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Heiko Maas„Die Meinungsfreiheit endet dort, wo das Strafrecht beginnt“

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Heiko Maas im Gespräch an der TH Köln mit Elfi Scho-Antwerpes und Prof. Rolf Schwartmann (v.l.).

Köln – Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat das Gesetz der großen Koalition verteidigt, das die Betreiber großer sozialer Netzwerke verpflichtet, von Nutzern eingestellte strafbare Inhalte zu löschen. „Die Meinungsfreiheit endet dort, wo das Strafrecht beginnt“, sagte Maas auf einer Veranstaltung der Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln, an der auch die Kölner Bürgermeisterin und SPD-Bundestagsabgeordnete Elfi Scho-Antwerpes teilnahm. Der Direktor der TH-Forschungsstelle, Professor Rolf Schwartmann, attackierte eine Aktion der Piratenpartei, die unter dem Titel „#Volkstrojaner“ dazu auffordert, Fotos von Politikern – auch in privaten Situationen – ins Netz zu stellen. Es handele sich um einen „Aufruf zur digitalen Hetze“ und um „digitale Lynchjustiz“, sagte Schwartmann. Dass eine politische Partei in solcher Weise vorgehe, unterstreiche die Notwendigkeit weiterer gesetzlicher Regularien.

Maas stellte einen Zusammenhang her zwischen einem 300-prozentigen Anstieg registrierter Internet-Hasskriminalität in den vergangenen zwei Jahren und dem historischen Höchststand politisch motivierter Straftaten in der Kriminalstatistik 2016.  „Gewalt beginnt immer im Kopf“, so Maas. Die Korrespondenz sei evident. Scho-Antwerpes erwähnte, dass sie selbst aufgrund ihres Engagements gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus schon Opfer von Hasskriminalität im Netz geworden sei.

Internet ist kein rechtsfreier Raum

Da alle Versuche nichts gefruchtet hätten, Plattformbetreiber wie Facebook oder Twitter über freiwillige Selbstkontrolle zum Vorgehen gegen Hasskommentare zu bewegen, sei die Verabschiedung des „Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ in der letzten Parlamentssitzung vor der Bundestagswahl konsequent gewesen. Inzwischen hätten die Unternehmen  schon vor  Inkrafttreten des Gesetzes  im Oktober reagiert, um drohende Strafen zu vermeiden.  So baue Facebook in Essen eine Abteilung für Beschwerde- und Löschmanagement mit 500 Mitarbeitern auf.

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Verstöße gegen die Löschpflicht zu ahnden, sei nicht nur eine Verantwortung gegenüber den Betroffenen. „Die Opfer haben den Schutz ihrer Rechte verdient.“ Der Staat müsse überdies aber auch dem Eindruck entgegentreten,  das Internet sei ein rechtsfreier Raum.

Aus dem Publikum wurde Maas mehrfach mit der Sorge vor   Eingriffen in die Freiheit der Kommunikation konfrontiert. Der Minister verwahrte sich strikt gegen den Vorwurf, der Staat wolle die Meinungsfreiheit beschneiden. „Was ist daran Zensur, wenn ein vor Gericht als strafbar festgestellter Inhalt aus dem Netz entfernt wird?“ Am Ende seien es immer Gerichte, die über die Rechtmäßigkeit von Löschungen zu befinden hätten.

Faktencheck sei eine zivilgesellschaftliche Aufgabe

Maas verglich die Aufgabe für die Firmen mit der Prüfung von Leserbriefen auf strafbare Inhalte. Er verstehe nicht, warum Facebook und Twitter nicht zugemutet werden könne, was von jeder Zeitungsredaktion selbstverständlich erwartet werde – bei diesen überdies schon vor der Veröffentlichung von Inhalten Dritter.

Mit Blick auf grassierende Falschmeldungen (Fake News) zur gezielten Desinformation der Öffentlichkeit sagte Maas, der Faktencheck sei eine zivilgesellschaftliche Aufgabe, nicht Sache des Staates. „Ich will keine Wahrheitsbehörde.“ Den Katalog des Strafrechts auf Fake News zu erweitern, bezeichnete Maas als wenig Erfolg versprechend, weil sich die Unterscheidung von Wahrheit und Unwahrheit einer juristischen Prüfung oftmals entziehe. Auch ein gesetzliches Vorgehen gegen sogenannte „Social Bots“ (Computerprogramme zur Simulation  von Kommunikation), mit denen gezielt Fake News generiert werden, sei „praktisch aussichtslos“, weil die  Server-Standorte  „weit außerhalb europäischen Zugriffs“ lägen.

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