Ferienzeit ist LesezeitDie besten Bücher für den Sommerurlaub

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Köln – Die Sommerferien sind da und damit auch endlich Zeit, mal wieder zu lesen. Wir geben Literaturtipps für die Ferien. 

„Der große Sommer“

Ein gutes Buch für den Sommerurlaub muss nicht unbedingt in den Sommerferien spielen – aber es schadet auch nicht. Ewald Arenz’ hat mit seinem Roman „Der große Sommer“ jenen sechs Wochen ein Denkmal gesetzt, nach denen sich jeder Jugendliche sehnt. Frieder hingegen hadert zu Beginn mit den Ferien. Weil er in die Nachprüfung muss, darf er nicht mit den Urlaub fahren, sondern bleibt bei den Großeltern. Ein zauberhafter, kluger Roman über Freundschaft, die erste Liebe, die Zukunft und den Tod. Das alles gibt es jetzt auch in der Taschenbuch-Ausgabe und passt somit perfekt in jeden Koffer. (amb)

Ewald Arenz: „Der große Sommer“, DuMont, 320 Seiten, 12 Euro.

„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“

Seien wir ehrlich, wir sollten Hochstapler wegen ihrer Lügen verurteilen, aber insgeheim lieben wir sie. Es ist kein Zufall, das sie sich zuhauf in der Weltliteratur tummeln. Maxim Leo hat nun einen weiteren, wunderbaren Vertreter dieser Spezies ins Rennen geschickt: Michael Hartung ist ein erfolgloser Videothek-Besitzer in Berlin, der in den 80ern in Ost-Berlin als Bahnmitarbeiter durch ein Versehen eine Weiche umstellte und einen S-Bahnzug in den Westen schickte. Doch ein Journalist macht ihn 2019 zum Freiheitskämpfer und Helden – mit ungeahnten Folgen. (amb)

Maxim Leo: „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“, Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 22 Euro.

„Yoga“

Als „ heiteres, feinsinniges Büchlein“ hatte Emanuel Carrère seinen neuen Roman „Yoga“ geplant. Es sollte anders kommen. Dabei liest sich seine autofiktionale Erzählung über Meditation und Spiritualität zu Beginn so klug wie anregend. Dann aber reißt der Tod eines Freundes beim Anschlag auf Charlie Hebdo den Erzähler aus der seligen Innerlichkeit eines Yoga-Retreats.

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Es folgt ein psychischer Zusammenbruch und die Diagnose bipolare Störung. Nein, eine heitere Lektüre ist „Yoga“ nicht unbedingt. Doch Carrère ist ein furioser Roman über die schwindelerregende Nähe von Leid und Herrlichkeit gelungen. (fho)

Emmanuel Carrère: „Yoga“, Matthes und Seitz, 328 Seiten, 25 Euro.

„Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“

Bescheidenheit ist keine Tugend für den Archäologen David Wengrow und den viel zu früh verstorbenen Ethnologen David Graeber: Nichts weniger als eine neue Menschheitsgeschichte wollen die beiden in „Anfänge“ erzählen. Mit kenntnisreichen Anekdoten über indigene Gesellschaften, vor allem aus Nordamerika, wollen Wengrow und Graeber zeigen: die sozialen Strukturen in die wir uns fügen, sind alles andere als selbstverständlich. Abseits von Europa gab es immer Gesellschaften, die egalitärer und freier organisiert waren. (fho)

David Graeber und David Wengrow: „Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“, Klett-Cotta, 672 Seiten, 28 Euro.

„Der endlose Sommer“

Madame Nielsens schmaler Roman „Der endlose Sommer“ fühlt sich an wie ein verdöster Tag am Meer: In gewunden-hypnotischen Sätzen schildert die dänische Performance- und Lebenskünstlerin die erotischen und intellektuellen Verstrickungen einer kleinen Gruppe aus zarten Jünglingen, jungen Mädchen, aufbäumenden Ehefrauen und sexy portugiesischen Brieffreunden. Das wirkt, als hätte der große französische Konversationsregisseur Eric Rohmer Marcel Prousts schönstes Ferienerlebnis mit reichlich Vaseline vor der Linse verfilmt, ziemlich toll also. (cbo)

Madame Nielsen: „Der endlose Sommer“, Kiepenheuer&Witsch, 192 Seiten, 18 Euro 

„Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“

Falls Ihr Urlaub mit Ärger über ausgefallene Flüge oder verspätete Bahnen beginnt, ist Andrea Wulfs Ideen- und Abenteuergeschichte „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ genau die richtige Lektüre, um die Dinge wieder ins Lot zu setzen: Wie die reine Wissbegier den letzten Universalgelehrten jeden Vulkan herauf und jeden Flusslauf hinunter trieb, wie ihn seine entbehrungsreiche Datensammlung zum heute hochaktuellen holistischen Bild einer Natur, in der alles mit allem zusammenhängt, geführt hat, das kann man hier nachlesen und staunen. (cbo)

Andrea Wulf: „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“, Penguin, 560 Seiten, 18 Euro

„Wiener Straße“

Eigentlich mache ich einen Bogen um Satiren auf den modernen Kunstbetrieb. Spott und Häme liegen dabei so nahe, dass sich fast niemand mehr die Mühe macht, die hohlen Klischees mit Leben auszupolstern. Auch Sven Regener schickt allerlei Hochstapler, Bauernfänger und Poseure auf die „Wiener Straße“, aber eben keine Witzfiguren. Selbst der traurigsten Künstlerkollektiv-Gestalt im Berlin des Jahres 1980 lässt er die Würde des Verzweifelns, denn Künstler wissen selbst am besten, dass sie nicht wissen, was sie tun. Über diesen Abgrund des Lächerlichen muss auch alle gute Kunst. (KoM)

Sven Regener: „Wiener Straße“, Kiwi, 304 Seiten, 22 Euro

„Eva und Adam“

Hätte Eva ihren Adam nicht mit der verbotenen Frucht gefüttert, müssten wir jetzt nicht Schlange für den Sommerurlaub stehen. Statt von fernen Ferienparadiesen zu träumen, lebten wir in ihnen, und Gott sei Dank wäre alles inklusive. Auch deswegen ist Kurt Flaschs Abhandlung über „Eva und Adam“ hochaktuell, auch wenn sie schon fünf Jahre auf dem Buchrücken hat. Der Experte für mittelalterliche Philosophie erzählt die Schöpfungsgeschichte konsequent aus weiblicher (nicht feministischer) Perspektive und lässt uns von einem geradezu unheiligen Baum der Erkenntnis naschen. (KoM)

Kurt Flasch: „Eva und Adam“, C.H. Beck, 134 Seiten, 18,95 Euro 

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