InterviewRegisseurin Margarethe von Trotta über Machos im Film

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Film-Regisseurin Margarethe von Trotta

Film-Regisseurin Margarethe von Trotta

Köln – Margarethe von Trotta lässt sich das Konfekt schmecken, dass der Kellner im Steigenberger an der noblen Düsseldorfer Königsallee zum Kaffee serviert hat. Hier in der Landeshauptstadt verbrachte die gebürtige Berlinerin ihre Kindheits- und Jugendjahre im Nachkriegsdeutschland, an der Seite ihrer Mutter, die einem alten baltischen Adelsgeschlecht entstammte. Zu dieser Zeit wusste Margarethe von Trotta noch nicht, dass sie eine Schwester hatte – erst nach dem Tod der Mutter erfuhr sie die ganze Geschichte. Nun hat die Regisseurin einen Film über diese Erfahrung gedreht, „Die abhandene Welt“ mit Katja Riemann und Barbara Sukowa in den Hauptrollen. Am Abend wird er in der „Lichtburg“ in Essen seine heftig beklatschte Premiere feiern.

Margarethe von Trotta, Jahrgang 1942, verbrachte ihre Kindheit in Düsseldorf, studierte Germanistik in München und absolvierte eine Schauspielausbildung. Unter anderem spielte sie 1969/70 in den Fassbinder-Filmen „Götter der Pest“ und „Warnung vor einer heiligen Nutte“. Von 1971 bis 1991 war Trotta mit dem Regisseur Volker Schlöndorff verheiratet. Gemeinsam führten sie 1975 Regie bei „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, nach einer Erzählung von Heinrich Böll. Weitere Filme als Regisseurin: „Die bleierne Zeit“ , „Rosa Luxemburg“, „Ich bin die Andere“ und „Hannah Arendt“. Trottas neuester Film „Die abhandene Welt “ ist am Donnerstag angelaufen. (ksta)

Frau von Trotta, „Die abhandene Welt“ ist ein sehr persönlicher Film – etwas ganz anderes als die oft politischen und feministischen Filme, mit denen man Ihren Namen sonst verbindet.

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Ich war regelrecht abonniert auf Filme mit starken Frauen: Hannah Arendt, Hildegard von Bingen, Rosa Luxemburg, die Frauen der Rosenstraße, die mitten im Nationalsozialismus für die Freilassung ihrer jüdischen Männer kämpften. Nach „Hannah Arendt“ war ich irgendwie an einen Schlusspunkt gelangt und habe mich gefreut, etwas Anderes, etwas Neues zu machen. Aber auch damit habe ich nun abgeschlossen.

Margarethe von Trotta wusste nichts von ihrer Schwester

Mit dieser Geschichte über Familiengeheimnisse. Diese hat lange in Ihnen gegärt.

Ich habe erst nach dem Tod meiner Mutter erfahren, dass ich noch eine Schwester habe. Das war ein regelrechter Schock für mich, eine Erfahrung, die ich irgendwann einmal bearbeiten musste. Meine Mutter und ich, wir hatten ein ungemein liebevolles Verhältnis miteinander. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, warum sie mir etwas so Lebenswichtiges verschwiegen hat. Ich war gekränkt und verletzt, dass sie dieses Vertrauen nicht hatte.

Aber ist es nicht seltsam, dass Familiengeheimnisse und Schwesterngeschichten schon früh ihr Werk prägten: „Die bleierne Zeit“ etwa erzählt von den Schwestern Ensslin. Hatten Sie eine Ahnung?

Es muss wohl so gewesen sein. Ich wusste alles, ohne es zu wissen. Als ich 1979 den Film „Schwestern oder die Balance des Glücks“ geschrieben habe, nannte ich die eine Figur Anna und die andere Maria. Als ich dann meine eigene Schwester kennenlernte, erfuhr ich, dass sie mit zweitem Namen Anna heißt, ich selbst Maria. In dem Film war das Thema also unterschwellig schon da. „Die abhandene Welt“ ist nun der Abschluss für mich. Jetzt weiß ich alles, und jetzt bin ich irgendwie befreit.

Noch einmal zum politischen Film, für den Sie auch stehen – welche Chancen hat dieser heute in Deutschland?

Es war ja nie so, dass diese Filme entstanden sind, weil ich gesagt habe: Ich mache jetzt einen politischen Film! Die Thematik war nie Politik, sondern immer das Interesse an einer Person. Erst nachdem ich die noch lebenden Frauen kennengelernt hatte, die damals beim Protest in der Rosenstraße mitgemacht hatten – erst da habe ich zugesagt, diesen Film zu machen.

Arbeit mit Rainer Werner Fassbinder

Sie brauchen das Konkrete?

Ich lebe ja mit offenen Augen und Sinnen und mit einem politischen Bewusstsein, so dass automatisch auch Politik in einen Film hineingerät. Das ist mir das Liebste: Wenn die Politik auf natürlich Weise mit hineinkommt.

Gerade läuft ein Dokumentarfilm über einen anderen großen Chronisten Deutschlands im Kino, nämlich über Rainer Werner Fassbinder – darin sind Sie als junge Schauspielerin zu sehen ...

Ich habe in drei Filmen von Fassbinder mitgemacht. Kennengelernt haben wir uns allerdings durch „Baal“ von Volker Schlöndorff, in dem Fassbinder die Hauptrolle spielte. Wir haben uns gut verstanden, worauf er mich sofort in seinen nächsten Film, „Götter der Pest“, eingeladen hat. Ich hatte damals bereits den Wunsch, Regisseurin zu werden, deshalb habe ich viele Rollen in der Absicht angenommen, etwas von den Regisseuren zu lernen.

Welche Regisseure waren das außer Fassbinder?

Bei Chabrol zum Beispiel habe ich einmal eine ganz unwichtige Rolle gespielt. Oder es gab die Serie „Der Kommissar“ mit Erik Ode, bei der ich dreimal mitgespielt habe, weil mich die Regisseure wie Wolfgang Staudte interessiert haben – da war es mir wurscht, wie klein oder groß die Rolle war. Meistens wurde ich enttäuscht, weil Staudte das alles gar nicht mehr interessiert hat – lieber hat er mit mir über Film geredet, weil er merkte, dass ich ein Faible hatte.

Was haben Sie von Fassbinder gelernt?

Er wusste ganz genau, was er vorhatte. Das war damals wichtig, weil wir alle nicht reich waren und das Filmmaterial teuer. Fassbinder hat derartig auf Schnitt gedreht, das war fantastisch. Bei ihm kam noch hinzu, dass er mit den Schauspielern gar nicht viel gesprochen hat und man dennoch wusste, was er von einem wollte.

Was er so ein Berserker, wie es immer heißt? Mit unberechenbaren Wutausbrüchen?

Wutausbrüche – nein, davon habe ich nichts mitbekommen. Viele Schauspieler hat er gedemütigt, besonders diejenigen, die er noch aus dem „Antiteater“ kannte und mit denen er zusammenwohnte – das hat mich abgestoßen, wie ich sagen muss. Außerdem war er ein Meister darin, die Leute gegeneinander auszuspielen – also die einen maßlos zu loben und für die anderen als überlebensgroße Vorbilder hinzustellen. Auch das war sehr unangenehm.

Das haben Sie als Regisseurin anders gemacht?

Ich habe immer nach der Devise gehandelt: Wenn ich jemanden kritisieren oder tadeln will, sag ich’s ihm selbst, also ganz leise. Aber wenn ich jemanden loben will, dann sage ich es laut.

Ist das weiblicher Führungsstil?

Keine Ahnung! Das ist mein Stil.

Als Sie begannen, Regie zu führen, gab es nicht viele Frauen hinter der Kamera. Sie selbst taten sich erst einmal mit Ihrem damaligen Lebenspartner, dem Regisseur Volker Schlöndorff, zusammen...

So eine Verliebtheit entsteht ja nicht einfach aus dem Nichts. Wir haben beide in Frankreich studiert, haben beide den Film, besonders auch die Nouvelle Vague, geliebt – das waren alles Punkte, wo wir uns getroffen haben. Im Nachhinein könnte man natürlich denken, dass ich glaubte, es nur mit ihm schaffen zu können. Das will ich mir nicht unbedingt selbst unterstellen, ich will es aber auch nicht ausschließen.

Viele haben es Ihnen damals unterstellt.

Ein Journalist hat mich hinterhältig gefragt: Wenn Ihr Mann Zahnarzt wäre, wären Sie dann auch Zahnärztin geworden?

Gerade erst haben Sie sich dafür ausgesprochen, eine Frauenquote im Filmbereich einzuführen. Ist denn gar nichts besser geworden im Vergleich zu früher?

Doch, natürlich ist vieles besser geworden. Früher konnte man die Regisseurinnen an einer Hand abzählen – auch an den Filmhochschulen arbeiten und studieren heute viel mehr Frauen. Wenn sie das Studium absolviert haben, haben sie es allerdings noch immer schwerer als ihre männlichen Kollegen. Es hat sich schon vieles verändert. Bloß: Bei Filmen, die richtig ins Geld gehen, finden Sie kaum noch Frauen. Und ich merke es auch bei mir selbst: Ich bin davon überzeugt, dass ich weniger Geld bekomme, wenn wir Subventionen für einen Film beantragen, als meine männlichen Kollegen.

Kennen Sie an diesem Punkt Ermüdungserscheinungen?

Schon 1979 haben wir – Helma Sanders-Brahms, Helke Sander und ich – dafür gekämpft, dass Frauen genauso viel Geld und Mittel bekommen wie die Männer. Wir haben eine Arbeitsgemeinschaft für Frauen gegründet und einiges erreicht, aber nicht wirklich viel. Jetzt sind die jungen Frauen dran und wollten unbedingt, dass ich bei ihnen mitmache, zum Beispiel bei der Initiative „Pro Quote Regie“. Ich habe eingewilligt, aber unter der Bedingung, dass sie die Arbeit machen – wir haben es damals gemacht.

Also schon ein wenig müde ...

Man wird ja auch immer so ein bisschen von oben herab betrachtet: Das ist doch lange vorbei, das ist doch längst abgegrast und nicht mehr modern, sich mit solch altfeministischen Forderungen abzugeben. Aber wenn man dann die Tatsachen sieht ...

.. dann ist der Begriff Feminismus noch immer aktuell?

Vielleicht macht sich jeder eine andere Vorstellung von Feminismus. Es gibt sicher auch noch viele Männer, die dies als Quantité négligeable abtun – sollen die Feministinnen doch unter sich bleiben! Aber ich habe so viele Schwierigkeiten gehabt, Regie führen zu können – es gab so viele Hürden, selbst dann, wenn der Film fertig war, so viel Ablehnung, dass ich das so einfach nicht sehen kann.

Was heißt Hürden? Zum Beispiel Geld aufzutreiben?

Es ging auch darum, dass mir überhaupt zugetraut wurde, einen Film zu drehen. Da müssen Frauen immer beweisen, dass sie die Hürde nicht umwerfen, sondern gute Sportlerinnen sind.

Mit ihrem vorletzten Film „Hannah Arendt“ ist Ihnen zumindest ein sportliches Einspielergebnis, und zwar weltweit, gelungen. Hat es Sie nicht erstaunt, dass der Film über Arendts Leben zur Zeit des Eichmann-Prozesses in Jerusalem so gut ankam?

Absolut. Ich meine, es ging immerhin um einen Philosophin und um ein Thema, das weiß Gott nicht einfach ist. Viele haben sich den Film sogar mehrfach angeschaut, was zum Teil auch daran lag, dass manches mit Untertiteln nicht auf Anhieb verständlich war.

Haben Sie schon neue Pläne, jetzt, da sie das Schwesternthema abgeschlossen haben, wie Sie sagen?

Na ja, ich will eine Komödie machen. Das muss ich mir irgendwie noch beweisen – dass ich das auch kann.

Ko-Autorin Pamela Katz schreibt Drehbuch

Schreiben Sie auch das Drehbuch selbst?

Nein, nein, das hat Pamela Katz geschrieben, meine Ko-Autorin bei „Hannah Arendt“. Sie ist Amerikanerin und hat so eine Art Woody-Allen-Witz. Das gehen wir jetzt an – mal sehen, ob wir Geld dafür bekommen...

Spielt Katja Riemann wieder mit?

Nein, die beiden aus „Hannah Arendt“ spielen mit, Barbara Sukowa und Janet McTeer, die die Mary McCarthy gespielt hat – diese beiden haben mich während der Dreharbeiten dazu angeregt, einmal eine Komödie zu versuchen. Die haben sich so gut verstanden, dass sie sich nach diesem schwierigen Film etwas Leichtes gewünscht haben.

Apropos „wünschen“. Ging nun ein Wunsch in Erfüllung, dass sie Teile in „Die abhandene Welt“ tatsächlich in New York drehen konnten? Das Apartment von Hannah Arendt am Riverside Drive stand in Wirklichkeit ja in Luxemburg, wo es in einem Studio nachgebaut worden war.

Wir hatten fünf Drehtage in New York, und das war natürlich wunderbar. Aber zu dem Apartment in „Hannah Arendt“ muss ich Folgendes sagen: Man sah hinter den Fenstern ja die Skyline von New York, die in Wahrheit ein Bild war, eine Spezialanfertigung, mit der man auch den Wechsel zwischen Tag und Nacht vortäuschen konnte. Das aber war so täuschend echt, dass Freunde aus Amerika dachten, wir hätten tatsächlich in New York gedreht.

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