Interview mit Hardy Krüger„Die Populisten müssen abgewählt werden“

Lesezeit 6 Minuten
Hardy Krüger

Hardy Krüger

Herr Krüger, vor zwei Jahren haben Sie auf dem Birlikte-Fest in Köln gesprochen, Sie waren in Dortmund, weil dort Rechtsextreme ins Rathaus eingezogen sind, was sie empört. Hat sich seither etwas zum Besseren oder zum Schlechteren verändert?

Zum Schlechteren. Damals war ich in Deutschland unterwegs, um davor zu warnen, dass die deutschen Wähler politikverdrossen sind. Doch was ist geschehen? Die Rechten werden in großem Maßstab gewählt! All diese Demagogen von AfD und Pegida, die nun in den Parlamenten sitzen, müssen wieder herausgewählt werden. Deswegen gehe ich auch in Schulen und spreche mit jungen Menschen, die demnächst wählen werden und sollen, und sage ihnen: Wir müssen uns um Politik kümmern! Um dafür zu sorgen, dass die Verbrechen, wie ich sie habe durchleben müssen, nicht noch einmal auf unser Land zukommen.

Mit einem solchen Appell beschließen Sie Ihre Erinnerungen, „Was das Leben sich erlaubt“. Fließen da Erfahrungen ein, die Sie als junger Menschen machten, als Sie zum Nationalsozialismus verführt wurden?

Alles zum Thema Film und Fernsehen

Natürlich. Aber ich bin nicht verführt, ich bin falsch erzogen worden von meinen Eltern. Ich habe Hitler für einen Halbgott gehalten. Auf Mutterns Klavier stand eine Hitler-Büste, in der Schule hing überall sein Porträt. Bis ich zur Ufa kam und Hans Söhnker begegnet bin, war ich ein eifriger Hitler-Schüler. Uns wurde sogar gesagt, dass wir Adolf Hitlers Söhne seien – daran habe ich geglaubt. Bis ich Söhnker getroffen habe …

…der Ihnen Filme gezeigt hat, deren Regisseure Juden waren.

Ich bin Söhnker dafür ewig dankbar und habe ihm mein Buch auch gewidmet. Er hatte einen unglaublichen Mut, denn ich hätte ihn ja auch der Gestapo melden können. Einem Hitler-Schüler zu sagen, dass sein Halbgott ein Verbrecher ist – damit ging Söhnker ein großes Risiko ein.

Zur Person

Hardy Krüger, 1928 in Berlin geboren, ist ein auch international gefeierter Schauspieler. Er spielte in Filmen wie „Hatari“ und „Der Flug der Phoenix“.

Sein neues Buch „Was das Leben sich erlaubt – Mein Deutschland und ich“ erscheint bei Hoffmann und Campe. Es ist Hans Söhnker gewidmet, der Krüger, Schüler einer Ordensburg im Allgäu, die Augen über die Verbrechen des Nazi-Regimes öffnete. (F.O.)

Aber er hat Sie so nachhaltig beeindruckt, dass sie dem Nationalsozialismus abgeschworen haben. Wie haben Sie sich gefühlt?

Das hat zu großen Verwirrungen geführt. Sie müssen sich vor Augen führen, dass die Amerikaner und die Engländer, die uns vom Fluch des Nationalsozialismus befreiten, ja als die Feinde galten – das waren diejenigen, die uns mit Bomben bewarfen; ich selbst habe unter den Trümmern gelegen. Genauso erging es mir mit den Juden. Diese waren in meiner bisherigen Vorstellung Deutschlands Unglück, Untermenschen. Und nun sah ich diese Filme, die Söhnker mir zeigte: Wie konnten Juden solch wunderbare Filme machen?

Verspürten Sie auch Angst?

Wir hatten vor allem und jedem Angst, vor den Nazis, vor den Bomben, vor unseren nächsten Mitmenschen. Meine Mutter hatte mir einmal gesagt, dass ich im Schlaf spreche und auch auf Fragen antworten würde. Damals lebte ich auf der Ordensburg in Sonthofen, einer NS-Eliteschule, im Allgäu, und dort hatte ich eine wahnsinnige Angst, dass ich im Schlaf etwas von Söhnker verrate. Ich war ja nicht alleine im Zimmer. Glücklicherweise ist nichts passiert – vielleicht waren wir auch alle todmüde!

Das alles hat Sie so sehr geprägt, dass Sie noch immer voller Energie gegen rechte Parolen streiten.

Ja, ich bin zu einem wilden Anti-Nazi geworden. Entscheidend war auch ein Ereignis im Jahr 1957. In diesem Jahr gab es die ersten Hakenkreuzschmierereien nach dem Zweiten Weltkrieg, und zwar an der Synagoge in Köln. Das muss man sich mal vorstellen – nur zwölf Jahre nach diesem verheerenden Krieg und dem Holocaust. Ich war schockiert.

Wie beurteilen Sie die AfD?

Die AfD ist eine Partei, die mir Sorgen bereitet, weil einige von denen die Demokratie abschaffen wollen.

Nun ist die Flüchtlingsproblematik hinzugekommen. Wie stehen Sie dazu?

Darauf gehe ich bei meinen Vorträgen bewusst ein und sage: Gleich zu Beginn des Grundgesetzes steht „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – des Menschen! Nicht: des Deutschen. Also ist auch die Würde der Flüchtlinge unantastbar, solange sie keine kriminellen Handlungen begehen. Wir müssen diesen Menschen helfen. Ich bin in dieser Frage ganz bei Angela Merkel, die dieses Problem entschlossen angegangen ist und festgestellt hat, dass wir das tun müssen. Nur verbindet sie diese Einsicht nicht immer mit den richtigen Worten, sie hat es nicht geschafft, der Bevölkerung deutlich zu machen, warum es unsere Verantwortung ist, den Flüchtlingen zu helfen.

Ihr Herz schlug eher für einen anderen Kanzler, nämlich den kürzlich verstorbenen Helmut Schmidt. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Willy Brandt gab ein Sommerfest, und dort waren nicht allein Berühmtheiten eingeladen, sondern ganz normale Bürger. Ein Querschnitt durch die Bevölkerung. Auf Wunsch seiner Frau Ruth sollten auch Schauspieler eingeladen werden. „Wen willst Du denn haben“, fragte Brandt seine Frau, und die antwortete: Den Hardy Krüger.

Das war zu der Zeit, als Sie in London lebten und arbeiteten …

Deswegen hatte ich den längsten Anreiseweg und kam spät an. Ruth Brandt, die am Tisch von Loki und Helmut Schmidt saß, fragte dauernd, wo denn Hardy Krüger bleibe, bis Schmidt es nicht mehr hören konnte und an meiner Stelle Autogramme gab. Er unterschrieb mit Hardy Schmidt. Das hat mir einen solchen Spaß gemacht, dass ich an seinen Tisch gegangen bin, und wir haben die ganze Nacht lang gequatscht, bis die Sonne aufging. Das war der Beginn einer Freundschaft, die ein Leben lang gehalten hat.

Wie fanden Sie Schmidt politisch?

Er war in meinen Augen der beste Kanzler, den Deutschland hatte. Er hat alles richtig gemacht, vom Umgang mit dem Terrorismus der RAF bis hin zur Nachrüstung – auch das. Die Nachrüstung hat dazu geführt – wie sich später herausstellte –, dass der Kommunismus vor die Hunde ging.

Im Buch stellen Sie Ihre Erfahrungen in den historischen Rahmen. Diese faktenbezogenen Texte zur Geschichte stammen von Peter Käfferlein und Olaf Köhne. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Die beiden kamen mit der Idee des Buches auf mich zu. Ich habe mir dann überlegt, dass ich autobiografische Situationen schildere, wie zum Beispiel die Olympischen Spiele 1936, die ich mit meinem Vater besuchte, die Reichskristallnacht, und natürlich die Umerziehung durch Söhnker und seinen Standpunkt, nach dem Krieg nicht darüber zu reden, dass wir Juden geholfen haben. Er fand die Deutschen unerträglich, die später vorgaben, mit nichts etwas zu tun gehabt zu haben oder sich gar Heldentaten rühmten. Diese subjektive Sicht aber wollte ich ergänzen um die objektiven Tatsachen – daher die historischen, total sachlichen Zwischentexte.

Sie leben über große Teile des Jahres hinweg in Kalifornien. Wie haben Sie die letzten Monate und Wochen in den USA erlebt, den Triumph Donald Trumps?

Es war entsetzlich. Trump ist unerträglich – alle warten ab, was Trump nun anstellt, damit er womöglich wieder abgewählt werden kann; Stichwort Impeachment. Meine Freunde in Hollywood sind, das ist nicht übertrieben, entsetzt, und wir sagen es auch laut. Auf Deutschland übertragen: Auch dort müssen die Populisten abgewählt werden.

KStA abonnieren