Kapitalismus-Talk bei PlasbergJuso-Chef Kevin Kühnert lässt Superreichen auflaufen

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Jusos-Chef Kevin Kühnert

Nein, als Erpresser will sich Christoph Gröner nicht beschuldigen lassen. Sein Handeln gegenüber Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, das wäre nur im Sinne seiner Aktionäre gewesen, verteidigt sich der Multimillionär bei „Hart aber Fair“. Grund für die Anschuldigung, die Moderator Frank Plasberg selbst in den Raum geworfen hat, ist Gröners Vorgehen bei seinem Bauprojekt in Köln, dem „Cologneo I“. Gröner hat für 350 Millionen Euro die halbe Deutz-Mülheimer Straße gekauft und will hier ein neues Stadtviertel mit schicken Eigentumswohnungen bauen lassen.

Gröner wollte Reker Dampf machen

Aber das mit der Baugenehmigung, das ging dem Unternehmer wohl nicht schnell genug. Wie ein Einspieler aus der ARD-Doku „Ungleichland“ zeigt, kündigte Gröner bei einem Treffen mit seinen Mitarbeitern im vergangenen Jahr an, mit Reker ein Gespräch suchen zu wollen, um den Baubeginn von Juli dieses Jahres in den April vorzuziehen. Dass der Stadt Personal fehle, um seinen Antrag zu bearbeiten, das „gehe nicht“.

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Bauunternehmer Christoph Gröner

„Wir können denen ja mitteilen, dass die Niederlassung Nordrhein-Westfalen sich dann vielleicht doch nach Düsseldorf einkehrt. Ich glaube, die Frau Reker, wenn die Gewerbesteuerzahlungen der CG Gruppe hier wegfallen, das wird sie schon beeindrucken“, sagt Gröner in der Szene aus einer Firmenkonferenz.

Alles zum Thema Henriette Reker

Am Ende blieb es beim Baubeginn im Juli. Gröner erzählt aber, er sei tatsächlich bei Reker gewesen und hätte ihr gesagt, dass seine „CG Group“ bereit wäre, eine Milliarde Euro zu investieren. „Frau Reker hat sich dann toll engagiert und sich sehr gut für uns eingesetzt“, sagt er.

Kühnert bringt es auf den Punkt

Kevin Kühnert, Chef der Jusos, hat dafür nur ein angestrengtes Kopfschütteln übrig. Dann bringt der 28-Jährige es auf den Punkt: „Herr Gröner will als Leistungsträger in unserer Gesellschaft besonders mitbestimmen können. Das nennt man Oligarchie. Und ich mag keine Oligarchie.“ Das findet Gröner unverschämt.

Worum ging es?

Bertolt Brecht schrieb einst 1934 in seinem Alfabet: „Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“. Und genau unter diese simple Wirtschaftsformel stellte Plasberg seine montagliche Talkrunde. Es ging um die viel gefürchtete Schere, die sich anscheinend langsam so weit dehnt, dass sie bald nur noch Messer ist; um Vermögens- und Erbschaftssteuer und um des deutschen schönstes Kulturgut: den Neid. „Der Club der Reichen – wie viel Ungleichheit verträgt das Land?“ fragte Plasberg. Antworten sollten ein Multimillionär, ein SPD-Nachwuchspolitiker, ein FDP-Seniorpolitiker, eine Wirtschaftsjournalistin und ein Universitätsprofessor. Deswegen war für jemanden, der tatsächlich in Armut lebt, leider kein Platz mehr am Tisch. Ist aber auch egal, er oder sie wären sowieso nicht zu Wort gekommen, denn eigentlich war die Sendung mehr dialogischer Showdown zwischen Gröner und Kühnert als wirklich eine Talkrunde.

Die Gäste:

Wenn man ein Kind bitten würde, einen sehr reichen Mann zu zeichnen, das Bild sähe sicher aus wie Christoph Gröner. Der Bauunternehmer ist ein großer Mann mit perfekt sitzendem Anzug, viel Zähnen und Haargel und einem penetranten Drang, seine schiefen Vorstellungen von Rechtstaatlichkeit mitzuteilen.

Damit hat er sich in dieser Woche schon durch das „Zeitmagazin“ und erwähnte ARD-Doku krawallt, nun mussten auch noch die „Hart aber fair“-Zuschauer seinen furchteinflößenden Samariter-Ambitionen lauschen. Gröner bezeichnet sich selbst als „Mittelständler“, obwohl sein Privatvermögen auf rund 80 Millionen Euro geschätzt wird. „Reichtum ist keine Sünde und auch nichts Schlechtes“, lässt er die Zuschauer wissen. Das bezweifelt man leider zunehmend, wenn man ihm zuhört.

Lieber einen Fonds statt Steuern

Natürlich findet er nicht, dass Reiche zusätzlich besteuert werden sollten, denn Steuern, die würden nur falsch ausgegeben. Trotz dreimaliger Erhöhung schaffe es der Staat nicht, Kindern kostenloses Schulessen zu garantieren und versaue ihm so die gut ausgebildeten Arbeitskräfte für seinen Betrieb. Gröner wünscht sich lieber einen Fonds, in den er und seine Charity-Upper-Class-Freunde einzahlen und bei dem sie entscheiden dürfen, wo das Geld hinfließt. Nämlich in gute Bildung und Schulen. Das ist sicher ein edles Anliegen, wird allerdings wieder durch die nicht so edle Behauptung relativiert, der Staat schenke Hartz-4-Schmarotzern, die nicht mehr arbeitswillig seien, einfach so Geld.

Als Kühnert Gröner aufklärt, dass Demokratie und Sozialstaatlichkeit so leider gar nicht funktionieren, wird der Superreiche pampig. „Der Staat versucht mit Gewalt etwas durchzusetzen“, sagt er und meint die Steuern, „Das tut er, wo es besonders leicht ist.“ Zum Beispiel bei den Reichen. Bei anderen Sachen wie diesen „Drogenparks“ klappe das nicht so toll.

Schräger Erklärungsversuch

Als Plasberg geschickt nachfragt, was denn „Drogenparks“ mit Vermögensbesteuerung zu tun hätten, zieht Gröner einen bizarren Vergleich: So viel Geld würde doch hier durch Schwarzhandel verloren gehen, da sollte man ansetzen. Nicht bei den Reichen. Gegenrede Kühnert: „Es gehen 50 Milliarden Euro im Jahr durch Steuerhinterziehung verloren. Das passiert doch nicht im Görlitzer Park, sondern in Chefetagen von Unternehmen.“ Damit ist dann eigentlich auch alles gesagt.

So langsam möchte man glauben, Kevin Kühnert könnte man zu jedem beliebigen Thema befragen, er findet immer die richtige Balance zwischen bockigen Anti-Alles-Armeverschränken und konstruktiver, wortgewandter Kritik. Auch zum Thema Armut ist Kühnert hervorragend informiert und kontert Gröner so oft aus, dass dem irgendwann nichts mehr anderes übrig bleibt, als den Juso-Vorsitzenden als „einen der Linken“ zu „beschimpfen“. 

Kühnert plädiert für Unternehmenssteuer

„Ich gönne Herrn Gröner seinen Reichtum“, sagt Kühnert, „Aber seine Häuser hat er nicht alle selbst renoviert.“ Gröner profitiere davon, dass es der deutschen Gesellschaft gut gehe, er profitiere von den Rahmenbedingungen in Deutschland, von der guten Schulbildung seiner Arbeitnehmer und der hiesigen Infrastruktur. „Da ist es nur gerecht, dass er einen ordentlichen Teil zurückgibt“, befindet Kühnert. Er schlägt dafür die Wiedereinführung der ausgesetzten Vermögenssteuer vor.

Dabei will Kühnert – und das verleiht ihm eine außerordentlich sympathische Position in dieser Debatte – nicht wahllos die Umverteilungs-Keule schwingen, wie es die echten „Linken“ so gerne fordern, sondern stellt fest, dass scheinbar, wenn Gröner zum Beispiel von schlechten Bildungsstandards spricht, das deutsche Gemeinwesen nicht ausreichend finanziert ist – gemessen an den Wünschen, die die Gesellschaft für ebendieses hat. „Wir müssen Steuern rausholen, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden“, sagt Kühnert.

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Konkret fordert der Anti-Groko-Held noch eine neue Erbschaftssteuer mit hohen Freibeträgen, die Omas Häuschen decken, aber alles darüber besteuern. „Wenn Sie heute 100.000 Euro im Jahr verdienen, zahlen sie etwa 30.000 Euro Steuern. Wenn sie denselben Betrag erben, zahlen Sie gar keine Steuern. Ist das gerecht?“ fragt Kühnert. Und jeder Nicht-Millionär würde wohl mit einem „Nein“ antworten.

Unterstützung für Gröner

Hermann Otto Solms hätte sich auch ein „Team Christoph“-Shirt anziehen können, so klar stellt sich der FDP-Bundestagsabgeordnete von Beginn an auf Gröners Seite. „Wodurch ist denn der Wohlstand entstanden? Durch Arbeit. Und wodurch entsteht Arbeit? Durch Investitionen“, binnenweisheitet er zum Einstieg, ehe er dann ein sparflammendes Plädoyer für die Oberschicht hält. Deutschland, das müsse man in Erinnerung haben, hätte mit Belgien die höchste steuerliche Abgabenlast. Und der Staat hätte genug Möglichkeiten, dieses Geld – es sei sehr viel – richtig zu verwenden.

„Ich komme aus Hessen, wir haben vorzügliche Schulen, da gibt es keinen Bedarf an Privatschulen“, sagt Solms und man möchte ihn am liebsten prompt an eine Schule in Köln-Chorweiler oder Duisburg-Marxloh einladen. Aber Solms ist gedanklich schon weiter: „Die Erfolgreichen investieren, investieren und investieren. Was würde denn der Staat mit dem Geld machen? Der Staat hat eine Investitions-Quote von zehn Prozent.“ Nun vergisst er dabei, das merkt der Soziologe Michael Hartmann schon ganz richtig an, die Ausgaben für Polizisten oder Lehrer oder andere Beschäftige im öffentlichen Dienst – die dann zum Beispiel Gröners Bauanträge bearbeiten. Sicher kein verschwendetes Geld.

Solms ist, das hat Plasbergs Team recherchiert, Vorsitzender der „Stiftung Eigentum“, die sich dafür einsetzt, dass Eigentum und Erbrecht gewährleistet werden. Dennoch hat er selbst auf das Vermögen seiner Adelsfamilie verzichtet, um „die Ärmel hochzukrempeln“. In der Runde bleiben seine Ellen aber leider die ganze Zeit verdeckt. 

Der Neid in Deutschland ist groß

Zum Thema Neid ist Bettina Weiguny die Expertin, sie hat mit ihrem Mann gleich ein ganzes Buch über die „Eliten“ geschrieben. Die Wirtschaftsjournalistin glaubt, die Neiddebatte sei wahnsinnig stark in Deutschland und das zu Unrecht. „Es sieht immer so aus, als gehe es allen unten so wahnsinnig schlecht, und denen da oben so wahnsinnig gut“, sagt sie. Dabei sei das System in Deutschland ein dynamisches, es gebe Aufstieg wie Abstieg, den Weg von unten nach oben, auch wieder andersherum. Dass fast ein Drittel des gesamten Privatvermögens von elf Billionen Euro nicht von den Eigentümern selbst erwirtschaftet, sondern ererbt wurde und Familien so über Generationen reich bleiben, interessiert Weiguny bei dieser These nur bedingt.

Klar, die Grundvoraussetzungen seien „wahnsinnig ungerecht“, man schaue sich nur den Fall der BMW-Familie Quandt an, da hätten die Kinder natürlich bessere Chancen, auch mal erfolgreich zu werden. Aber von deren Investitionen „floriere“ ja die Region um München. Ob sie damit die E-Auto-Technologie und die sauberere Luft für Pflanzen meint, bleibt offen.

Einen Tag im FDP-Kostüm

Professor Michael Hartmann bleibt der stillste Teilnehmer der Runde, obwohl er das eigentlich gar nicht sein möchte, so scheint es, wenn er denn mal lautstark das Wort ergreift. Hartmann hat viel Ahnung und sehr viele Zahlen im Kopf, leider zu viele, als dass irgendwer fachfremdes ihm in seinen Bilanz-Monologen noch folgen könnte. Es bleibt so viel hängen: Familienunternehmen sind schlecht und die Steuerbeschlüsse der vergangenen zwei Jahrzehnte auch. Immerhin macht der Soziologe den besten Gag der Sendung: Als Plasberg am Ende fragt, mit wem Hartmann in der Tallkrunde mal für einen Tag die Rollen tauschen wollen würde, antwortet der: „Mit Herrn Solms, um zu sehen, wie die FDP auf ihr politisches Programm kommt.“

Darüber können wirklich alle Gäste, inklusive Solms, lachen. Schön also, dass in dieser verzwickten Debatte wenigstens ein Konsens gefunden wurde.

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