Kölner Literaturfestival PoeticaWas kann Dichtung in Zeiten des Krieges leisten?

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Mann mit Ukraine-Fahne

Köln – Uljana Wolf hatte alles bestens im Griff. Das zeigte sich schon an der hohen Konzentration, mit der das Publikum die dreieinhalb Stunden dauernde Eröffnung der siebten Poetica in der Aula der Universität zu Köln verfolgte. Zum Speed Dating mit der Kuratorin und Moderatorin traten neun Autorinnen und Autoren an, lasen Gedichte und gaben Auskunft. Sie alle stehen für eine Lyrik, in der das Dokumentarische eine wesentliche Rolle spielt. Und so fragt das „Festival für Weltliteratur“ in dieser Woche: Wie erweitern Gedichte das Archiv des Wissens? Was erfahren wir in der Lyrik über Gewalt, Zensur und Umweltkatastrophen?

Dass bei alledem der Krieg in der Ukraine aus den Gesprächen nicht wegzudenken sei, stellte Uljana Wolf in ihrer Eingangsrede fest. Wenn Gedichte „unmissverständliche Gegenrede“ seien, so bestehe doch kein Zweifel an der „unmissverständlichen Fürrede für die Ukraine“: „Wir solidarisieren uns mit ihr und mit dem Recht auf Widerstand gegen einen imperialen Aggressor.“

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Die chilenische Künstlerin Cecilia Vicuna, die soeben in Venedig für ihr Lebenswerk mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden ist, begann ihre Vorstellung mit einem gesummten Klagegesang. Sie bete für den Frieden, sagte sie: Frieden „für die Menschen in der Ukraine und für uns alle.“ Wenig später bekannte die aus Weißrussland stammende Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, der „homo sovieticus“ werde offenbar und leider „nicht so schnell verschwinden“, wie sie selbst es einmal vermutet habe.

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Der Klang ist für jedes Gedicht von hoher Bedeutung. Dies wird auf der Poetica, die einst von Günter Blamberger initiiert wurde und weiterhin von ihm geleitet wird, mit Nachdruck ausgestellt. Faszinierend klang das Amharisch der Äthiopierin Mihret Kebede, bei deren Vortrag man begreift, ohne ein Wort zu verstehen. Akustische Archive kreierten der Chinese Yan Jun und die Britin Ain Bailey. Don Mee Choi erinnerte an die Militärdiktatur in Korea ebenso pointiert wie Carlos Soto-Román an jene in Chile. Anja Utler schwärmte von der utopischen Kraft der Flüsse. Und der Kongolese Fiston Mwanza Mujila versicherte nach seinem imposanten Vortrag: „Ich kann noch viel lauter – das waren nur 20 Prozent.“

Vier Statements zum Krieg in der Ukraine

Was kann Literatur in Zeiten des Krieges leisten? Macht Krieg sprachlos oder beredt? Das haben wir zwei Autorinnen und zwei Autoren der Poetica gefragt.

Don Mee Choi, 1962 in Südkorea geboren und in in den USA lebend, ist Lyrikerin und Übersetzerin. 2020 erhielt sie den National Book Award for Poetry.

Carlos Soto-Román, 1977 in Chile geboren, ist Schriftsteller und Übersetzer.

Yan Jun, 1973 in China geboren, ist Lyriker und Musiker.

Anja Utler, 1973 in Schwandorf geboten, ist Lyrikerin, Essayistin und Übersetzerin. 2018 hatte sie die Thomas Kling-Poetikdozentur inne und erhielt 2021 den Ernst-Meister-Preis für Lyrik.

Übersetzung der englischsprachigen Texte: Michaela Predeick

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