Johannes B. Kerner über seinen Job„Mein Impetus ist nicht, die Welt zu verbessern“

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Johannes B. Kerner

  • Im ZDF moderiert Johannes B. Kerner "Die große Terra-X-Show" und "Quiz-Champion".
  • Im Interview spricht der 56-Jährige über Moderieren ohne Publikum, seine Liebe zum Fußball und erklärt, warum er nicht neidisch auf Markus Lanz ist.

Herr Kerner, wenn man den Beruf des Moderators so lange ausübt wie Sie – ist es dann vor allem Handwerk oder bleibt noch Platz für Kreativität?

Johannes B. Kerner: Handwerk und Kreativität schließen sich ja nicht aus. Aber ich bin ganz klar Fernseh-Handwerker - und zwar sehr gerne. Ich nehme meinen Job ernst, ich bin ja kein Showstar. Aber ein Tischler ist auch ein Handwerker und kann kreativ sein. Ich bereite mich vor, ich nehme die Formate, die Sendungen und die Gäste ernst. Das hilft auch bei der eigenen Aufregung, wenn es losgeht, denn natürlich ist man angespannt und respektvoll nervös. Aber wenn ich mich gut vorbereite, hilft das gegen alles. Das ist meine berufliche Lebensversicherung. Aber was können Sie tun, wenn Sie in einer Sendung merken, dass es nicht so gut läuft?

Ich spüre relativ schnell, ob eine Sendung funktioniert oder nicht. Das weiß man nach so vielen Jahren. Aber ich kann Einfluss nehmen, ich kann das Tempo verschärfen oder die Zügel lockerer lassen. Ich bin nicht nur der Spielleiter, sondern der, der im Moment der Sendung im Studio auf dem Kutschbock sitzt und das in der Hand hat. Wie wichtig ist das Publikum? Und wie stark verändern die aktuellen Rahmenbedingungen die Arbeit?

Das Publikumslose hat es verändert. Das ist ein fremdes Gefühl, weil weniger Atmosphäre, weniger Grundlage im Studio ist, aber man gewöhnt sich daran. Applaus wird zugespielt, und der Gefühlsteppich ist dann da wie in einer normalen Sendung. Sie vermissen das Publikum gar nicht mehr so sehr?

Doch. Ich werde nicht müde zu betonen, dass ich mich nach nichts mehr sehne als nach der Wiederkehr des Publikums im Studio und nach großen Veranstaltungen. Aber nicht nur für mich als Moderator, sondern für alle ist es unabdingbar, dass wir wieder zusammen kommen. Das Schicksal eines Fernsehmoderators, der ohne Publikum moderieren muss, ist da überschaubar, aber ich freue mich natürlich sehr, wenn ich wieder welches habe. Hat sich der Stellenwert des Unterhaltungsfernsehens in Pandemie-Zeiten verändert?

Tatsächlich wird ja viel produziert im Moment, die Leute gucken unglaublich viel Fernsehen. Das ist ja auch eine der wenigen Formen von Zerstreuung, die man gerade haben kann. Aber man müsste es mal genauer untersuchen. Ich bin nicht vermessen genug, das zu behaupten, das ginge mir zu weit. Unterhaltung hat natürlich auch in diesen Zeiten eine Berechtigung, aber wenn ich die Frage zugespitzt beantworte, hieße das ja, Zerstreuung ist besser als Information, und das glaube ich nicht. Täuscht der Eindruck oder tun sich Deutsche mit reinen Unterhaltungsformaten eher schwer? Man muss immer auch etwas lernen, da muss eine Botschaft sein.

Vielleicht ist das der Grund, warum Quiz-Sendungen in Deutschland so gut funktionieren. Aus einer Quizsendung geht man ja idealerweise etwas klüger raus als man reingekommen ist, vielleicht sogar mit dem Ansatz von „Ach Mensch, zu dem Thema kauf ich mir ein Buch, das will ich vertiefen“. Wenn das so wäre, hätte ich nichts dagegen. Mein Impetus ist aber nicht, die Welt verbessern und die Leute klug machen zu wollen. Wir machen Unterhaltungssendungen. Im Wort Unterhaltung ist aber Haltung drin. Da muss nicht alles tralalala sein. Viele Shows sind reine Zerstreuung, aber sie haben trotzdem eine Berechtigung, sie sind ja deshalb keine schlechten Fernsehsendungen. Sie ersetzen allerdings nicht, dass man ein gutes Buch liest. Es sollte additiv sein.

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Sie waren in Ihrer Karriere ja auch längere Zeit bei Sat.1, nun sind schon seit vielen Jahren beim ZDF. Wo fühlen Sie sich wohler?

Ich hatte Anfang der 90er Jahre eine sehr glückliche Zeit bei Sat.1. „ran“ war eine wirklich andere Fußballsendung. Ich hatte damals die Chance, in einem tollen journalistischen Umfeld meine ersten Gehversuche in der großen, weiten Welt des Fernsehens zu machen. Von 2009 bis 2013 war ich dann nicht so glücklich dort. Heute würde ich sagen das ZDF ist meine Heimat, ich fühle mich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sehr wohl. Schielen Sie manchmal eigentlich ein bisschen neidisch auf Markus Lanz, der ja mehr oder weniger Ihre Sendung fortgeführt hat? Sein Talk liefert oft Schlagzeilen, da tauchen viele große Namen auf.

Markus Lanz ist ja mein direkter Nachfolger, aber um die Wahrheit zu sagen, mich juckt es überhaupt nicht, diese Sendung zu machen. Wir durften früher sechs Wochen vor Landtagswahlen und drei Monate vor Bundestagswahlen keine Politiker einladen, das war viel stärker als Unterhaltungsmarke positioniert. Dass er nun eine viel stärkere Wahrnehmung hat, auch pandemiebedingt, ist klar. Die Leute wollen wissen, was Sache ist. Sie haben ein gesteigertes Informationsbedürfnis. Und er macht das gut. Während der Fußball-EM werden Sie dem ZDF untreu und berichten für Magenta TV über das Turnier. Kommen Sie nicht los vom Fußball?

Ich wusste schon zum Ende meiner Grundschulzeit, was ich werden wollte – Sportreporter. Das waren meine Helden. Ich bin glücklich, dass ich das werden durfte. Wenn du Sportreporter bist, bleibst du das im Herzen immer. Ich freue mich sehr auf die Europameisterschaft und bin dem ZDF dankbar, dass es mir diesen kleinen Ausflug erlaubt. Das lineare Fernsehen wurde schon oft totgesagt, behauptet sich aber prächtig. Welche Zukunft sagen Sie ihm voraus?

Das Fernsehen hat eine innere Vitalität. Natürlich verändert es sich, das war so, als die Privatsender aufkamen, das ist heute so mit Anbietern, die ja gar keine klassischen Sender sind. Der Kuchen bleibt der Kuchen, und die Stücke werden anders verteilt, aber das lineare Fernsehen hat eine große Lebenskraft. Zum Schluss noch die Frage, wie Sie Ihre Corona-Erkrankung vor gutem Jahr verkraftet haben?

Ich habe kein Long Covid und keine Symptome über die akute Erkrankung hinaus. Mein schärfstes Symptom damals war Langeweile, weil ich 14 Tage zuhause bleiben musste. Da hab ich gespürt, dass der Mensch doch ein soziales Wesen ist. Ich wünsche mir daher wahnsinnig, dass Treffen bald wieder möglich sein werden, dass man mit vielen Menschen an einem Tisch sitzen kann, wieder reisen darf, meine Kinder ihre Freunde treffen können. Und natürlich habe ich die Hoffnung, dass sich dauerhaft immer weniger Menschen anstecken und schwere Verläufe haben.

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