Inge BaeckerGaleristin kommt bei Flutkatastrophe ums Leben

Lesezeit 4 Minuten
Inge Baecker im Jahr 2016

Inge Baecker im Jahr 2016

Bad Münstereifel – Sie sei schon sehr schwach und auf ein Beatmungsgerät angewiesen gewesen, schreiben Freunde über Inge Baecker, und dass sie ihr geraten hätten, lieber ins Krankenhaus zu gehen.

Aber Baecker habe ihre aktuelle Ausstellung in Bad Münstereifel persönlich beschließen und sich von der Krankheit nicht unterkriegen lassen wollen. Als am Mittwoch die Flut über das Land kam, war sie in ihrer Burg, ihrem Zuhause, von der Außenwelt abgeschnitten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nach Ausfall des Stroms konnte sie keinen Notruf mehr absetzen, der Akku eines Beatmungsgeräts war erschöpft. So kam die Hilfe zu spät.

Alles zum Thema Wolfgang Niedecken

Inge Baecker, 1943 in Bochum geboren, ist ein Opfer der Flutkatastrophe geworden, die ihre letzte Heimatstadt Bad Münstereifel heimsuchte. Davor lebte und arbeitete sie in Bochum, wo sie aufwuchs und 1970 ihre Galerie für Fluxuskunst gründete, und mehr als zwei Jahrzehnte in Köln, wohin sie der florierende Kunstmarkt zog.

Ihre wahre Heimat war die Fluxuskunst

Aber ihre wahre Heimat dürfte diese seltsame, fließende Kunst gewesen sein, der sie ihr Leben widmete.

Fluxus sollte eine andere Kunst sein, nichts, was man sich an die Wand hängen und vergessen kann. Fluxus sollte aus dem Leben kommen und das Leben verändern – das bevorzugte Medium von Künstlern wie Wolf Vostell, Allan Kaprow oder Nam June Paik war daher das Happening, ein inszeniertes Ereignis vor und manchmal mit dem Publikum.

Als Urgestalt des Happenings gilt heute das Zertrümmern eines Klaviers, aber die vielfältigen Fluxusformen reichen vom einfachen Stuhlkreis bis zur Karambolage einer Lok mit einem auf den Schienen abgestellten Automobil.

Zufällig in die Szene gerutscht

Inge Baecker rutschte mehr in die junge Fluxus-Szene hinein, als dass sie diese gesucht hätte. Eigentlich wollte sich die Kunsthistorikern mit einer Arbeit über den altniederländischen Meister Jan Vermeer promovieren lassen, doch dann fragte eine Bekannte, die spätere Sammlerin Ingvild Goetz, 1969 bei ihr an, ob sie junge Künstler kenne, die für ihren Verlag günstige Editionen produzieren könnten.

Baecker machte sich auf die Suche, lernte den Kölner Wolf Vostell und über diesen die Protagonisten der im Rheinland rasant wachsenden Fluxusbewegung kennen.

Zur Galeristin wurde Inge Baecker auf klassischem Weg – weil es sonst kaum jemanden gab, der Fluxus zeigen wollte. Ihre erste Ausstellung richtete sie in ihrer Bochumer Mietwohnung aus und verkaufte sogleich Wolf Vostells berühmten „Lippenstiftbomber“; auch Fluxus produziert eben klassische Kunstware wie Bilder, Objekte und Filme, wenn auch als erklärtes Nebenprodukt.

In Köln verstand man diese Doppelgesichtigkeit besser als anderswo. Der Kurator Wulf Herzogenrath erlaubte, dass in der Kunsthalle ein Kuh kalbte, der Sammler Wolfgang Hahn erkannte, dass Fluxus bald in keinem Museum mehr fehlen würde und im Atelier von Mary Bauermeister traf sich die rheinische mit der New Yorker Avantgarde.

Trotzdem blieb Baecker ihrer Geburtsstadt Bochum lange treu. Sie mochte die Leute dort, ihre offene Art und die Lust, sich auf etwas einzulassen, was man nicht auf Anhieb versteht. Die Sammler und Museumsdirektoren kamen ohnehin, weil Baecker eine Pionierin und nicht nur im Rheinland weitgehend konkurrenzlos war. Sie vertrat beinahe alle Künstler, die in der Fluxusszene Rang und Namen hatten.

Engagiert für die Fluxuskunst

Im Jahr 1983 gab Baecker dann doch dem Drängen und Werben Wolfgang Hahns nach und zog mit ihrer Galerie nach Köln – damals das Zentrum des internationalen Kunsthandels. Sie blieb engagiert, streitbar und neugierig auf andere Welten.

In Köln stellte sie Werke des zum Kölschrock übergelaufenen Wolfgang Niedecken aus, später reiste sie nach Brasilien, um die dortige Kunstlandschaft in Deutschland vorzustellen.

Schließlich wurde es Baecker in Köln zu eng und zu teuer. Sie fand eine neue Heimat in Bad Münstereifel, nah genug, dass die Getreuen ihr dorthin zu Ausstellungen und Festen folgen würden.

Sie habe Hunderte Ausstellungen gemacht und müsse niemanden mehr etwas beweisen, sagte sie gerne. Aber letztlich wollte sie sich dann vor allem selbst beweisen, dass Fluxus weiterhin die Kraft hat, das Leben von Menschen zu verändern – so wie es ihrem Leben eine neue Richtung gab.

KStA abonnieren