KlassikDas Schweigen des Götzen

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  • Köln Chor begeistert mit Mendelssohns "Elias"

Gleich die ersten Einsätze verlangen vom Chor blitzschnelle Charakterwechsel. Der dissonante Aufschrei "Hilf, Herr!" wendet sich zur demutsvollen Klage "Die Ernte ist vergangen". Das einstimmige Chor-Rezitativ über liegenden Orchesterakkorden mündet in die neo-gregorianisch psalmodierende Zeile "Herr, höre unser Gebet". Und der fugierte Zorn des durch Dürre verfluchten Volks Israel verkehrt sich plötzlich zum offenbarenden Choralsatz "Denn ich der Herr" mit hymnischer Überhöhung. In Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Elias" ist der Chor das handelnde Kollektiv, wahlweise Stimme von Volk, Engelsscharen, Baals- oder Jahwe-Anhänger.

Das Oratorium über den alttestamentarischen Propheten wurde bereits bei der Uraufführung 1846 in Birmingham begeistert aufgenommen, ebenso im Folgejahr bei der deutschsprachigen Erstaufführung in Hamburg. Der Komponist traf mit diesem Opus 70 den Nerv der damaligen bürgerlichen Chorbewegung. Und bis heute erfreut sich der "Elias" im angloamerikanischen und deutschsprachigen Raum großer Popularität, bei Chören ebenso wie beim Publikum. Die guten Gründe für diesen anhaltenden Erfolg belegten nun einmal mehr in der Philharmonie Köln Chor und Neues Rheinisches Kammerorchester unter Leitung von Wolfgang Siegenbrink.

Sturm und Meeresbrausen

Die erste Anrufung Baals fordert dramatische Wechsel von polyphonen und homophonen Passagen. Die zweite Bitte, der Gott möge einen Holzstoß entzünden, steigert sich zum drängenden Marsch und die dritte zum mehroktavigen Unisono mit sinnfällig das Schweigen des machtlosen Götzen demonstrierenden Generalpausen. Im weniger von Wundertaten und äußerer Handlung getragenen zweiten Teil des Oratoriums glänzte der Köln Chor als aufgewiegelte Volksmenge in schneller Wechselrede mit der hier als demagogische Königin des alten Glaubens auftretenden Altistin Alexandra Thomas. Zwischen den kontemplativen Sätzen auf Psalmverse ragt auch das opernhafte Tongemälde "Der Herr ging vorüber" heraus, wo das Orchester mit Tremoli, Wirbeln und Fanfaren effektvoll Sturm, Erdbeben und Meeresbrausen nachzeichnet.

Als Solist ragte Christoph Scheeben mit staunenswertem Tonumfang zwischen Bass und hohem Bariton heraus. Er sang prononciert mit großer Textverständlichkeit vor allem die Rachearie, in welcher der Prophet das Abschlachten der Baals-Prediger fordert. Während Markus Francke mit strahlendem Verkündungs-Tenor sang, klang der Sopran von Hyuna Ko forciert und nachdrückend. Eigene Reize entfalteten die Ensembles von Solisten gemeinsam mit einzelnen Choristen, insbesondere das bezaubernde A-cappella-Terzett der drei Engel "Deine Hilfe kommt vom Herrn", das als biedermeierliches Erbauungsstückchen zugleich am stärksten die Zeitgebundenheit von Mendelssohns Werk verriet. Verdienter Applaus für eine große Leistung.

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