James-Bond-TitelsongBillie Eilish haut dich einfach um

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Billie Eilish in Los Angeles

  • US-Sängerin Billie Eilish hat den Titelsong des neuen Bond-Films „No time to die“ gesungen.
  • Die Erwartungen an die erst 18-Jährige Eilish, die mit Goth Pop die Charts stürmt, waren turmhoch.
  • Gemessen daran ist das Ergebnis eine Enttäuschung. Aber ein Ergebnis, das dennoch ein Triumph ist. Eine Rezension.

Köln – In den 1960er Jahren, als James-Bond-Filme noch neu und aufregend und glamourös und sexy waren, galt das ausgerechnet nicht für die Interpreten der jeweiligen Titelstücke. Für die verpflichtete man stimmgewaltige, aber stockkonservative Nachtclub-Acts wie Matt Monro („From Russia with Love“), Shirley Bassey („Goldfinger“) und Tom Jones („Thunderball“), während außerhalb des Agenten-Franchises die Beatles, Rolling Stones und James Brown die Musikgeschichte veränderten.

Heute, wo James Bonds größter Gegner kein megalomanischer Irrer mit Weltvernichtungsplänen, sondern seine eigene, schwindende kulturelle Relevanz ist, verpflichtet Eon Productions regelmäßig die aktuell beliebtesten Popstars und überlässt ihnen (und ihrem Team) auch die Komposition des Titelstückes.

Die Ankündigung, dass Billie Eilish das Lied zum 25. Bond-Film „No Time to Die“ („Keine Zeit zu sterben“) übernehmen würde, sorgte dennoch für Aufsehen. Die kaum 18-jährige Eilish ist die bislang jüngste Bond-Interpretin.

Als sie geboren wurde, bereitete Pierce Brosnan sich gerade auf die Dreharbeiten zu seinem letzten Auftritt als 007 in „Die Another Day“ („Stirb an einem anderen Tag“) vor, mit dem die Agentenreihe dann einen neuen Tiefpunkt erreichte.

Wie radikal würden Eilish und ihr mitkomponierender und produzierender Bruder Finneas O’Connell die doch recht festgefügte Idee eines James-Bond-Songs verändern? Würden sie den ältlichen Smokingträger mit Trap-Beats, Goth Pop und ASMR-Gesang überfordern („Autonomous Sensory Meridian Response“ bezeichnet das kribbelige Gefühl auf Kopfhaut und Nacken, dass etwa durch geflüsterte Youtube-Videos ausgelöst wird)?

Eine Enttäuschung – gemessen an den Erwartungen

Gemessen an diesen Erwartungen ist „No Time to Die“ — das Stück wurde in der Nacht zum Freitag veröffentlicht — eine Enttäuschung. Dieser Bond-Song klingt jedenfalls viel mehr nach Bond-Song als nach Billie Eilish.

Schon die ersten Takte zitieren John Barrys „Diamonds Are Forever“, das Titelstück zum siebten Bond-Film, das Eilish wohl eher in der 2005er Beinahe-Coverversion von Kanye West („Diamonds from Sierra Leone“) kennen dürfte. Obwohl: da war sie auch erst vier.

Die echolotartig nachhallende letzte Klaviernote des Ostinatos erinnert zudem an Bill Contis „For Your Eyes Only“ (dem Lied zum Bond Nummer 12). Bald darauf erklingt — erwartbarerweise — die Eröffnungsfanfare des „James Bond Theme“ und später hört man auch die charakteristisch klingelnde Surf-Gitarre aus demselben, übrigens von niemand geringerem gespielt als Johnny Marr, dem ehemaligen Gitarristen von The Smiths, von denen man sich in den 1980ern sehnlichst ein Bond-Titelstück gewünscht hätte.

Verwandtschaft zu Adeles „Skyfall“

Im Grunde aber ist „No Time to Die“ eine klassische Pianoballade, und unterhält nähere Verwandtschaftsbeziehungen zu Adeles „Skyfall“ als zu Eilishs Debütalbum, nur dass die junge Pophoffnung hier nicht mit Shirley-Bassey-Schwung aus dem Zwerchfell schmettert, sondern ihre Alt-Stimme ganz nah am Mikrofon vibrieren lässt, so viel Gänsehaut im Nacken muss dann doch sein.

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Eilish singt von Liebe, Betrug und Reue: „War ich töricht, dich zu lieben?/ War es waghalsig zu helfen?/ War es offensichtlich für alle anderen?“. In schöner Bond-Tradition funktioniert das sowohl als Hinweis auf den Plot des kommenden Films („No Time to Die“ kommt am 2. April in die Kinos), wie als allgemein nachfühlbare Liebesklage.

Hat man sich einmal von der sanften Enttäuschung erholt, dass sich hier eine achtungsvolle Eilish vor einem fast viermal so alten Film-Franchise verbeugt, und nicht andersherum, muss man zumindest konstatieren, dass „No Time to Die“ ein mehr als nur kompetent komponierter Song und zudem ein Triumph des Sounddesigns ist.

Wie der Song langsam und kaum merklich vom Kinderschlafzimmer-Schmachtlied zur ganz großen Agentenoper anschwillt, das haut einen auch beim zehnten Hördurchgang noch um.  

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