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Falltüren in Theorieverliese

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„The Bluff of the Virgin Mary (2018)“ von Jan Fabre

„The Bluff of the Virgin Mary (2018)“ von Jan Fabre

Als die Art Düsseldorf im letzten Jahre Premiere feierte, schielte Daniel Hug mit bangem Herzen auf die neue Konkurrenz. Er sah in ihr einen Angriff auf seine Art Cologne und soll dann vor Ort ziemlich erleichtert gewesen sein: Statt durch Luxusbauten schlenderte er über eine ganz normale Kunstmesse. Gut gemacht, aber mitnichten eine Gefahr. Anders als von Hug befürchtet, hatte die mit viel Getöse in Düsseldorf eingestiegene Messe Schweiz, Muttergesellschaft der Art Basel, nicht geklotzt, sondern gekleckert – und sich selbst damit etwas übernommen. Mittlerweile verkündeten die Basler, ihre Anteile an der Art Düsseldorf wieder verkaufen zu wollen. Hugs Laune dürfte es nicht gerade geschadet haben, zumal die Sammler bei der Düsseldorfer Premiere noch etwas schüchtern waren.

Diese Zurückhaltung hat das Publikum bei der zweiten Ausgabe abgelegt; bereits in den ersten Stunden der zweiten Art Düsseldorf drängelten sich die Besucher beinahe so zahlreich wie auf der Art Cologne. Zwar hinkt der Vergleich insofern, als die Düsseldorfer Messe mit 91 Ausstellern nicht einmal halb so viele Teilnehmer zählt wie die Kölner und man sich im Areal Böhler, einer ehemaligen Fabrikhalle, schwerlich zwischen den Gängen verirren kann. Aber der erste Eindruck zeigt: Diese Messe steht auf eigenen Beinen und läuft auch ohne Beistand aus der Schweiz.

Nach der gelungenen Vorjahrespremiere hat Messechef Walter Gehlen die Art Düsseldorf etwas vergrößert, ohne an deren Konzept zu rühren. Weiterhin bilden Galerien aus dem Rheinland den Kern der Messe, hinzu kommen zahlreiche Händler aus der „Region“, also aus den Beneluxländern und Berlin, was auf dem Kunstmarkt anders als am Obst- und Gemüsestand kein Etikettenschwindel ist. Und damit bloß niemand auf die Idee kommt, die Art Düsseldorf sei provinziell, sorgen über die Messe verstreute Galerien aus New York, London oder Athen für internationales Flair.

Aus New York ist etwa Marc Straus gekommen. „Eine lange Reise“, sagt der Galerist, „aber wir waren auch schon länger unterwegs.“ Als häufiger Gast in Brüssel kennt Straus die „Region“ und wurde durch den Ruf der rheinischen Sammler nach Düsseldorf gelockt. Im Gepäck hat er Werke des texanischen Malers Otis Jones, der gerade, im Alter von 70 Jahren, einen späten Durchbruch in den USA erlebt. Jones behandelt schmutzig-graue Leinwandstoffe mit Sand und setzt dann einzelne Farbpunkte darauf: Minimalismus im Wüstenstil.

Bei Sorry We’re Closed war die Anreise schon kürzer. Die Brüsseler Galerie hat verspielt-primitive Skulpturen des Berliner Künstlers Stefan Rinck dabei, dazu Gesichtsmasken von Eric Croes, die eigentlich Vogelhäuser sind, und einen ähnlich urwüchsigen Teppich von Yann Gerstberger, der nicht gewoben ist, sondern vom Künstler aus Stofffetzen geklebt wurde. Eine andere Brüsseler Galerie, Albert Baronian, präsentiert ein großformatiges Malen-nach-Zahlen-Gemälde von Leen Voet. Anscheinend ist bei unseren Nachbarn gerade angesagt, sich mit Raffinesse naiv zu stellen.

Am Doppelstand der Kölner Galeristen Priska Pasquer und Philipp von Rosen würde man mit dieser Geisteshaltung nicht weit kommen. Hier ist die Kunst ein intellektuelles Spiel mit Falltüren in Theorieverliese. Trotzdem oder gerade deswegen lohnt sich der Besuch: Von Rosen zeigt bildunwürdige Straßenszenen von Koen van den Broeck, die dieser nach Fotografien malt. Die Suche nach aufreizend nichtssagenden Motiven überlässt er dabei absichtlich dem Apparat, seine künstlerische Freiheit findet er darin, Asphalt ein wenig trister zu malen als dieser ohnehin schon ist. Daneben wirkt Ulrike Rosenbachs graues Selbstbildnis mit Elvis schon beinahe frivol: 1969 nahm sich Rosenbach die feministische Freiheit heraus, Andy Warhols ikonisches Elvis-Bild als Cowboy mit gezückter Waffe in ein Duell der Geschlechter zu verwandeln. In Paris, so Pasquer, habe Brigitte Macron, Gattin des französischen Präsidenten, ihre Rosenbachs ausgiebig bewundert – so viel Prominenz hatte selbst die Königsallee zur Eröffnung nicht zu bieten.

Aber das ist das einzige wirkliche Manko der Art Düsseldorf. Die Mischung aus (wenigen) internationalen Großgalerien, deutschem Mittelstand und jungen Händlern stimmt für eine Kunstmesse dieses Zuschnitts, zumal Gehlen die Teilnehmerzahl nicht auf Kosten der Qualität erhöhte. Ansonsten gilt weiterhin, was hier schon vor einem Jahren stand: Die Art Düsseldorf erfindet den Kunstmarkt weder neu noch gräbt sie der Art Cologne die Sammler ab. Am Ende könnte die neue Konkurrenz das Geschäft vielmehr für alle beleben, weil das Rheinland mit ihr ein weiteres Mal ins vorteilhafte Licht der Kunst rückt.

INFOS

Art Düsseldorf, Areal Böhler, Hansaallee 321, Düsseldorf, Fr. 12-19 Uhr, Sa.-So. 11-19 Uhr, 16. bis 18. November. Eintritt: 25 Euro/ 20 Euro ermäßigt.

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