Holger-Czukay-Preise vergebenDiese Kölner Single war mal Nummer Eins in Italien

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Die Kölner Band Von Spar im Club Volta   

Köln – Die wundersame Geschichte vom italienischen Charterfolg des Kölner House-Projekts Whirlpool Productions musste natürlich auch noch mal erzählt werden. Jetzt, wo dem Trio aus Eric D. Clark, Justus Köhncke und Hans Nieswandt im Mülheimer Club Volta der Ehrenpreis des „Holger Czukay Preises für Popmusik der Stadt Köln“ überreicht wurde. Benannt ist die Auszeichnung nach dem 2017 verstorbenen Can-Bassisten und Musikinnovator.

In dessen Weilerswister Inner-Space-Studio die Whirlpool-Single „From: Disco To: Disco“ ja auch entstanden war, übrigens unter Zuhilfenahme von Czukays selbstgebasteltem Bass, wie der Hamburger Szeneheld Andreas Dorau in seiner äußerst launigen Laudatio zu berichten wusste. Und auch dank der vom Studiobetreiber René Tinner verinnerlichten Can-Philosophie, immer die Bänder mitlaufen zu lassen.

So wurde aus einer verkifften (eine reine Unterstellung unsererseits) Alberei eine unwiderstehliche Single. Für die sich in Deutschland zwar kaum jemand interessierte, die jedoch Italien im Sturm eroberte und dort im März und April 1997 die Charts anführte.

Wie gesagt, die Geschichte ist schon oft erzählt worden, am hinreißendsten wohl von Nieswandt selbst, in seinem Erinnerungsband „plus minus acht“. Aber manche Dinge muss man eben gesehen haben, um sie zu glauben. Der kurze Fernsehclip, der zeigt, wie zwei nerdige Wahlkölner (Nieswandt, Köhncke) und eine veritable Disco-Diva (Clark) mit einer Stretch-Limousine vor eine Mailänder Disco vorgefahren werden, in die sie daraufhin von drei knapp bekleideten, aufgeregt plappernden Moderatorinnen durch eine jubelnde Menge geführt werden, reizte die Zuschauer im Volta zu Lachkrämpfen.

Köln in den 1990ern, das war schon eine Zeit, in der die Stadt als „Jeföhl und Spielplatz“ (Nieswandt) in die Welt hinausstrahlte.

Nachdem sich der vorangegangene Ehrenpreisträger Arno Steffen nur halb im Scherz beschwert hatte, dass der Hauptpreis zwar mit 15.000 Euro üppig dotiert ist, die fürs Lebenswerk Ausgezeichneten aber leer ausgingen, wurde dieses Jahr nachjustiert: Ab sofort erhalten Ehrenpreisträger 5000 Euro von der Stadt. Vergangenes Jahr hatten die enorm erfolgreichen AnnenMayKantereit den „Holger Czukay“ gewonnen und den Betrag gespendet.

Von Spars unberechenbare Stilwechsel

Nun wird mit Von Spar eine Band geehrt, die eine mögliche Breitenwirkung stets mit unberechenbaren Stilwechseln torpediert hat: Anfang der Nuller Jahre rüttelten Phillip Tielsch, Sebastian Blume, Jan Philipp Janzen und Christopher Marquez mit zickigem, widerspenstigen Elektropunk die damals grassierende Retromanie auf, gegen die Wolfgang Frömberg in seiner Laudatio noch einmal wortreich wetterte, als schrieben wir das Jahr 2004.

Bald darauf trennten sie sich von ihrem Sänger Thomas Mahmoud und widmeten sich nacheinander einer Fortschreibung des Can’schen Krautrocks, majestätisch-tanzbaren Synthietracks und elegantem Yacht-Rock. Der einzige rote Faden war der Wille zur musikalischen und stilistischen Exzellenz. Und der Bezug zur modernen Kölner Musikgeschichte, wie sie Stockhausen begründete und seine abtrünnigen Schüler von Can weiterführten.

Legendär ist ein gemeinsamer Auftritt im Kölner Blue Shell mit dem ehemaligen Can-Sänger Damo Suzuki, noch legendärer der wahnwitzige, aber gelungene Versuch, zusammen mit Pavement-Sänger Stephen Malkmus das Can-Album „Ege Bamyasi“ live aufzuführen. Das war vor zehn Jahren auf dem zweiten Week-End-Fest.

Nach dem Auftritt, erzählte Von-Spar-Gitarrist Tielsch im Club Volta, hätte man Angst gehabt, wieder hinter die Bühne zu gehen, wo die Can-Mitglieder Irmin Schmidt und Jaki Liebezeit warteten. Schlagzeuger Jan Philipp Janzen hatte wie besessen geübt, um Jaki Liebezeits treibenden Maschinengroove so exakt wie möglich hinzubekommen – doch dann hatte sich in der Hitze des Augenblicks ausgerechnet die Single „Vitamin C“ in eine, so Tielsch, „entspannte Reggaenummer“ verwandelt. Selbstredend war es eben dieses Cover, das dann Schmidt und Liebezeit am besten gefiel.

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Zum Abschluss der Veranstaltung verabschiedete Kölns Kulturdezernent Stefan Charles die seit vier Jahren tätige Jury und kündigte an, dass die Stadt Köln den „Holger Czukay“ ab nächstes Jahr um einen Zukunftspreis ergänzen werde, mit dem jüngere Acts ausgezeichnet werden sollen, von denen man glaubt, dass sie die musikalische Zukunft der Stadt prägen werden.

Die neu konzipierte Auszeichnung ist nicht zuletzt der Selbsteinsicht geschuldet, dass die bisherige Ausrichtung des Preises dazu geführt hat, dass fast ausschließlich (Ausnahme: der Ehrenpreis für das Duo Gina X Performance) männliche Musiker bedacht wurden. Das ist kein Versagen der Jury, sondern eher eine ernüchternde Erinnerung daran, wie wenig inklusiv die ach so freie Popmusik noch bis in die jüngste Vergangenheit war.

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