Heino Ferch über seine neue Rolle„Das geht mir natürlich nah“

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Heino Ferch (links) als Kommissar Ingo Thiel und Felix Kramer als weiterer Ermittler

Heino Ferch (links) als Kommissar Ingo Thiel und Felix Kramer als weiterer Ermittler

Köln – Heino Ferch (55) wurde 1997 durch seine Rolle in Joseph Vilsmaiers Film „Comedian Harmonists“ bekannt. Außerdem wirkte er in „Lola rennt“, „Der Untergang“ sowie zahlreichen Fernsehproduktionen mit. „Ein Kind wird gesucht“ (Regie: Urs Egger, ZDF, Montag, 22. Oktober, 20.15 Uhr) basiert auf den Ermittlungen im Mordfall Mirco, der 2010 die Nation erschütterte.

Herr Ferch, Sie spielen im ZDF-Fernsehfilm „Ein Kind wird gesucht“ den Kommissar Ingo Thiel. Der Film basiert auf der wahren Geschichte des missbrauchten und ermordeten Schülers Mirco Schlitter. Spürt man da eine große Verantwortung, den Angehörigen und den Ermittlern gerecht werden zu müssen?

Vor dieser Aufgabe hatte ich schon Respekt. Die Schlitters haben ja selbst ein Buch geschrieben über ihre Geschichte. Sie haben sich ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt und sehr intensiv mit der Polizei zusammengearbeitet. Sie haben es den Ermittlern sehr leicht gemacht und waren sehr offen. Aus den Büchern von Familie Schlitter und dem von Ingo Thiel ist dann ein Drehbuch geworden. Die Bereitschaft der Opferfamilie, sich in dieser Art der Öffentlichkeit zu stellen, ist ein aktives Ja gewesen.

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Mordfall Mirco Kerzen

Kerzen und ein Foto des getöteten Mirco aus Grefrath stehen am 12.07.2011 vor dem Landgericht in Krefeld.

Sie haben denrealen Ingo Thielvor den Dreharbeiten getroffen. Was war Ihr Ansatz dabei? Wollten Sie ihm in der Darstellung möglichst ähnlich sein?

Nein, das schafft man ja nicht. Aber es gibt schon markante Züge an ihm, die ich übernommen habe. Die Art zu gehen, das Kettenrauchen, das Aufbrausende. Und natürlich habe ich ihm viele Fragen darüber gestellt, wie er sich an die Ereignisse erinnert. Das war in der Größe und der Notwendigkeit, lange Zeit durchzuhalten einfach besonders. Er empfindet es so, dass wir der Soko Mirco mit diesem Film ein Denkmal gesetzt haben.

Was ist aus Sicht des Schauspielers das Besondere an Ingo Thiel?

Er polarisiert. Er ist ein harter, aufbrausender, sturer Hund. Ich gebe all meinen Figuren recht, aber es macht einfach Spaß, jemanden zu spielen, der so konsequent ist. Und besonders ist natürlich, dass ich ihn anrufen und fragen kann.

Er hat der Familie das Versprechen gegeben, den Mörder zu finden. War das richtig?

Er hat gesagt, er hat das Versprechen gegeben, weil er überzeugt war, dass sie es schaffen. Und er legt sich natürlich auch den Ball vor. Er schafft Fakten für die ganze Mannschaft. Er gibt allen ein Motto und eine Motivation. Ja, er hat sich aus dem Fenster gelehnt, aber er hat daran geglaubt.

Ingo Thiel kommt zurück

Sie werden in einem weiteren Film Ingo Thiel spielen. Um welchen Fall geht es da?

Ich darf noch nicht viel sagen. Aber es ist wieder ein realer Fall aus NRW, der auch noch nicht lange her ist. Etwas sehr Heftiges. Wir fangen im November an zu drehen. Diese andere Form des Erzählens hat den Sender veranlasst zu sagen, lasst uns da weitermachen.

Wie wird ein Film spannend, bei dem der Zuschauer vorher weiß, wie er ausgeht?

Es ist ein bisschen wie „Titanic“. Man weiß, dass das Schiff sinkt, aber man versucht trotzdem, einen spannenden Film daraus zu machen. Nachdem ich das Drehbuch bekommen hatte, stellte sich die Frage aber gar nicht mehr. Denn was den Film ausmacht, ist ja, dass es keine klassische Krimi-Dramaturgie gibt. Es gibt keine Verfolgungsjagden, keine Liebesgeschichte, nichts von dem, was man sonst aus Krimis kennt. Ingo Thiel sagte mal: Normalerweise fahren im Krimi zwei Kommissare im 750er BMW vor und am Schluss ist der Täter im Gefängnis. Hier ist das völlig anders.

Woher kommt dann hier die Spannung?

Der Film entwickelt einen ungeheuren Sog. Ingos Sturheit, mit der er durch diese Ermittlung durch ist und die unglaubliche Akribie, mit der er sie vorangetrieben hat, sind hier niedergeschrieben worden. Das packt einen daran. Hier geht es um das Durchhaltevermögen der größten Sonderkommission, die es bisher in Deutschland gab. Und auch die Ästhetik des Films ist besonders. Sie ist glamourös-unglamourös.

„Ich bin nicht besoners reiligiös“

Sie haben mal gesagt, sie wollten keinen Kinderschänder spielen. Für diesen Film mussten Sie sich aber intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen.

Das stimmt, einen Kinderschänder würde ich nicht spielen. Aber auch so geht mir das natürlich nah. Ich habe drei Kinder und bei aller professionellen Distanz, die man braucht, um seinen Job zu machen, ist das ein Thema, das einen ein paar Wochen lang begleitet. Und jeden Tag war ich froh, dass es mir noch nie passiert ist und hoffentlich auch nie passieren wird.

Die Familie Schlitter ist sehr religiös. Ist Religion für Sie auch ein Thema?

Ich bin nicht besonders religiös. Die Religiosität der Familie fand ich irritierend beeindruckend. Es ist sehr bemerkenswert, wie sie damit umgegangen sind. Dass sie diesen Weg gefunden haben, sich damit auseinanderzusetzen und dann auch damit abzuschließen. Das erfordert sehr viel Mut. Und der Glaube hilft ihnen dabei.

Aber Ihnen ist diese Art des Glaubens fremd?

An irgendwas glaubt doch jeder von uns. Das mag eine Religion sein oder eine andere Art von Glaube. Und das gibt Kraft. Die Religiosität der Schlitters ist nun eine sehr spezielle, extreme Form. Ich bin sehr beeindruckt, aber sicher auch etwas befremdet. Aber wer bin ich, darüber zu urteilen? Für diese Familie war es ein Glück, so damit umgehen zu können.

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