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Interview mit Ralf Kabelka„Jan Böhmermann sollte mal ein kleines Sabbatical machen”

Lesezeit 9 Minuten
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Ralf Kabelka

  • Ralf Kabelka ist Fans guten Fernseh-Humors schon lange bekannt: Er arbeitete früher in den Shows von Harald Schmidt, ehe er bei der „heute show” und im „Neo Magazin Royale” mitmischte.
  • Als Sidekick von Jan Böhmermann hört Kabelka jetzt aber auf, um sich ganz der „Heute Show” zu widmen.
  • Im Interview erklärt er seine Gründe für den Ausstieg, blickt zurück auf die Konsequenzen des Erdogan-Schmähgedichts, das er damals mit vortrug und die wachsenden Probleme bei Drehs mit der AfD.

Herr Kabelka, am Freitag kommt die „heute show“ aus der Sommerpause. Sie sind dort schon lange als Außenreporter im Einsatz, werden nun aber noch häufiger zu sehen sein. Beim „Neo Magazin Royale“, wo Sie an der Seite von Jan Böhmermann zu sehen waren, hören Sie hingegen auf. Warum dieser Abschied?

Wir haben uns nicht im Streit getrennt. Das war pure Marktwirtschaft, Oliver Welke wollte mich zurück. Es kann schon auch sein, dass ich beim „Neo Magazin“ mal wieder mitspiele. Zum Abschied möchte ich Jan Böhmermann als väterlicher Freund aber noch den Rat geben, nach so vielen grandiosen Erfolgen mit der Show mal ein kleines Sabbatical zu machen. Dann könnte er umso glorioser zurückkommen. Ich bin mir sicher, er wird auf meine weisen Worte hören.

Sie wechseln von einer ZDF-Sendung zur anderen. Geht guter satirischer Humor nur bei den Öffentlich-Rechtlichen?

Alles zum Thema Jan Böhmermann

Heutzutage ja. Zu Harald-Schmidt-Zeiten war das bei Sat.1 etwas anderes, aber heute sind die Möglichkeiten für eine bestimmte Art von Satire bei den Öffentlich-Rechtlichen einfach deutlich besser als bei den Privaten. Auch wenn ich mit Interesse verfolge, wie Klaas Heufer-Umlauf bei Pro Sieben eine ordentliche Sendung hinbekommen will. Er wurde ja auch zwischendrin mal deutlich politischer, aber das fühlte sich bei Pro Sieben um viertel nach Zehn irgendwie merkwürdig an.

Wenn Sie für die „heute show“ unterwegs sind, gehen Sie oft dahin, wo es wehtut. So besuchten Sie 2015 im Clownskostüm eine AfD-Demo. Suchen Sie die Konfrontation?

Ich finde es gut, wenn es Zoff gibt und man sich streiten kann. Wenn es allzu einvernehmlich und kuschelig wird, ist es schnell langweilig. Hätte ich vorher gewusst, wie das läuft, wäre es eine andere Geschichte gewesen. Aber ich bin da relativ unvorbereitet rein gegangen, weil ich die AfD ja über Jahre beobachtet habe, auch schon zu Lucke-Zeiten. Aber das war noch ein anderer Schnack. Die Partei der professoralen Besserwisser und Euroskeptiker.

Was war bei diesem Dreh anders?

In Berlin sah ich, dass da ein anderes Volk rumlief - mit SS-Runen-Tattoos etwa. Das war das erste Mal, dass ich mich schutzsuchend in die Nähe der Polizei gestellt habe, weil die Aggressionen so groß waren. Einige Monate später habe ich am Berliner Hauptbahnhof gedreht, da hatte eine Pegida-nahe Gruppe eine Anti-Merkel-Demo veranstaltet. Den Dreh mussten wir tatsächlich abbrechen. Das wurde wirklich richtig gefährlich.

Woher kommt diese Aggressivität?

Weil sich diese Partei sehr radikalisiert hat. Dass die AfD ein Problem mit uns hat, ist ja bekannt. Und das ist auch gut so. Aber das Drehen macht es natürlich schwierig. In der Regel ist es heutzutage so, dass die gar nicht mehr mit uns reden.

Ist denn die Konsequenz der großen Aggressivität, über solche Veranstaltungen nicht mehr zu berichten?

Man muss sich überlegen, wie man es weiter versuchen kann. Aber mit offenem Visier hingehen und sagen „Wir sind von der heute show und wollen mit euch reden“ funktioniert nicht mehr. Wir werden schauen, ob wir guerillamäßig was machen können. Das wird dann die nächste Raketenstufe, die man zünden muss.

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Wie ist das bei den anderen Parteien?

Die Unterschiede zwischen den Parteien sind groß. Die CDU ist eigentlich sehr entspannt, was das Thema „heute show“ und Satire angeht. Manchmal schon fast zu entspannt. Julia Klöckner kommt zum Beispiel gleich angerannt und will mit uns reden. Die SPD ist da immer ein bisschen verspannt. Die bauen auf Parteitagen immer Absperrungen auf. Man kommt schlecht ran an deren Leute.

Die „heute show“ gibt es seit zehn Jahren. Wie hält man ein solches Format lebendig?

Die Sendung hat sich über die Jahre verändert. Ich glaube, wir waren mal klamaukiger und die Comedyelemente standen mehr im Mittelpunkt. Man merkt, dass es wichtiger wird, sich auch inhaltlich stärker mit der Politik auseinander zu setzen, damit die Leute etwas mitnehmen.

Soll Satire stärker zur politischen Bildung beitragen?

Es gehört immer beides zusammen. Die comedymäßige Aufbereitung von Politik ohne Hintergrundwissen funktioniert ja auch nicht. Man muss die Politiker schon kennen, über die da gesprochen wird. Deswegen ist es wichtig, dass die Leute die Zusammenhänge kennen. Aber heutzutage ist Satire ein wichtiger Faktor, wie Politik in der Gesellschaft vermittelt wird. Die politische Comedy ist vielleicht eine Reaktion auf die Informationsflut. Alles prasselt auf einen ein, da verlangt man als Zuschauer nach Einordnung. Comedy ist heute ein wichtiges Angebot, das es vielleicht bekömmlicher macht. Es ist wie ein Zückerli, auf das man die Medizin tropft.

Ist die Zeit des Klamauks vorbei?

Vielleicht wandert der Klamauk eher ins Netz ab. Es ist definitiv feststellbar, dass es eine Verschiebung gegeben hat, dass die Zuschauer es politischer haben wollen. Ich habe ja auch Sachen wie „Was guckst du?“ gemacht, wo man den tiefen Teller nicht erfunden hat. Das war zu seiner Zeit auch vollkommen ok. Und natürlich soll es auch manchmal albern bleiben, aber das Publikum goutiert andere Sachen als vor zehn oder 15 Jahren

Als Sie noch für Harald Schmidt arbeiteten, gab es ja relativ Klamauk.

Ja, „Die Dicken Kinder von Landau“ etwa waren natürlich komplett inhaltsfrei. Das ist ja immer eine Reaktion auf den Zeitgeist. Es ging darum, Sendezeit mit solchen Sachen totzuschlagen. Das war ja Harald Schmidts Credo: Zeigen, wie Zeit vergeht. Es ging darum, mit den Konventionen des Fernsehens zu brechen und fröhliche Anarchie aufleben zu lassen. Und der Comedy-Klamauk war sicher eine Reaktion auf das angestaubte, vermuffte Kabarett. Man wollte eine andere Farbe im Fernsehen stattfinden lassen.

Vieles ginge aber heute auch schlicht nicht mehr, wenn man etwa an die Nummer mit Bettina Böttinger denkt.

Das stimmt, diese Nummer oder die Polenwitze, das Duell der Super-Ischen. Bevor Harald Schmidt zum Schreibtisch geht, zeigen wir ihnen Brüste. Das war natürlich auch damals schon ein No Go. Wir haben uns über Leute lustig gemacht, die sich über zu viel Nacktheit beschweren. Wir wussten aber, wenn wir es überzeichnen, wissen alle, wie es gemeint ist. Das ist heute anders. Das funktioniert nicht mehr.

Legt sich Satire da selbst Verbote auf?

Solche Witze wären heute wahnsinnig muffig und altbacken. Witze haben auch eine gewisse Halbwertszeit und sind immer in ihrer Zeit zu sehen. Ich möchte das heute nicht mehr machen, weil ich mir dabei oll vorkommen würde. Comedy hat sich einfach sehr gewandelt, was das Verhältnis von Männern und Frauen angeht. Es gibt zwar immer noch zu wenige Frauen in der Comedy, aber zum Glück viel mehr als früher. Es wird ganz anders diskutiert, da bekommt man viel mehr Gegenwind in der Redaktion. Vor 20 Jahren war das eine reine Männerveranstaltung. Aber auch heute ist noch Luft nach oben. Wenn wir den Frauenanteil so hinkriegen würden wie im Deutschen Bundestag, wäre das schon ganz gut. Aber so weit sind wir noch nicht.

Ralf Kabelka über das Erdogan-Schmähgedicht

Gibt es Tabuthemen, die Sie gar nicht behandeln würden?

Themenbereiche, über die man gar nichts machen sollte, gibt es nicht. Aber natürlich gibt es geschmackliche Grenzen, und manchmal auch juristische, wie wir ja bei Böhmermann und dem Schmähgedicht über Erdogan gesehen haben.

Wie haben Sie das erlebt?

Die Sendung wurde ausgestrahlt und erst mal war alles relativ normal. Es gab ja Gründe, warum das so groß geworden ist – dass es aus der Mediathek gelöscht wurde, dass Steffen Seibert es in der Bundespressekonferenz angesprochen hat.

Haben Sie sich über die Dimensionen, die das annahm, gefreut oder hat es Ihnen Sorgen bereitet?

Es war eine aufregende Zeit. Aber von Freude kann man nicht sprechen, weil es gleich so ernste Folgen hatte. Es ist natürlich gut, dass über bestimmte Dinge, wie den Paragrafen, der die Beleidigung von Staatsoberhäuptern verbot, geredet wurde. Aber diese Dimension war natürlich nicht geplant, das kann man auch gar nicht. Da tritt man eine Lawine los und muss schauen, wie man durch kommt.

Aber die Türkei ist kein Thema für Sie in den nächsten Jahren?

Ich habe mir schon mal überlegt, ob ich bei der Botschaft nachfrage. Denn ein Freund von mir hat in der Türkei geheiratet, da steht noch ein Fest aus. Aber erstmal würde ich nicht dahin reisen.

Politiker wie Donald Trump oder Boris Johnson sind ja durch ihr Handeln fast schon Satire. Wie geht man damit um?

Das ist schwierig. Witze über Donald Trump zu machen, ist langweilig. Ihn einen Idioten zu nennen ist genauso originell wie zu sagen, früher seien die Tomaten schmackhafter gewesen. Man muss natürlich schauen, wie man da noch einen draufsetzen kann, aber es gab schon mal schlechtere Zeiten für Satire. Die liefern viele schöne Vorlagen. Die Zeiten sind spannend, Material gibt es genug. Irgendwann muss man die Schraube eben anziehen. Wir müssen schauen, was so kommt, und hoffen, dass wir es überleben.

Aber haben Sie beim Erstarken der Rechten nicht manchmal das Gefühl, die Zeiten sind zu ernst für Comedy?

Nein, man muss immer weitermachen. Zu sagen, die Zeiten sind jetzt zu ernst, da hört der Witz auf, ist falsch. Jetzt erst recht. Es ist eine wichtige Stimme. Es ist wichtig, darüber auch Lachen zu können. Das kann eine Kraft entwickeln. Auch wenn ich natürlich weiß, dass ich damit keinen einzigen AfDler bekehren werde. Aber es ist gut, mit den Mitteln der Comedy die Reihen zu schließen. Der Kampf geht weiter.

Aber was bringt das, wenn eher linke Satiriker vor einem eher links eingestellten Publikum linke Comedy machen?

„Preaching to the choir“ nennt der Amerikaner das. Neue Schichten, die politisch auf der ganzen anderen Seite stehen, wird man eben nur schwer erreichen. Die sagen ja nicht: Also nach diesem Witz habe ich meine Einstellung um 180 Grad geändert. Aber ich vertraue darauf, dass es Ränder, Grauzonen gibt, wo man noch etwas verändern kann. Ich glaube nicht, dass man mit politischer Comedy wahnsinnig viel bewegen kann. Es geht eher um Selbstvergewisserung. Den politischen Feind wird man nicht bekehren können – den kann man höchstens ärgern. Und das ist ja auch schon viel wert.

Verstärkt man nicht bei Leuten, die sich abgehängt fühlen, dieses Gefühl noch, wenn man sie vorführt?

Was ist die Alternative? Man muss das, was man beklagenswert finde, aufgreifen. Eine Art Konsenskabarett zu machen, das alle mit ins Boot holt, wird nicht funktionieren. Man soll keinen aussparen, und jeden, der es verdient hat, muss man auch so behandeln. Aber Proporz-Comedy gibt es nicht. Zum Glück. Und wir sind ja nicht der seriöse Journalismus, wir müssen eben nicht ausgewogen sein. Das muss woanders stattfinden.

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