Fritz Pleitgen wird 80„Ich habe viel Glück gehabt“

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Fritz Pleitgen

Köln – Theo muss draußen bleiben. Er steht auf der Terrasse und bellt, als der Besuch das Haus der Eheleute Pleitgen in Frankenforst betritt. Der 50 Kilo schwere Hund ist eine imposante Erscheinung, aber wenn man ihn auf Fotos mit den Enkelkindern sieht, macht er eigentlich einen sehr freundlichen Eindruck.

Fritz Pleitgen war eben mit ihm draußen, der Königsforst ist nicht weit. Das Haus ist hell und freundlich eingerichtet, überall finden sich Spuren eines langen Journalistenlebens.

Pleitgen eilt von einem Ehrenamt zum anderen

80 Jahre alt wird er an diesem Mittwoch, doch er ist nicht der Typ, der zu Hause im Sessel sitzt. Pleitgen eilt von einem Ehrenamt zum anderen, ist Präsident der Krebshilfe und Beiratsvorsitzender bei „Glückauf Zukunft!“, einer Initiative der Bergbauindustrie, die das Ende des deutschen Steinkohleabbaus mit Veranstaltungen begleitet.

„Ich bin Ruhri mit Kölner Migrationshintergrund. Das ist eine gute Kombination. Zumal meine Frau sehr rheinisch ist“, sagt er über sich selbst.

Dem Ruhrgebiet fühlt sich der Fan das BVB immer noch sehr verbunden. „Mein Leben ist überaus glücklich verlaufen, auch wenn der Anfang schwierig war“, erinnert er sich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er wurde am 21. März 1938, anderthalb Jahre vor Kriegsausbruch, als Fritz Ferdinand Pleitgen in einfache Verhältnisse in Duisburg geboren. Seine Mutter war gesundheitlich angeschlagen, er musste einige Zeit im Kinderheim verbringen. Das sei keine gute Zeit gewesen. Besser wurde es, als sein Vater eine Anstellung bei Krupp erhielt. Doch dann brach der Krieg aus, Essen wurde früh bombardiert.

Zur Person

Fritz Ferdinand Pleitgen wurde am 21. März 1938 in Duisburg geboren. Er startete seine Karriere bei einer Lokalzeitung, arbeitete für die „Tagesschau“, war Korrespondent in Moskau, Ost-Berlin, Washington und New York. Dann wurde er WDR-Chefredakteur, später Hörfunkdirektor. Von 1995 bis 2007 war er Intendant des WDR. Pleitgen ist Präsident der Deutschen Krebshilfe. Er ist seit 1969 verheiratet und hat vier Kinder. Sein Sohn Frederik ist ebenfalls Journalist, zurzeit als CNN-Korrespondent in Moskau. (amb)

„Meine ersten Erinnerungen an das Leben bestehen aus Flammen und Sirenen.“ Mit der Mutter wurde er nach Schlesien evakuiert und lebte dort in ärmlichen Verhältnissen. „Da herrschte Frieden, aber wir hatten nichts zu beißen.“ Er erinnert sich an die ersten Flüchtlingstrecks im eisigen Winter. Dann kamen die ersten russischen Soldaten. Die Familie floh nach Westen.

Mit 14 begann er für die Lokalausgabe Bünde der „Freien Presse“ zu schreiben. Um älter zu wirken, trug er damals seinen Konfirmationsanzug, wenn er zu Terminen ging. Er begann im Sportressort und schrieb dann bald auch Polizeiberichte und berichtete über alles, was eben so anfiel.

„Schützenverein, Kaninchenzüchter, hab ich alles gemacht. Um zum Gericht zu gehen, hab ich oft das Gymnasium geschwänzt.“

Mit der Schule wurde es dann auch nichts mehr. Man trennte sich vor dem Abitur in gegenseitigem Einvernehmen, wie er heute sagt. Learning by Doing sei immer sein Weg gewesen. Die Zeitung bot ihm ein Volontariat an. Ein Muster, das seine gesamte journalistische Karriere Bestand haben sollte. Er wurde immer gefragt: „Ich habe mich kein einziges Mal beworben in meinem Leben“.

„Mit Fernsehen hatte ich aber überhaupt nichts zu tun”

Der damalige „Tagesschau“-Chef Hans Jesse rief ihn an und fragte ihn, ob er zum WDR kommen wolle. „Mit Fernsehen hatte ich aber überhaupt nichts zu tun. Für einen schreibenden Journalisten war das nichts, was er sich vorstellte für seine Karriere. Wir hielten die alle für Analphabeten. Ich habe mich ziemlich geziert und habe dann aber doch zugesagt.“

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Auf seine Laufbahn blickt Fritz Pleitgen mit viel Dankbarkeit zurück.

Er war in Deutschland und der Welt unterwegs, das erste Mal vor der Kamera stand er 1967 in Kairo, berichtete über den Sechs-Tage-Krieg.

Nach einigen Jahren kam die Anfrage, ob er Korrespondent in Moskau werden wolle. „Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Moskau“, räumt er ein. Aber man sagte ihm einen Behauptungswillen nach, genau richtig, um in einem Land zu arbeiten, in dem Zensur herrschte. Er ergriff die Chance und baute dort eine Korrespondenz auf.

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Dem Ruhrgebiet fühlt sich BVB-Fan Fritz Pleitgen immer noch sehr verbunden.

Sieben Jahre blieb er in Moskau, besonders ein kurzes Interview mit dem damaligen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew brachte ihm viel Aufmerksamkeit ein. Dann musste der damalige DDR-Korrespondent Lothar Loewe aufgrund seiner Berichte Ost-Berlin verlassen. Man suchte Ersatz. „Ich wollte da aufs Verrecken nicht hin“, erinnert sich Pleitgen.

Washington, dann New York

Er hatte es der DDR übelgenommen, dass sie Willy Brandt, dessen Politik er unterstützte, „einen Spion in den Pelz gesetzt hatte“. Er nahm den Job dennoch an, und es lohnte sich. Denn danach fragte man ihn, ob er nach Washington gehen wolle. Fünf Jahre leitete er das dortige Studio. Danach ging er für ein knappes Jahr nach New York, auf eigenen Wunsch, auch wegen der Kinder, die in den USA zur Schule gingen.

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Doch der Aufenthalt in New York währte nicht mal ein Jahr. Der damalige Intendant Friedrich Nowottny wollte ihn in Köln haben. Pleitgen wurde Chefredakteur. Kölner seien weltoffen, deshalb sei ihm der Umzug nicht schwergefallen.

„Die Kölner haben mich gut aufgenommen.“

Es wurde für ihn „die schönste Position“. Er konnte als Journalist weiterarbeiten, Filme drehen, moderieren – und gleichzeitig gestalten. In dieser Funktion begleitete er auch Mauerfall und Wende. Besonders sein Interview mit dem DDR-Staatschef Egon Krenz am 23. November 1989 sorgte für Schlagzeilen. Pleitgen fragte ruhig, aber hartnäckig, Krenz entlarvte sich selbst.

Der nächste Karriereabschnitt sei der gewaltigste gewesen. Er wechselte vom Fernsehen zum Hörfunk. „Mein größter Schritt war der über die Nord-Süd-Fahrt. Sie war mein Rubikon.“ Er verpasste dem Hörfunk eine neue Struktur, gründete die erfolgreiche Jugendwelle 1Live.

„Ich wollte partout nicht Intendant werden“

Dann schied Nowottny aus seinem Amt als Intendant aus – und Pleitgens Name wurde als Nachfolger ins Spiel gebracht. „Aber ich wollte partout nicht Intendant werden.“ Er wurde es dann aber doch. Setzte sich für die Regionalisierung ein und versuchte, den WDR auch im Internet nach vorne zu bringen. Besonders die Gründung von Phoenix, die in diese Zeit fällt, war ihm ein Herzensanliegen. So muss öffentlich-rechtliches Fernsehen nach seinem Verständnis aussehen.

Das ist auch heute sein Appell an die Verantwortlichen: Das Angebot der ARD müsse „radikal öffentlich-rechtlich“ werden. Mehr Nachrichten, auch Weltnachrichten, Kultur und Dokumentationen im Hauptprogramm.

Auf seine Laufbahn blickt er mit Dankbarkeit zurück.

„Ich habe viel Glück gehabt im Leben. Vor allem habe ich das Glück gehabt, dass die schwierigen Zeiten in meinem Leben am Anfang standen.“

Pläne hat er auch mit 80 noch viele. Er möchte gerne seine Biografie schreiben. Zurzeit baut er eine Korrespondenz mit dem russischen Schriftsteller Michail Schischkin auf. Mit ihm tauscht er sich über Putin und die Beziehungen Russlands zum Westen aus, auch daraus soll ein Buch entstehen.

Geburtstag im Oman

Seinen Geburtstag feiert er weder im Rheinland, noch im Ruhrgebiet oder an einem der Orte, an denen er während seiner Zeit als Korrespondent lebte. Es geht in den Oman, ein Entspannungsurlaub. Für Pleitgen eher ungewohnt.

Einbrecher sollten sich aber dennoch keine Hoffnung machen. Zwei Studenten hüten das Haus in Abwesenheit der Pleitgens. Und dann ist da natürlich noch Theo.

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