewachsen.

Inwiefern ist die Fakultät, wie Sie sagen, auch Fakultät des Erzbistums, wenn Sie andererseits betonen, dass die Fakultät an der staatlichen Universität angesiedelt und damit ja kirchenunabhängig ist?

Für studien- und prüfungsrechtlichen Angelegenheiten und Fragen, die die Ordnung der Fakultät und die Professuren betreffen, ist kirchlicherseits das Erzbistum Köln zuständig. Die Verbindung ergibt sich neben der Zuständigkeit für die universitäre Theologen- bzw. Priesterausbildung qua Konkordat aber auch daraus, dass in Bonn die meisten Männer und Frauen Theologie studiert haben, die später im Erzbistum tätig sind. Mitarbeitende der Fakultät sind überdies in vielfältiger Weise im Erzbistum Köln engagiert. Auch insofern ist die besagte Verbindung aus meiner Sicht völlig selbstverständlich.

Kardinal Woelki begründet den Aufbau der KHKT mit dem Wunsch nach Vielfalt theologischer Perspektiven und Dialog mit der säkularen Gesellschaft. Dagegen kann im Grunde niemand etwas haben.

Die Einbindung der Theologie in den interdisziplinären Dialog und den gesellschaftlichen Diskurs ist etwas ganz Entscheidendes. Dies geschieht an der Universität. An unserer Fakultät spiegeln sich eine Vielfalt theologischer Perspektiven und verschiedene Weisen des Dialogs wider. Hier sind die Räume für Forschung, um grundlegende Fragen anzugehen und große gesellschaftliche Probleme zu lösen, und Räume für das Gespräch der Theologie mit anderen Wissenschaften und der Gesellschaft. Auch deshalb macht die Verankerung der Theologie an der Uni absolut Sinn.

Die KHKT ist demzufolge überflüssig?

In Deutschland gibt es – ohne die KHKT – gegenwärtig insgesamt 18 Katholisch-Theologische Fakultäten. Angesichts langfristiger finanzieller Verbindlichkeiten der KHKT wäre es daher umso wichtiger, dass Bedarf sowie spezifische Ausrichtung und Zielsetzung klar erkennbar sind.

Der Priesterrat des Erzbistums hat sich mit einem knappen, nicht verbindlichen Votum gegen Köln und für Bonn als künftigen alleinigen Sitz des Priesterseminars ausgesprochen. Wie haben Sie auf diese Entscheidung Einfluss genommen?

In der Sitzung des Priesterrats sollten sowohl die Bonner Fakultät als auch die KHKT ihre Arbeit und ihren Beitrag zum Theologiestudium vorstellen. Als Dekan habe ich die Fakultät und ihre konkrete Verzahnung mit der Priesterausbildung vorgestellt. Dabei habe ich unter anderem betont, dass an der Bonner Fakultät mit ihren Studiengängen Menschen gemeinsam Theologie studieren, die später in unterschiedlichen Berufen als Theologinnen und Theologen zusammenarbeiten werden. Der frühzeitig beginnende Austausch auf einem gemeinsamen Studienweg ist sehr förderlich für das spätere Gelingen der pastoralen Zusammenarbeit. Und ich denke da nicht nur an das Studium im engeren Sinne, sondern auch an das, was um die Lehrveranstaltungen herum geschieht, an studienbegleitende Aktivitäten und auch an gemeinsame Gottesdienste. Für die Persönlichkeitsbildung von Priesterkandidaten ist daher die Universität mit ihren vielfältigen Begegnungsmöglichkeiten der passende Ort. Hier kann man sich nicht abschotten und einigeln.

Weniger Bunkermentalität und Kirchenmief?

Ich formuliere es positiv: Offenheit für die Lebenswirklichkeiten der Menschen, für die Vielfalt von Sichtweisen und Fragestellungen in einer pluralen Gesellschaft. Kirche ist immer ein Teil der Gesellschaft. Kirchliches Handeln und Evangelisierung gelingen nur im Dialog mit anderen Menschen, Kulturen und anderen Wissenschaften. Eingebunden in die Universität wird das an unserer Fakultät sichtbar; bei uns wird dieser Dialog aus der Theologie heraus praktiziert.

Tut die Bonner Theologie eigentlich auch etwas, um dem Problem des Missbrauchs in der Kirche entgegenzuwirken?

Wir haben zum Beispiel ein eigenes Studienmodul „Ohnmacht – Macht – Missbrauch“ eingeführt, das sich auch mit den systemischen Bedingungen für sexuellen Missbrauch auseinandersetzt. Und vor wenigen Monaten wurde das „Institut für Prävention und Aufarbeitung (IPA)“ zum An-Institut der Universität Bonn, das mit seiner Arbeit zu Aufarbeitung und Prävention nicht nur in die Kirche, sondern auch in die Gesellschaft hineinwirkt. Die Katholisch-Theologische Fakultät ist ein enger Kooperationspartner des IPA.

Das könnte Sie auch interessieren:

Sollte Kardinal Woelki sich über das Votum des Priesterrats hinwegsetzen und das Priesterseminar doch in Köln ansiedeln, wäre das nicht der kalte Garaus für die Priesterausbildung in Bonn, weil die Seminaristen bestimmt lieber die paar Kilometer nach Lindenthal radeln als nach Bonn pendeln werden?

Bonn ist, wie gesagt, gemäß dem Konkordat der Ort der theologischen Ausbildung für Geistliche. Warum sollte man die Studenten von Köln nach Bonn fahren lassen wollen und den starken Standort Bonn schwächen? Das bedürfte dann einer sehr guten Begründung. Abgesehen vom wirtschaftlichen Aspekt, dass die Bonner Fakultät der Kirche keine finanziellen Kosten bereitet, würde ich mich aus der Perspektive der Studierenden fragen: Welche überzeugenden Gründe gibt es überhaupt, das Priesterseminar bei einer Zusammenlegung der Ausbildungshäuser nicht in Bonn anzusiedeln?

Jochen Sautermeister, geb. 1975, ist Professor für Moraltheologie und Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. 

KStA abonnieren