Jüngster Professor DeutschlandsDas fasziniert Benedikt Wirth so sehr an Mathematik

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Benedikt Wirth arbeitet häufig über Wochen, Monate, manchmal sogar Jahre an einer Lösung für ein mathematisches Problem.

Gleichungen lösen, Variablen errechnen, Graphen interpretieren: In der Schule ist Mathe für viele nervig und oft wissen Jugendliche nicht, wofür sie Stochastik, Matrizen und Kurvendiskussion überhaupt lernen sollen. Doch das Fach kann spannender sein, als es auf den ersten Blick scheint: Mit mathematischem Wissen Unternehmen beraten? Oder Ärzten helfen, Diagnosen zu stellen? Abgesehen davon, dass Zahlen, Formeln und Hypothesen viele Menschen noch länger begleiten, als im Abistress zunächst gedacht, kann Mathematik viel mehr als nur Zahlensalat im Kopf verursachen.

Mathematik ist Faszination

Benedikt Wirth ist jemand, der sich nicht hat verwirren lassen. Er hat sich vollkommen von der Logik der Mathematik inspirieren lassen – und hat es bis zum Professor für mathematische Optimierung an der Universität Münster geschafft. Der 34-Jährige hat zwar ursprünglich Maschinenbau studiert, sich in seiner Promotion aber für die Mathematik entschieden. „Ich bin überzeugt: Wenn man etwas gerne macht, dann schafft man das auch – egal, wie spät man damit startet“, so Wirth.

Auch wenn er in seinem Fach ein Überflieger ist – immerhin gehörte er schon im Alter von 31 Jahren zur Garde der ordentlichen Professoren und war damit einer ihrer jüngsten Vertreter: Wirth ist sicher – Mathematik ist Faszination. „Es gibt eindeutig richtig oder falsch. Das kann man mit Gewissheit sagen“, sagt der junge Professor überzeugt. „Solch eine Klarheit gibt es in keiner anderen Wissenschaft.“

Um diese Klarheit zu erreichen, dreht sich in der Mathematik alles um Beweise – alles, was behauptet wird, muss bewiesen werden – daran führt kein Weg vorbei. Einige Mathematiker beschäftigen sich mit diesem Wissen auch oft mit Problemen, die in anderen Wissenschaften auftreten: Fragestellungen aus der Biologie, Chemie oder Physik können mathematisch formuliert und beantwortet werden.

Vereinfachung soll das Ziel sein

In so einer mathematischen Formulierung kann dann das Zutreffen oder Nichtzutreffen von Hypothesen eindeutig nachgewiesen werden. Diese Beweise müssen laut Wirth aber möglichst einfach formuliert werden: „Wir möchten eine ästhetische Lösung finden. Eine Formel muss beispielsweise möglichst viel beschreiben können, aber sie soll auch möglichst leicht anzuwenden sein.“

Doch nur diese eine Lösung zu finden, ist nicht das langfristige Ziel eines Mathematikers: „Wir versuchen immer neue Beweise für Probleme zu finden oder allgemeinere Lösungen zu entdecken, um die Zusammenhänge noch weiter vereinfachen und klarer machen zu können.“ Das Ziel, aus einer ursprünglichen Definition weitere Folgerungen zu ziehen, sei wie ein riesiger Baum: Eine tiefgründige mathematische Aussage sei der Stamm – alle Blätter und Äste sind Folgerungen, die sich aus dem Ursprung ergeben.

Weit weg vom Schul-Mathe

Wenn Benedikt Wirth über seine Arbeit spricht, wenn er erklärt, womit er sich beschäftigt, wird schnell klar: Das geht weit über lineare Funktionen, binomische Formeln und den Satz des Pythagoras hinaus. Schon beim ersten Zuhören wird klar: Das, womit sich der Professor beschäftigt, hat wenig mit der Mathematik aus der Schule zu tun. „Wenn man Aussagen mit absoluter Gewissheit treffen möchte, braucht man eine formalisierte Sprache“, sagt Wirth. Und die lerne man in der Schule. „Plus, Minus, Mal, Geteilt: Das sind bereits kleine Systeme, in denen man richtig und falsch unterscheiden kann.“ Die richtige Mathematik diene dann dazu, die Sprache zu benutzen und zu erweitern.

Mit der richtigen Sprache ausgestattet, beschäftigt sich Benedikt Wirth mittlerweile mit vielen verschiedenen mathematischen Problemen. Sein Vorteil: Er liebt das Rätseln. Dieses will er auch in der sogenannten mathematischen Bildverarbeitung lösen. Dabei befasst er sich mit Bilddaten, die etwa beim Fotografieren entstehen, oder wenn Biologen ein Mikroskop benutzen. Auch in der Medizin sind Bilddaten wichtig, zum Beispiel bei der Computertomographie (CT). „Wir wollen, dass der Patient möglichst wenig Strahlung ausgesetzt ist“, so Wirth über den Vorgang, wenn Röntgenstrahlen ausgesandt und damit der Körper quasi durchleuchtet wird.

Durch möglichst wenige Strahlen wird allerdings die Menge an gemessenen Informationen geringer. Mathematisch soll aus der gemessenen Information ein Bild des Körperinneren rekonstruiert werden: „Wir fragen uns deshalb: Mit welchen Formeln und Algorithmen lässt sich berechnen, wie das Körperinnere aussieht, und wie groß sind die durch fehlende Information entstehenden Fehler?“ Unschärfe, falsche Belichtung: All das kennt auch der Hobbyfotograf und tritt auch bei medizinischen Bildern auf. Diese Fehler lassen sich jedoch mathematisch erfassen und gegebenenfalls sogar korrigieren.

Ausdauer und hohe Frustrationstoleranz

Wem diese Vorgänge nicht sofort einleuchten, sei gesagt: Mathematiker beschäftigen sich teils Monate und Jahre mit einem einzigen Problem. Geduld ist eine Fähigkeit, die jeder Wissenschaftler verinnerlicht haben muss. Um mathematische Rätsel zu lösen, braucht auch Benedikt Wirth Ausdauer – „und am Ende heißt Mathematik nicht zwangsläufig, dass alles einfach zu verstehen ist“, so der Professor. Am Ende lohne es sich jedoch, durchzuhalten: Mit Mathematik lassen sich viele Probleme lösen.

Mathe in der Beziehung

Diese Probleme müssen auch nicht nur in den Naturwissenschaften liegen: Das beweist die 36-jährige Christina Wirth, Ehefrau von Benedikt Wirth. Sie hat Mathematik studiert und anschließend in Volkswirtschaftslehre promoviert. Als Kind wollte sie eigentlich Ärztin werden. Doch nach dem Abitur entschied sie sich für die Mathematik: „Bei der Medizin wusste ich, was beruflich auf mich zukommt – bei der Mathematik nicht. Trotzdem habe ich mich gefragt: Warum mache ich nicht einfach das, was meine Leidenschaft ist; auch wenn der Karriereweg nach dem Studium noch unklar scheint?“

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Ihre Leidenschaft führte sie schließlich zur Spieltheorie. Dabei wendet sie die Mathematik an, um zu schauen, wie Menschen miteinander agieren und welche Konsequenzen dieses Verhalten hat. „Eine einfache Interaktion zwischen Menschen ist das Schere-Stein-Papier-Spiel. Doch das Ausrechnen dieser Interaktion sowie das Reagieren von Menschen auf äußere Einflüsse, wie etwa die Entstehung von Preisen in der Wirtschaft, ist mathematisch eine Herausforderung“, so Wirth.

Nicht nur Männersache

Ihre Begeisterung für mathematische Modelle hat sie letztendlich zu ihrem Beruf geführt: Sie ist Unternehmensberaterin geworden. Was passiert, wenn eine Firma einen bestimmten Ablauf umstellt? Wie entwickelt sich das Unternehmen mit mehr oder weniger Personal? Mit diesen Gedankenmodellen kann Wirth Strategien aufbauen – und dabei hilft ihr der mathematische Hintergrund. „Ich gehe bei Problemen anders vor als einige meiner Kollegen, die zum Beispiel eine Geisteswissenschaften studiert oder die Beratung von der Pike auf gelernt haben“, sagt Wirth. Eine mathematisch strukturierte Herangehensweise und die Bereitschaft, unorthodoxe Lösungen für ein Problem zu suchen, seien ihre Vorteile. „Mathematiker geben nicht auf, wir wollen einen kreativen Weg finden, um unseren Beweis für ein Problem zu liefern“, sagt Wirth über die richtungsweisenden Knobeleien. Genau das sei in der Unternehmensberatung gefordert.

Dass sie eine der wenigen Frauen sowohl während des Studiums als auch in ihrem Job ist, hat Wirth nie zweifeln lassen – im Gegenteil: „Es ist durchaus angenehm zu zeigen, dass eine weibliche Herangehensweise an Probleme sinnvoll ist“, so die Mathematikerin. „Am Anfang musste ich mich zwar durchsetzen, aber ich konnte zeigen, dass ich gute Wege finden kann, um Probleme zu lösen“, sagt Wirth. Aber auch in einer Männer-Welt sei es wichtig, dass sich die Frauen die weiblichen Vorzüge des Denkens bewahren. „Frauen müssen nicht die besseren Männer sein.“

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