Kölner KlavierabendBarenboim packt Beethoven in Watte

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Daniel Barenboim bei seinem Konzert in der Kölner Philharmonie

Daniel Barenboim bei seinem Konzert in der Kölner Philharmonie

  • Der Gast demonstriert dem Publikum, wie man schalldämpfend hustet.
  • Kultiviert wird ein weicher Sound, in dem viele Nuancen verschwinden. Die langsamen Sätze gelingen besser als die schnellen.
  • Die Zugabe verwehrt Barenboim mit einem demonstrativen Schließen des Flügeldeckels.

Köln – Die Geste ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Nach dem Largo aus Beethovens Es-Dur-Sonate Opus 7 erhob sich Daniel Barenboim vom Klavierhocker und demonstrierte mit einem Taschentuch vor dem Mund, wie man schalldämpfend hustet. Die unfreundliche Maßregelung erfolgte zweifellos zu Recht, bewirkte aber nicht viel. Dass sein Name die Kölner Philharmonie bis auf den letzten Platz gefüllt hatte (bei Kartenpreisen von bis zu 130 Euro), wird der Berühmte nicht ohne Wohlgefallen zur Kenntnis genommen haben. Aber erwartete er ernsthaft, dass dieses Publikum seinem Vortrag mit der mäuschenstillen Gespanntheit eines eingeschworenen Kennerzirkels folgen würde?

Es läuft eine neue Gesamtdarstellung

Vier Beethoven-Sonaten standen auf dem Programm, zwei frühe (Opera 7 und 14), eine mittlere (Opus 54) und eine späte (Opus 111). Mit dieser Zusammenstellung hat Barenboim jüngst seinen Pariser Beethoven-Zyklus beendet; in Berlin läuft im Zeichen des Jubiläumsjahres gerade eine neue Gesamtdarstellung aller 32 Sonaten. Mit dem Pianisten reist sein Flügel, bei dem auf der Innenseite des Tastendeckels – dort, wo sonst Steinway oder Bösendorfer steht – in kapitalen Lettern der Name Barenboim prangt. Der belgische Klavierbauer Chris Maene hat das Instrument in Anlehnung an Vorbilder aus dem 19. Jahrhundert konstruiert.

Barenboim schwärmt immer wieder von dieser Sonderanfertigung, deren Reize sich vielleicht in anderen Sälen besser erschließen. In der Kölner Philharmonie klang der Flügel eher matt und stumpf, vor allem in den hohen Lagen. Offenbar schätzt Barenboim aber gerade diesen etwas wattig-indirekten Sound, den er auch in seinem Spiel kultivierte.

Wie unter einer Dunstglocke klangen die Variationen aus Opus 111, die der Komponist doch in immer lichtere Höhen treibt. Dabei fehlte es diesem Satz, der zu den heiligsten Bezirken des Klavierrepertoires zählt, durchaus nicht an Poesie und Schönheit: Barenboim spielte ihn durchlässig, entspannt, sehr ebenmäßig auch in den unangenehm liegenden Trillerketten. Die kämpferische Fröhlichkeit, mit der Maurizio Pollini ein Jahr zuvor am selben Ort die Boogie-Rhythmen der dritten Variation durchjazzt hatte, durfte man von Barenboim freilich nicht erwarten.

Rein pianistisch wirkte der 78-jährige diesmal souveräner als bei seinen vorangegangenen Kölner Klavierabenden. Was aber zuweilen verdross, war die pauschale Abwicklung, die Einebnung von Details, die mangelnde Differenzierung zwischen Früh- und Spätwerk. Generell gelangen Barenboim die langsamen Sätze überzeugender als die schnellen. Von der Elastizität und Grazie im Kopfsatz der E-Dur-Sonate Opus 14/1 war nicht viel zu spüren, dafür beeindruckte im nachfolgenden Allegretto eine hochverdichtete Linienspannung, die die Achtelnoten bis an den Rand der Überzeichnung dehnte.

Momente erfüllter Imagination

Es gab viele solcher Momente einer erfüllten Musikalität, einer starken klanglichen Imagination. Immer wieder ließ Barenboim einzelne Episoden, Phrasen, Figuren mit großartiger Plastizität hervortreten – aber dann senkte sich auch schon wieder die alles einebnende Nebelbank einer nachlässigen Pedalisierung herab.

Davon war vor allem die ohnehin viel zu selten gespielte F-Dur-Sonate Opus 54 betroffen. Deren fast durchgängig zweistimmig gesetztes Finale lässt faszinierend flüchtige, schnell zerfallende Harmoniefelder entstehen, die Barenboims Pedalfuß aber so üppig einnässte, dass man die Strukturidee nicht mehr verstand.

Die Begeisterung im Saal konnte derlei nicht trüben: Kaum war der entrückte Pianissimo-Schluss von Opus 111 verklungen, da riss es das Publikum auch schon von den Stühlen. Wer auf eine Zugabe gehofft hatte, wurde indes streng abgewiesen: Demonstrativ schloss Barenboim am Ende den Klavierdeckel mit dem berühmten Namen.

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