Abo

Klage wegen Nichtbeschäftigung„Der WDR hat ein Problem“

Lesezeit 3 Minuten
WDR

Der Schriftzug des WDR am Funkhaus in Köln

  • Der WDR-Redakteur Jürgen Döschner hat seinen Sender vor dem Arbeitsgericht verklagt.
  • Er macht geltend, dass der Sender ihm seit Jahren nichts zu tun gibt.
  • Gregor Thüsing, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Bonn, erklärt, warum es sich um einen Fall handelt, den es „eigentlich gar nicht geben kann“ und warum der WDR jetzt ein Problem hat.

Herr Professor Thüsing, kann ein Arbeitnehmer dagegen klagen, wenn man ihm nichts zu tun gibt?

Professor Gregor Thüsing: Jeder Arbeitnehmer hat nicht nur Anspruch auf Entgelt, sondern auch auf Beschäftigung. Das hat das Bundesarbeitsgericht schon vor vielen Jahren festgestellt. Arbeit ist mehr als Broterwerb, sondern auch Austausch, Selbstverwirklichung. Deswegen gehört es – wie der Name schon sagt - zu den Hauptleistungspflichten eines Arbeitgebers, jemandem Arbeit zu geben. Geschieht das nicht, ist das vertragswidrig. Es sei denn, der Arbeitgeber hat hierfür besondere, rechtfertigende Gründe.

Und wenn der Arbeitgeber sagt, „ich hätte ja Arbeit für Herrn X oder Frau Y, aber die wollen sie nicht erledigen“?

Dann muss die Frage geklärt werden, ob die Arbeit Herrn X oder Frau Y zugewiesen werden darf. Grundsätzlich gilt: Ein Arbeitnehmer kann sich seine Tätigkeit nicht einfach selbst aussuchen. Darüber bestimmt vielmehr der Arbeitgeber. Er darf dabei aber nicht maßregelnd vorgehen – nach dem Motto, „Herr X ärgert mich, deswegen sortiert er ab jetzt nur noch Büroklammern nach der Farbe“. Die Zuweisung der Arbeit muss der Billigkeit entsprechen, also angemessen auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen.

Im Rechtsstreit mit dem WDR macht der Redakteur Jürgen Döschner nun geltend, der Sender habe ihm keine Arbeit zugewiesen.

Das ist das für mich Erstaunliche. Wenn der WDR einem Redakteur nichts zu tun gibt, ihn aber dennoch bezahlt, ist das die Verschwendung öffentlicher Mittel, die man sehenden Auges laufen lässt. Umgekehrt hätte eine etwaige Verweigerung ordnungsgemäß zugewiesener Arbeit zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen müssen. Oder aber der Sender hätte Döschner etwas anderes zu tun geben müssen. Aber ihn einfach weiterzubezahlen – das kann nicht sein.

Welche Bewandtnis hat es damit, dass es womöglich um inhaltliche Differenzen ging – konkret um Döschners Ansichten über den Braunkohletagebau und den Energiekonzern RWE?

Bei Journalisten kann auch das Grundrecht der Meinungsfreiheit berührt sein. Wenn ein Redakteur zum Beispiel aus Gründen der persönlichen Überzeugung nicht negativ über die katholische Kirche berichten will, dann kann das zulässig sein. Man spricht von einem legitimen Leistungsverweigerungsrecht. Das betrifft aber einseitig die Freiheit des Mitarbeiters. Sein Arbeitgeber kann ihm nicht aus ideologischen Gründen die Arbeit verweigern.

Kommt solch eine Klage wie die von Döschner gegen den WDR häufiger vor?

Zu Rechtsstreitigkeiten vor Gericht wegen Nichtbeschäftigung kommt es typischerweise bei der Versetzung von Mitarbeitern auf eine weniger zentrale oder exponierte Stelle. Ich konstruiere mal einen Fall: Ein Unternehmen ernennt einen Mitarbeiter zum Leiter der Asien-Abteilung, obwohl es gar kein Asien-Geschäft hat. Nichtbeschäftigung spielt zudem regelmäßig bei Kündigungsschutzklagen eine Rolle: Der Mitarbeiter ist von seiner Firma freigestellt und wehrt sich dagegen mit dem Argument: „Ich will arbeiten, aber ihr lasst mich nicht.“

Das sagt Döschner ja so ähnlich. Aber im Bereich der Kündigung bewegt sein Fall nicht.

Umso belastender, könnte man sagen, ist für ihn die Untätigkeit. Denn seine Arbeit als Journalist hat in besonderem Maße mit Kreativität, Selbstentfaltung und Lebenssinn zu tun. Ganz grundsätzlich betrachtet, ist es ein Fall, den es eigentlich gar nicht geben kann: Der Mann ist gegen seinen Willen untätig, bekommt dafür aber vom Sender weiter regulär sein Gehalt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Dann haben beide Seiten ein Problem?

Der WDR ganz bestimmt. Er muss erklären, warum Döschner ohne Arbeit Geld erhält. Das wäre nur dann richtig, wenn Döschner Arbeit zugewiesen wurde, die er nicht leisten muss. Dann aber hätte Döschner ja recht.

Wie gehen Klagen wegen Nichtbeschäftigung denn normalerweise aus?

Erfahrungsgemäß kommt man – insbesondere bei Arbeitnehmern in vorgerücktem Alter - zu einem Aufhebungsvergleich: Das Arbeitsverhältnis wird beendet, gegen Zahlung einer Abfindung.

Gregor Thüsing, geb. 1971, ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit an der Universität Bonn.

KStA abonnieren