Frauenverachtende ÄußerungenWarum wir Wolfgang Joop verzeihen sollten

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Wolfgang Joop 

Köln – Hätte man Wolfgang Joop doch nur nicht nach Karl Lagerfeld gefragt! Jetzt hat der Modedesigner einen Riesen-Shitstorm am Hals, nur weil er allzu eifrig in die Fußstapfen von King Karl treten wollte. „Mode als böser Spaß“, das, erzählte Joop dem „Spiegel“, sei mit Lagerfelds Tod zu Ende gegangen. Um dann – formbewusst aufgejazzt – eine dekadente Luxus-Gesellschaft heraufzubeschwören, in deren verderbten Glanz er sich, oder wenigstens sein jüngeres Ich,  zu sonnen beabsichtigte.

Die Presse sei unter der Regentschaft Karls des Großen mit Nerzmänteln bestochen worden, fabulierte Joop.  Alles sei käuflich gewesen in dieser Welt „so wunderbar frivol und frigide“: „Die Agenturen gaben die Schlüssel zu den Zimmern der Models, die nicht so viel Geld brachten, an reiche Männer. Und wenn sich ein Mädchen beschwerte, hieß es: Wir können auch auf dich verzichten.“

Die unschöne Wahrheit

So weit, so böse. Schlimm, wenn es so war. Widerlich. Wahrscheinlich auch realistisch. Und muss jemand, wenn er  die unschöne Wahrheit erzählt, dies denn zwingend im Ton moralischer Entrüstung tun?

Die liefern dann pflichtgemäß die beiden (männlichen) „Spiegel“-Interviewer nach: „Das ist doch fürchterlich!“ Was Joop mit einem knappen „Ja“ bestätigt und dann leider ein „Aber“ folgen lässt:  „Aber wirklich schön ist die Modewelt nur, wenn es auch die Sünde gibt.“

Da war er, der Shitstorm. Völlig zurecht übrigens. Missbrauch ist Missbrauch und Vergewaltigung Vergewaltigung. Da haben theologische Konzepte nichts zu suchen. Wobei Joop mit „Sünde“ ja sowieso nur den Kitzel des Verbotenen, Verruchten gemeint hatte. Was die Aussage nur noch falscher macht.

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Prompt musste der Modemacher zurückrudern: Ja, seine Aussage zur Sünde in der Modewelt sei im Kontext deplatziert gewesen. Allerdings habe er nur mit drastischen Worten „auf die Korruption und Frivolität der Siebziger- und Achtzigerjahre der Branche“ hingewiesen,  und deren Bestandteil sei „bedauerlicherweise auch der respektlose und missbräuchliche Umgang mit Models“ gewesen.

Na ja, „aufmerksam machen“, das ist eine vergleichsweise schwache Formulierung. Er wollte sich in der Korruption und Frivolität seiner eigenen Glanztage suhlen. Man möchte Herrn Joop  mehr Mitgefühl wünschen, auch wenn sein Gesicht das nicht mehr zeigen kann.

Verstecketer Lagerfeld-Diss

Aber ich will auch nicht verschweigen, dass sein Interview über weite Strecken höchst amüsant zu lesen ist, in seiner bemühten Bösartigkeit. Wie er Karl Lagerfeld – der als Modeschöpfer in einer ganz anderen Liga spielte,  und dies seinen jüngeren Kollegen mit Sicherheit auch bei jeder Gelegenheit wissen ließ –  als Blender dastehen lässt („Bei Lagerfeld gab es nur Inszenierung“).  Oder wie er sich gleich selbst die erwartbare Frage stellt, was man heute trage, um auf diese Weise zu einer echt Lagerfeld’schen Sottise zu gelangen: „Ich kann vor allem sagen, was man nicht gerne trägt: schlechtes Gewissen.“

Dann sollte Wolfgang Joop so konsequent sein und sich auch selbst keines anziehen. Er ist jetzt 77 Jahre alt und er hat lange genug darauf warten müssen, aus Lagerfelds langem Schatten heraustreten zu können. Derzeit verkauft Joop eine Bettwäsche-Kollektion bei Lidl. Wie schneidert man eigentlich Spannbettlaken und Wohndecken? Spaß macht das sicher keinen. Kein Wunder, dass er sich nach Sünde sehnt.

Wortgewandte Giftspritze

Denn als Gelegenheitskolumnist und wortgewandte Giftspritze ist Wolfgang Joop immer noch Haute Couture, ein Meister des Abwatschens und der Selbststilisierung. Dass die 1990er schon ein Weilchen vorbei sind und man dieser Tage mit ehrlicher Empathie weiter kommt, als mit fröhlichem Zynismus kann ihm ja bei Gelegenheit eine seiner Töchter verraten. Wir sollten Wolfgang Joop diese frauenfeindliche Dummheit verzeihen. Es gibt so wenig amüsante Menschen.

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