Iwan Herstatts Sohn über ARD-Film„Satire darf nicht bewusst die Unwahrheit sagen“

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Den Kölner Banker Iwan D. Herstatt traf die Pleite der Herstatt-Bank sehr hart. 

  • Die ARD-Satire „Goldjungs“ erzählt den Konkurs der Kölner Herstatt-Bank anhand fiktiver Figuren, doch Iwan Herstatt und Hans Gerling tauchen mit ihren echten Namen auf.
  • Die Darstellung ihres Vaters und des Niedergangs der Bank führt bei den Söhnen des 1995 verstorbenen Bankiers zu Unmut.
  • In einem Gastbeitrag erläutert Johann Herstatt, warum die Familie den Film für irreführend und misslungen hält.

Köln – Es ist schon sehr bedenklich, was man alles unter dem Deckmantel Satire und „Künstlerischer Freiheit“ heute an Fake News geboten bekommt.

Wenn jemand sich durch den Film erhofft, etwas über die wahren Hintergründe des Zusammenbruchs der Herstatt Bank zu erfahren, der wird sehr enttäuscht werden.

Die Bank ist nicht wegen einer durchgeknallten Schar junger Devisenhändler und Drang zum Zocken zum Opfer gefallen, sondern weil eine kleine Gruppe von bankinternen und externen Personen durch manipulierte und fingierte Devisengeschäfte künstliche Gewinne zu Lasten der Herstatt Bank produziert und sich diese „Gewinne“ in Millionenhöhe über eine Schweizer „Econ Bank“ unauffällig in bar ausgezahlt hat.

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Um dies bewerkstelligen zu können, benötigte man die „Abbruchtaste“. Nur so war man in der Lage, Devisengeschäfte buchungstechnisch unsichtbar zu machen und zu fälschen. Damit die Verluste der Herstatt-Bank nicht auffielen, war man gezwungen, ein riesengroßes Rad im Devisenhandel zu drehen, um noch höhere Gewinne als die getürkten Entnahmen für die Bank zu erwirtschaften.

Betrügereien waren im Tagesgeschäft nicht zu entdecken

Mit den klaren Vorgaben der Geschäftsführung, wie hoch die Bank ins eigene Risiko gehen durfte, war das nicht zu schaffen. Auch hier half die Abbruchtaste das wahre Handelsvolumen der Geschäftsführung, der internen Revision und den Wirtschaftsprüfern vorzuenthalten.

Alles können Sie dem Buch meines Vater Iwan Herstatt „Die Vernichtung“ im Detail entnehmen. Was wirklich geschah, hatte erst die Staatsanwaltschaft nach einer dreijährigen Recherche bei offenliegenden Karten ermitteln können.

Die wesentlichen Betrügereien dauerten nur wenige Monate an und waren im laufenden Tagesgeschäft nicht zu entdecken. Nach Aufkommen von Gerüchten im Markt veranlasste mein Vater sofort Sonderanalysen durch den Wirtschaftsprüfer, der aber auch nichts Konkretes finden konnte.

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Satire soll ja alles zuspitzen, um die Wahrheit zu verdeutlichen. Ich erkenne aber nichts, was der Wahrheitsfindung hilft. Der echte Baron war ein Graf, weder homosexuell, malte keine Angestellten und dass er von der Abbruchtaste etwas wusste oder sie sogar selbst beauftragte ist schwer vorstellbar.

Die Chefsekretärin hat weder mit Kunden Geschäfte abgeschlossen und Zinsen verhandelt (total absurd), noch ruinöse Devisentermingeschäfte abgeschlossen und war 30 Jahre nach der Insolvenz immer noch bei bester Gesundheit. Der Leiter der internen Revision war leider nicht der Superheld wie im Film und konnte weder die Verluste noch die Abbruchtaste finden.

Mein Vater war kein Direktor, er war persönlich haftender Gesellschafter, war Gründungsinitiator und hielt immer etwa 10% der Herstatt Aktien. Seine Anrede war Herr Bankier oder einfach Herr Herstatt. Zu Bankzeiten war mein Vater bei bester Gesundheit. Im Schlaf kann man nicht innerhalb von 20 Jahren die größte Privatbank Deutschlands aufbauen.

Der gesundheitliche Verfall kam erst später unter anderem durch einen nicht erkannten Herzanfall in der Untersuchungshaft.

Satire darf eigentlich alles, weglassen, hinzufügen, übertreiben, aber eines darf sie nicht, bewusst die Unwahrheit sagen. Relativ am Anfang des Films wird behauptet, dass der Leiter der Devisenabteilung (Herr D. mit vollem Namen genannt) das Bankhaus verlassen habe. Das ist eindeutig falsch und geht zu weit. Was soll man dem Film eigentlich noch glauben? Dann sollte man auch die Namen Herstatt und Gerling nicht verwenden.

Schade, dass man zum 47. Jahrestag der größten Bankpleite Deutschlands nicht etwas mehr aus dem Thema gemacht hat.  

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