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Festival PoeticaStimmen der Weltliteratur zu Gast in Köln

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Poetica-Kuratorin Uljana Wolf. 

Köln – Gerade jetzt! Gerade in diesen kriegerischen Zeiten, meint Uljana Wolf, ist ein Festival wie die Kölner Poetica ein wichtiges Angebot. Denn Gedichte sind für die Berliner Schriftstellerin und Übersetzerin „gesellschaftspolitisch aktive Gebilde“, weil sie die Sprachskepsis schüren, neue Zusammenhänge herstellen und in überraschende Zwischenräume blicken lassen. Lyrik stehe in der Mitte der Gesellschaft: „Sie verdient nicht nur in dieser, aber ganz besonders in dieser Zeit Gehör.“

Uljana Wolf, die im März für ihren Essay-Band „Etymologischer Gossip“ (Kookbooks) mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, kuratiert das „Festival für Weltliteratur“, das von der Kölner Universität  gemeinsam mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung veranstaltet wird.

Unter dem Titel „Sounding Archives“ geht es in dieser Woche vor allem um Klänge, Erinnerungen und dokumentarische Materialien im Gedicht („Docupoetry“). Dazu hat Uljana Wolf zehn internationale Künstler nach Köln eingeladen – und zwar bereits Anfang 2021. Das Konzept stand also schon vor Putins Überfall fest. Obwohl also kein Gast aus der Ukraine auf der Bühne steht, ist sie sicher, dass die Poetica zum Krieg eindeutig Stellung beziehen wird.

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"Es wäre falsch, russische Stimmen auszuschließen"

Eingeladen ist auch die Russin Maria Stepanova, von der am 16. Mai der Gedichtzyklus „Mädchen ohne Kleider“ (Suhrkamp) erscheinen wird.

Die Schriftstellerin und Übersetzerin wegen Putins Angriffskrieg wieder auszuladen, war für Uljana Wolf keine Option: „Ich bin davon überzeugt, dass ein genereller Boykott oder eine Vereinheitlichung von allem Russischen nicht gut ist. Man muss genau hinschauen, was die Autorinnen und Autoren schreiben.“ Maria Stepanova sei eine sehr widerständige Autorin, die in ihrem Werk den Blick auf die Versehrungen in der postsowjetischen Gesellschaft lenke. Solche Texte müsse man wahrnehmen, um den „furchtbaren russischen Nationalismus“ zu begreifen. „Es wäre ganz falsch, gerade jetzt solche Stimmen auszuschließen.“

Das gilt gewiss auch für die Belarussin Swetlana Alexijewitsch, die 2015 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Stimmen derer zu sammeln, die gemeinhin nicht zu Wort kommen. Auf der Poetica wird sie aus „Secondhand-Zeit – Leben auf den Trümmern des Sozialismus“ (2013) lesen.

An der Aktualität des Buches ist nicht zu zweifeln: „Im Grunde sind wir Menschen des Krieges. Immer haben wir entweder gekämpft oder uns auf einen Krieg vorbereitet.“ Etwas anderes kenne der „homo sovieticus“ nicht. „Darauf ist unsere Psyche ausgerichtet. Auch im friedlichen Leben war alles militärisch organisiert.“

Drei Highlights aus dem Poetica-Programm

„Sounding Archives“ Große Auftaktveranstaltung: Unter anderem stellt Kuratorin Uljana Wolf  Konzept und Mitwirkende des Festivals vor. Universitäts-Aula I und II, 2. Mai, 19 Uhr. Eintritt frei.    „Die Stimmen aber bleiben“ Die Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch liest aus ihrem Buch „Secondhandzeit“ und spricht mit der Übersetzerin Katharina Narbutovic. Universitäts-Aula II, 3. Mai, 19 Uhr. Eintritt 15 und 8 Euro.     „Sonic Autobiographies“ Die Londoner Klangkünstlerin Ain Bailey lädt ein zum öffentlichen Workshop mit Autorinnen und Autoren der Poetica (auf Englisch). Kunsthochschule für Medien, 5. Mai, 14 Uhr. Eintritt frei. www.poetica.uni-koeln.de

Die meisten Teilnehmenden der Poetica sind in Köln die ganze Woche über an verschiedenen Orten und in wechselnden Kombinationen präsent. Viele von ihnen zeichnet aus, dass sie in mehreren Disziplinen aktiv sind. Das gilt nicht zuletzt für die Lyrikerin und Bildende Künstlerin Cecilia Vicuña (USA/Chile). Sie wurde soeben auf der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen für das Lebenswerk ausgezeichnet und wird gleich nach dem Kölner Auftritt zu ihrer ersten Solo-Ausstellung im Guggenheim in New York eilen.

Außerdem sind auf der Poetica dabei: die 2020 mit dem National Book Award der USA geehrte Don Mee Choi (USA), Yan Jun (China), Mihret Kebede (Äthiopien), Valzhyna Mort (Belarus), Fiston Mwanza Mujila (Kongo/Österreich), Carlos Soto-Román (Chile), Anja Utler (Deutschland) sowie die Soundkünstlerin Ain Bailey (Großbritannien), die den Raum vom Wort zum Klang öffnen wird. Diese starke Besetzung soll für den Energieschub sorgen, den sich Uljana Wolf vom Festival erhofft.

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